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das Spiel fort, das ihm so gut gelungen war.
Unverschämt und frech gegen jedermann, hatte
er Aufmerksamkeiten und Schmeichelworte nur
für das Maultier. In den Höfen des Palastes traf
man ihn stets mit einer Handvoll Hafer oder
einem Pack süßen Klees, dessen rote Büschel er
mit zierlicher Geberde schüttelte. Dabei sah er zum
Balkon des heiligen Vaters auf mit einem Ge¬
sichtsausdruck, als ob er sagen wollte: — He... für
wen mag das sein?...
Und wirklich erreichte er damit, daß der gute
Papst, der sein Alter immer mehr herannahen
fühlte, ihn mit der Aufsicht über den Stall betraute,
und ihm gestattete, dem Maultier seinen Humpen
mit Wein zu bringen. Das ging den Kardinälen
doch über den Spaß.
Aber auch das
Maultier hatte da¬
bei nichts zu lachen...
Zur Stunde, wenn
es seinen Wein be¬
kommen sollte, sah
es jetzt immer fünf
bis sechs kleine
Singschüler herein¬
huschen, die sich mit
ihren Mäntelchen
und ihren Spitzen¬
hemden rasch
ins Stroh versteck¬
ten. Kurz darauf er¬
füllte ein lockender,
warmer Duft von
Zimt und Gewürz
den Stall und Tistet
Vedene erschien mit
dem Humpen, in
dem er den Ge¬
würzwein vorsichtig
trug. Damit begann
das Martyrium für
das arme Tier.
Diesen wohl¬
riechenden Wein,
den es so gerne
trank, und der ihm
Flügel verlieh, hatte man die Grausamkeit, ihm
an die Krippe zu bringen, um es den Duft ein¬
atmen zu lassen; hatte es dann die Nüstern voll¬
gesogen, dann — weg damit aus Nimmerwieder¬
sehen! Die schöne rosenfarbene Flüssigkeit ging
bis auf den letzten Tröpfen den Schlund dieser
kleinen Schlingel hinunter...
Wenn sie nun wirklich nur diesen Wein ge¬
stohlen hätten; aber das waren reine Teufel, alle
diese kleinen Mehdiener, sobald sie getrunken
hatten!... Der eine zog es an den Ohren, der
andere am Schwänze. Quinquet stieg ihm auf
den Rücken. Beluguet setzte ihm sein Barett auf
und kein einziger dachte daran, daß das brave
Tier sie mit einem Hufschlag hätte bis zum Polar¬
stern befördern können und selbst noch weiter...
Doch nein! Man ist ja nicht umsonst das Maul¬
tier des Papstes, das Maultier für die Segen¬
spendung und für
den Ablaß... Die
Jungen mochten
tun, was sie woll¬
ten, es ärgerte sich
nicht darüber und
nur einzig auf Tistet
Vedene war es böse.
Merktees, daß dieser
hinter ihm stand,
dann juckte es ihm
im Huf, und wahr¬
lich Grund ge¬
nug hatte es da¬
zu. Dieser Tauge¬
nichts von Tistet
spielte ihm wirklich
üble Streiche! Er
hatte so grausame
Einfälle, wenn er
getrunken hatte.
Eines Tages
nahm er sich sogar
heraus, mit ihm in
den Glockenturm
der Chorschule hin¬
aufzusteigen, höher,
immer höher bis
auf die höchste
Stelle des ganzen
Der Papstpalast in Avignon.