Sohn eines Seidenwarenfabrikanten geboren.
Sein engeres Vaterland hat Teil an seinen
Schöpfungen. Die heiße Mittagssonne erzeugt
die lebhafte Phantasie, die Daudets Werke be¬
lebt und mit einer wohlwollenden Spottsucht
durchtränkt. Nachdem sein Vater wegen finan¬
zieller Verhältnisse nach Lyon übergesiedelt
war, besuchte Alphonse dort das Gymnasium.
Durch Schicksalsschläge verarmte indessen die
Familie vollständig und Alphonse mußte schon
frühzeitig sein Brot als Hilfslehrer zu ver¬
dienen suchen. Bald wandte er sich aber nach
Paris, wo er an feinem Bruder eine Stütze
fand. Die Veröffentlichung einer kleinen Ge-
dichtsammung und späterhin einer Anzahl rei¬
zender Märchen erregte das Interesse der
Kaiserin Eugenie, die ihn ihrem Schwager,
dem Herzoge von Morny, als Privatsekretär
empfahl. In dieser Stellung hatte er Gelegen¬
heit, durch große Reisen Stoff zu neuen Schöp¬
fungen zu sammeln. Dadurch gelang es ihm
bald, sich unabhängig zu machen und von dem
Ertrage seiner Feder zu leben.
Mit zu den besten seiner Werke zählen die
kleinen Schilderungen aus dem Landleben, die
unter dem Titel „Briefe aus meiner Mühle"
(Uettras ela mon moulin) im Jahre 1868 er¬
schienen sind. Diese Briefe sind geschrieben in
einer malerisch gelegenen, einsamen Mühle,
„einer Wind- und Mahlmühle im Rhone¬
tal, mitten in der Provence, auf einem mit
Fichten und grünen Eichen bestandenen
Hügel, welche besagte Mühle seit mehr als
zwanzig Jahren leer steht und nicht mehr
in mahlfähigem Zustande ist, wie sich aus dem
wilden Wein, dem Moose, Rosmarin und
anderen Schmarotzerpflanzen ergibt, die sich
bis an das Ende der Flügel emporwinden"
wie es so prächtig in dem Kaufakt geschildert
ist. In dieser von Daudet für seinen Aufent¬
halt gekauften Mühle war er in einer Um¬
gebung, die wie fast immer bei seiner Arbeit,
dem Stoff seiner Erzählungen sich anpaßte,
was natürlich der Anschaulichkeit seiner Schil¬
derungen ungemein förderlich sein mußte.
Jede dieser Erzählungen ist ein wahres
Meisterwerk, das Natursinn und eine bemer¬
kenswerte Empfänglichkeit für das Zarte und
Schöne mit einem feinsinnigen Humor ver¬
bindet. Wenn auch die „Briefe aus meiner
Mühle" erst nach dem Erscheinen seiner größe¬
ren Romane allgemeine Beachtung fanden, so
zählen sie heute in Frankreich zu den gelesensten
Büchern, und auch in Deutschland, zumal in
den höheren Schulen, wird dieses Buch gerne
gelesen. Wir haben daher im diesjährigen
Kalender zwei allerliebste Novellen von Daudet
aufgenommen: „Das Maultier des Papstes"
und „Die Ziege des Herrn Seguin", aus denen
der Leser sich selbst ein Urteil bilden kann, ob
das Vorgesagte berechtigt ist. Die Lektüre
dieser Novellen wird manchen Leser dazu
führen, weiteres von Daudet kennen zu lernen,
was er nicht bereuen wird.
Der Papstpalast und die Kathedrale zu Avignon.