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„Und ich, Vetter, schenk' dir den Rat, daß bei noch
längerem Zögern der Gianetto im Maquis sein wird,
und dann braucht's mehr als einen Kerl wie dich,
um ihn dort zu holen."
Der Adjutant zog eine Uhr aus der Tasche, die gut
jefm Taler wert war; und als er sah, daß die Augen
des Kindes bei diesem Anblick funkelten, sagte er ihm,
indem er die Uhr an der Stahlkette herunterhängen
ließ: „Schelm! Du hättest doch sicher gern so eine Uhr
um den Hals hängen, und dann würdest du in
den Straßen von Porto Vecchio stolz wie ein Pfau
einherspazieren; und die Leute würden diA fragen:
Wie spät ist's? und du antwortest ihnen: Schaut auf
meine Uhr."
„Wenn ich groß bin, bekomm' ich eine von meinem
Onkel, dem Korporal."
„Ja, aber der Sohn deines Onkels hat schon eine
... nicht so schön wie diese, alles was wahr ist. ..
Und doch ist er jünger als du."
Das Kind ächzte.
„Nun, möchtest du die Uhr, kleiner Vetter?"
Fortunato, der die Uhr anblinzelte, glich einer
Katze, der man ein ganzes Huhn vorhält. Da sie
fühlt, daß man sich über sie lustig macht, wagt sie
nicht, die Krallen danach auszustrecken, und von Zeit
zu Zeit wendet sie die Augen ab; um nicht der Ge¬
fahr der Versuchung zu unterliegen; aber sie leckt sich
alle Augenblicke das Maul und sie scheint ihrem
Herrn zu sagen: „Wie ist doch dein Scherz so graw
sam!"
Indessen schien es der Adjutant Gamba aufrichtig
zu meinen, wie er so die Uhr hinhielt. Fortunato
regte keine Hand, aber er sagte ihm mit bitterem
Lächeln: „Warum macht Ihr Euch über mich lustig?"
„So wahr mir Gott helfe, ich mach' mich nicht Wer
dich lustig. Sag' mir nur, wo Gianetto ist, und diese
Uhr ist dein!"
Fortunato ließ sich ein ungläubiges Lächeln ent¬
schlüpfen; und indem er seine schwarzen Augen auf
diejenigen des Adjutanten richtete, bemühte er sich,
in ihnen zu lesen, welchen Glauben er wohl diesen
Worten beimessen durfte.
„Meine Epauletten will ich verlieren", rief der Ad¬
jutant, „wenn ich dir die Uhr nicht unter dieser Be¬
dingung gebe! Die Kameraden sind Zeugen, ich kann
mich nicht mehr davon lossagen."
Während er so sprach, hielt er die Uhr immer näher
heran, so nahe schließlich, daß sie die bleiche Wange
des Kindes berührte. Dieses zeigte auf seinem Ge¬
sichte gar wohl den Kampf, den sich in seiner Seele
die Begierde und die der Gastfreundschaft schuldige
Scheu lieferten. Seine nackte Brust hob sich bebend,
es schien fast zu ersticken. Und die Uhr schaukelte hin
und her, drehte sich und stieß manchmal an seine
Nasenspitze. Nach und nach hob sich feine rechte Hand
zur Uhr: die Fingerspitzen berührten sie; und sie
ruhte völlig in seiner Hand, ohne daß der Adjutant
jedoch das Ende der Kette losließ. .. Das Ziffer¬
blatt war himmelblau ... das Gehäuse neu poliert...
in der Sonne schien sie ganz aus Feuer ... Die
Versuchung war zu stark.
Fortunato hob auch seine linke Hand und deutete mit
dem Daumen über seine Schulter hinweg auf den
Heuhaufen, an den er angelehnt! saß. Der Adjutant
verstand ihn sofort. Er ließ das Ende der Kette
fahren; Fortunato fühlte sich als alleiniger Besitzer
der Uhr. Er erhob sich mit der Behendigkeit eines
Hirsches und entfernte sich zehn Schritte von dem
Heuhaufen, den die Voltigeure sofort zu durchwühlen
begannen.
Es dauerte nicht lange, und man sah das Heu sich
bewegen; ein blutiger Mensch mit dem Dolch in der
Hand trat heraus; aber als er versuchte, sich auf
seinen Füßen aufrecht zu halten, erlaubte ihm dies
die erkaltete Wunde nicht mehr. Er fiel nieder. Der
Adjutant warf sich auf ihn und entriß ihm das Stilett.
Sofort knebelte man ihn stark, trotz seines Wider¬
standes.
Gianetto, der gleich einem Bündel auf dem Boden
lag, wandte den Kopf nach Fortunato, der sich wieder
genähert hatte. „Sohn eines-!" sagte er ihm
mit mehr Verachtung als mit Zorn. Das Kind warf
ihm das Geldstück zu, das es von ihm erhalten hatte,
da es fühlte, daß es dies Geschenk nicht mehr ver¬
diene; aber der Geächtete schien nicht weiter auf
diese Bewegung zu achten. Er sagte mit großer Kalt¬
blütigkeit zu dem Adjutanten: „Mein lieber Gamba,
ich kann nicht gehen; Sie werden mich nach der Stadt
tragen müssen."
„Du liefst eben noch schneller als ein Reh", sagte
der grausame Sieger; ,/iber sei ruhig; ich bin so zu¬
frieden, dich zu haben, daß ich dich eine Stunde auf
meinem Rücken trüge, ohne zu ermüden. Übrigens,
Kamerad, werden wir dir eine Tragbahre machen
aus Zweigen und deinem Mantel, und bei dem Land¬
gut von Crespoli finden wir Pferde."
„Gut!" sagte der Gefangene, „Ihr werdet auch ein
wenig Stroh auf Eure
Bahre legen, damit ich
bequemer liege."
Während einige der
Voltigeure damit be¬
schäftigt waren, eine
Art Bahre aus den
Asten eines Kastanien¬
baumes zu machen, die
anderen damit, daß sie
die Wunde Gianettos
verbanden, erschienen
plötzlich Mateo Falcone
und seine Frau an ei¬
ner Biegung des Pfa¬
des, der zum Maquis
führte. Die Frau schritt
mühselig unter der Last
eines großen Sackes
voller Kastanien gebeugt
vorwärts, während ihr
Gatte stolz daneben
herging und nur ein
Gewehr in der Hand
und ein anderes am
Riemen trug; denn es
ist eines Mannes un¬
würdig, eine andere Last
zu tragen als die seiner
Waffen.
da erschien plötzlich Mateo ^ Anblick der
Falcone ... Soldaten war der erste
Gedanke Mateos, daß