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Zwecke Truppen mobilisie¬
ren. Gendarmen und Pa¬
trouillen wurden an den
Wegkreuzungen aufgestellt,
niemand konnte mehr von
Ort zu Ort ohne Ausweis
verkehren. Fliegende Kolon¬
nen durchsuchten die abge¬
legenen Orte und die Ge¬
hölze. Damit war das
Schicksal der Banditen besie¬
gelt. Tie Polizei und die ge¬
schickte und hartnäckige fran¬
zösische Gendarmerie lernte
nachgerade alle Stätten ken¬
nen, wo die Banditen sich
aufhielten. Diese zerstreuten
sich und Johann Bückler, auf
dessen Kops ein Preis gesetzt
war, ging auf das rechte
Rheinufer. Aber die Fran¬
zosen hatten sein Signale¬
ment überallhin geschickt und
die deutschen Behörden
schlossen sich der Verfolgung
der Banditen an.
Eines Tages wurde eine
dieser Kolonnen, die von
dem pfälzischen Rat Fuchs
befehligt wurde, in der
Nähe eines Dorfes ange¬
halten und von den Schild¬
wachen benachrichtigt, daß
ein Mann abseits von der
Straße umherlaufe. Man
machte dem Manne ein
Zeichen, stillzustehen. Natür¬
lich gehorchte dieser und kam
nachher auch auf die Straße
selbst.
— Guten Tag, mein
Freund, sagte ein Soldat;
was machen Sie da?
— Ich gehe spazieren,
antwortete der Mann.
— Sie sind also aus diesem Dorfe?
— Ja, das heißt, ich bin hierhergekommen, um
Dachziegel zu kaufen.
Fuchs hatte sich während dieses Gesprächs genähert.
— Und bei wem wollen Sie die Dachziegel kaufen?
sagte er.
Der Mann schien verstört.
— Sie Haben sicher einen Paß. Zeigen Sie ihn mir!
— Sicher habe ich einen, aber ich habe ihn im
Dorfe liegen lassen. Ich ging ein bißchen spazieren
und glaubte nicht nötig zu haben, ihn bei mir zu
tragen.
— Sie machen sa ganz nette Spässe, erwiderte der
Rat. Ich bin verpflichtet, Sie festzunehmen.
Noch hatte niemand Verdacht gegen den Unbe¬
kannten, aber im nächsten Dorfe erkannte ihn ein
Einwohner.
— Das ist Schinderhannes, sagte er.
Um ganz sicher zu gehen, steckte man den Gefan¬
genen mit einem vorgeblichen französischen Deserteur
zusammen.
Sei es nun, daß es diesem
gelang, seine Aufgabe zu
lösen, oder sei es, daß Fuchs
andere Mittel fand, den
Banditen zu identifizieren,
wer weiß es heute? Jeden¬
falls wurde Schinderhannes
erkannt und an das franzö¬
sische Gericht zu Mainz aus¬
geliefert.
Jetzt begriff der Bandit
endlich, daß seine Herrschaft
zu Ende war, und daß er
den Preis für seine Misse¬
taten voll bezahlen müßte.
Immerhin machte er sich
doch noch Illusionen über
sein Schicksal. Den Leuten,
die ihn festnahmen, hatte er
sogar den Vorschlag gemacht,
ihm gegen eine Summe
Goldes die Freiheit wieder
zu geben. Der Bestechungs-
Versuch war natürlich ohne
Erfolg geblieben.
Aber Bückler war noch
jung, kaum 27 Jahre alt,
und hoffte trotz allem immer
noch. Er erinnerte sich an
seine erste Gefangenschaft in
Saarbrücken, aus der er ent¬
flohen war. Bei einer zwei¬
ten Verhaftung war er tn
ein licht- und luftloses Loch
geworfen worden und doch
war es ihm mit Hilfe eines
anderen Gefangenen gelun¬
gen, aus dem Turme zu ent¬
fliehen. Der Strick, an dem
sie sich herabgelassen hatten,
war allerdings zu kurz ge¬
wesen und Schiriderhannes
hatte sich beim Fallen ein
Bein beschädigt. Sein glück¬
licherer Kamerad hatte ihm
aber geholfen und ihn auf ein Pferd gesetzt, so daß
er ein geheimes Versteck erreichen konnte, wo er
wieder gesundete.
Aber die feste Hand des Ersten Konsuls Bonaparte
lenkte die Geschicke Frankreichs und es war schwer,
aus den Gefängnissen des Herrn von Frankreich, der
bald darauf Herr über ganz Europa sein sollte, aus¬
zubrechen. In Fesseln geworfen, brachte man Schin-
derhanncs nach dem berüchtigten Holzturmc zu
Mainz, der sich damals einsam auf einem der Plätze
der Stadt erhob. Die Gefährten des Schinderhannes
waren ihm nachgefolgt; man hatte sie fast alle er¬
wischt. Tag und Nacht wurde der Turm von Gen¬
darmen und Infanteristen bewacht, ein Entkommen
war unmöglich.
— Ach was! sagte eines Tages der Bandit zu seinen
Gefährten. Ich habe niemals einen Mord begangen.
Man wird mich also nur zu 6, 7 oder 8 Jahren ver¬
urteilen können.
— Es wäre schön, wenn es so wäre! meinte ein
Der Holzturm zu Mainz,
in dem Schitlderhannes gefangen
gehalten wurde.