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beginnt der Stern nach und nach kälter zu werden,
bis zum Erlöschen. In der Periode der Erhitzung zer¬
legen sich die schwereren Atome in leichtere, bis daß
die fortschreitende Abkühlung sie wieder herstellt.
Wahrscheinlich sind also in den heißesten Sternen, die
in der Hauptsache Wasserstoff und Helium enthalten,
die festeren chemischen Elemente mehr auseinander¬
gezogen und in diese leichten Gase verwandelt. Wenn
man das annimmt, muß man zu dem Schlüsse
kommen, daß der Wasserstoff nach und nach die
Metalle bildet, indem er sich kondensiert.
Unter den Sternen muß also immer eine Anzahl
vorhanden sein, die im Stadium der Erhitzung sind,
während andere in ihrer thermischen Kraft abnehmen.
Lockyer hat eine Kurve entworfen, die die einzelnen
Phasen deutlich zeigt. Die aufsteigende Kurve zeigt
Sterne im Stadium der zunehmenden Erhitzung, die
absteigende solche, die in der Abkühlung begriffen sind.
Der experimentale Nachweis der vorgeschilderten
Theorie war lange Zeit nicht möglich. Jetzt ist es aber
der astrophysikalischen Arbeit gelungen, die Tempera¬
turen der Gestirne zu messen. Das Observatorium zu
Paris wandte die neue Methode zum ersten Male an;
heute wird sie täglich überall gebraucht. Nach diesem
Verfahren hat man die Wärme der Sonne auf 6300°
festgestellt, eine Zahl, die fast genau mit der früher
errechneten Zahl übereinstimmt. Die Heliumsterne
erreichen im Mittel eine Temperatur von 15000 ", bei
einzelnen Sternen wurden Temperaturen von 22000 0
und 28000 0 gemessen.
Die Wasserstoffstcrne besitzen eine mittlere Tempe¬
ratur von 12000°. Wenn unsere Sonne noch eine
solche Temperatur besäße, müßte man mit einer Erd¬
temperatur von 110 ° C. rechnen, wobei ein mensch¬
liches oder tierisches Leben ausgeschlossen wäre.
Unsere Sonne hat natürlich diese Temperatur einst¬
mals gehabt; heute ist sie ein Astralgreis, der dem
vollständigen Verluste seiner Wärme entgegensieht.
Im Verhältnis zur Zeit und zur Temperatur stellt
das Leben also nur eine dünne Linie dar in der un¬
endlichen Ordnung der Dinge und in dem vollendeten
unermeßlichen Geschehen der Natur — eine einzige
Zeile in dem großen Roman des Himmels.
Unterhalb der Helium- und Wasserstoffsterne
kommen solche wie der Polarstern mit 8000 °, dann
solche wie unsere Sonne von 4000 °—6000 °. Bei
manchen Sternen hat man nur 2000 ° Wärme nach¬
gewiesen. Diese sind also nicht heißer als unsere
Flammen und viel weniger heiß als der positive Pol
deö elektrischen Lichtbogens.
Die Kenntnis der Temperatur der Sterne hat dazu
geführt, die Lichtausstrahlung auf die Einheit der
Oberfläche zu berechnen, was mit der Kenntnis der
Parallaxe (d. i. der Winkel, unter dem, vom Sterne
aus gesehen, der Erdhalbmesser erscheint) und seines
scheinbaren Glanzes ermöglicht, den Durchmesser des
Gestirns zu ermitteln. Die erhaltenen Resultate sind
in mancher Hinsicht befremdend. Sirius, den man
wegen seines Glanzes für sehr viel größer als die
Sonne hielt, zeigte nur den 1A fachen Durchmesser
von dieser. Umgekehrt lag der Fall beim Aldebaran,
der trotz seines mittleren Glanzes einen dreizehnmal