Full text: 53.1925 (0053)

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5d?möerl)cmnes 
der Bandit von Birkenfeld. 
Von Mr. Lanrezac. 
er Hunsrück, zu dem auch das Birkcnfelder 
Ländchen gehört, ist unstreitig eine der male¬ 
rischsten Gegenden zwischen Mosel und Nahe; 
zu Zeiten des Schinderhannes war der Landstrich 
aber noch nicht so kultiviert wie dies jetzt der Fall ist. 
Heule kann man in vollster Sicherheit Wald und 
eld durchstreifen; doch meiden die Touristen die 
egend immer noch, obschon sie dort niemand mehr 
belästigt, wenn sie die düsteren Wälder durchqueren 
oder die schön gelegenen Ruinen besichtigen. 
Immer war es allerdings nicht so. In der Zeit 
zwischen 1793 und 1803 war der Hunsrück doch viel 
unzugänglicher als heute; er galt als der Zufluchts¬ 
ort für Diebe, Verbrecher, Deserteure usw.... mit 
einem Wort als Asyl für alle diejenigen, die sich von 
bewohnten Orten entfernt halten mußten, weil die 
Dbrigkeit sonst strenge Rechenschaft über ihre dunklen 
Taten gefordert hätte. 
Einer der berühmtesten Banditen war damals 
sicherlich Schinderhan¬ 
nes, dessen bürgerlicher 
Name Johann Bückler 
war. Heute spricht man 
im ganzen Gebiet zwi¬ 
schen Rhein und Mosel 
diesen Namen ohne 
jeden Haß aus. Manch¬ 
mal mag noch eine 
Mutter, ohne zu wissen, 
wer Johann Bückler 
war, seinen Spitznamen 
rufen, um ein unfolg¬ 
sames Kind zu schrecken. 
Schinderhannes soll 
dann kommen, um das 
Kind zu strafen oder es 
gar mitzuholen... 
Das gewöhnliche Volk 
allerdings betrachtete 
Schinderhannes nie¬ 
mals als ein verächt¬ 
liches Scheusal — im 
Gegenteil, es hatte Zu¬ 
neigung zu ihm und 
diese Tatsache macht es 
auch leicht erklärlich, 
warum es erst so spät 
der öffentlichen Gewalt 
gelang, seiner habhaft 
zu werden, um ihn 
seine Verbrechen süh¬ 
nen zu lassen. 
Er war kein gewöhn¬ 
licher Verbrecher, der 
Schinderhannes! Ein 
hübscher Bursche, 
immer elegant geklei¬ 
det und viel weniger grausam als seine Spießgesellen, 
konnte er tatsächlich bei seiner Verhaftung erklären, 
daß er niemals einen Mord begangen habe. 
Was waren nun die Gründe für die Sympathie, 
die das Volk diesem zweifellos verachtungswürdigen 
Menschen entgegenbrachte? Man kann deren zwei an¬ 
führen: der erste war der, daß er die kleinen Leute 
ganz in Ruhe ließ. Diese Schonung rührte wahrschein¬ 
lich daher, weil bei solchen Leuten wenig zu holen war; 
doch seine Gefährten waren weniger wählerisch und 
brandschatzten alle Welt ohne Unterschied. Schinder¬ 
hannes erschien dadurch in besserem Lichte als seine 
Gesellen. Mehrmals nahm er sich auch unglücklicher 
Leute an, bei denen er dann die Rolle „des guten 
Geistes", eines Rübezahl, spielte, wobei er aber nicht 
außer acht ließ, seine Großmut genügend bekannt zu 
machen^ Anderseits kann man lagen, daß ganz die¬ 
selben Leute aus Furcht, vielleicht auch aus irgend 
einem anderen Beweggründe, seine Verbrechen be¬ 
günstigten. Da es ihm 
weder an Intelligenz 
noch an Geschicklichkeit 
fehlte, hatte Schinder¬ 
hannes es verstanden, 
seine Bande zur Aus¬ 
führung ihrer Schrek- 
kenstaten straff zu or¬ 
ganisieren, wobei er 
ohne Widerspruch als 
ihr Haupt anerkannt 
wurde. Eine besondere 
Gruppe hatte er unter 
seinen Bandenmitg'lie- 
dern unter dem Namen 
„Lehrbuben" geschaffen, 
die seine geheimen 
Agenten, seine Zubrin¬ 
ger waren. Diese ver¬ 
teilten sich auf das 
ganze linke Rheinufer, 
wo sie für die Bande 
des Schinderhannes 
spionierten. Sie traten 
überall als friedliche 
Bürger auf, die irgend 
ein Gewerbe ausübten; 
eine Besonderheit hat¬ 
ten sie aber: sie ver¬ 
reisten oft, angeblich zu 
Geschäftszwecken. 
Auf eine geheime 
Mitteilung hin, reisten 
sie ab, nahmen teil an 
einer Unternehmung 
und kehrten dann, dre 
Taschen mit Gold ge¬ 
füllt, das sie beim 
Räuberhauptmann Johann Bückler, genannt Schinderhannes, 
geboren zu Mühlen im Rheinland, hingerichtet zu Mainz 
am 21. November 1803 mit 18 seiner Spießgesellen.
	        
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