Full text: 53.1925 (0053)

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das Spiel fort, das ihm so gut gelungen war. 
Unverschämt und frech gegen jedermann, hatte 
er Aufmerksamkeiten und Schmeichelworte nur 
für das Maultier. In den Höfen des Palastes traf 
man ihn stets mit einer Handvoll Hafer oder 
einem Pack süßen Klees, dessen rote Büschel er 
mit zierlicher Geberde schüttelte. Dabei sah er zum 
Balkon des heiligen Vaters auf mit einem Ge¬ 
sichtsausdruck, als ob er sagen wollte: — He... für 
wen mag das sein?... 
Und wirklich erreichte er damit, daß der gute 
Papst, der sein Alter immer mehr herannahen 
fühlte, ihn mit der Aufsicht über den Stall betraute, 
und ihm gestattete, dem Maultier seinen Humpen 
mit Wein zu bringen. Das ging den Kardinälen 
doch über den Spaß. 
Aber auch das 
Maultier hatte da¬ 
bei nichts zu lachen... 
Zur Stunde, wenn 
es seinen Wein be¬ 
kommen sollte, sah 
es jetzt immer fünf 
bis sechs kleine 
Singschüler herein¬ 
huschen, die sich mit 
ihren Mäntelchen 
und ihren Spitzen¬ 
hemden rasch 
ins Stroh versteck¬ 
ten. Kurz darauf er¬ 
füllte ein lockender, 
warmer Duft von 
Zimt und Gewürz 
den Stall und Tistet 
Vedene erschien mit 
dem Humpen, in 
dem er den Ge¬ 
würzwein vorsichtig 
trug. Damit begann 
das Martyrium für 
das arme Tier. 
Diesen wohl¬ 
riechenden Wein, 
den es so gerne 
trank, und der ihm 
Flügel verlieh, hatte man die Grausamkeit, ihm 
an die Krippe zu bringen, um es den Duft ein¬ 
atmen zu lassen; hatte es dann die Nüstern voll¬ 
gesogen, dann — weg damit aus Nimmerwieder¬ 
sehen! Die schöne rosenfarbene Flüssigkeit ging 
bis auf den letzten Tröpfen den Schlund dieser 
kleinen Schlingel hinunter... 
Wenn sie nun wirklich nur diesen Wein ge¬ 
stohlen hätten; aber das waren reine Teufel, alle 
diese kleinen Mehdiener, sobald sie getrunken 
hatten!... Der eine zog es an den Ohren, der 
andere am Schwänze. Quinquet stieg ihm auf 
den Rücken. Beluguet setzte ihm sein Barett auf 
und kein einziger dachte daran, daß das brave 
Tier sie mit einem Hufschlag hätte bis zum Polar¬ 
stern befördern können und selbst noch weiter... 
Doch nein! Man ist ja nicht umsonst das Maul¬ 
tier des Papstes, das Maultier für die Segen¬ 
spendung und für 
den Ablaß... Die 
Jungen mochten 
tun, was sie woll¬ 
ten, es ärgerte sich 
nicht darüber und 
nur einzig auf Tistet 
Vedene war es böse. 
Merktees, daß dieser 
hinter ihm stand, 
dann juckte es ihm 
im Huf, und wahr¬ 
lich Grund ge¬ 
nug hatte es da¬ 
zu. Dieser Tauge¬ 
nichts von Tistet 
spielte ihm wirklich 
üble Streiche! Er 
hatte so grausame 
Einfälle, wenn er 
getrunken hatte. 
Eines Tages 
nahm er sich sogar 
heraus, mit ihm in 
den Glockenturm 
der Chorschule hin¬ 
aufzusteigen, höher, 
immer höher bis 
auf die höchste 
Stelle des ganzen 
Der Papstpalast in Avignon.
	        
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