66
5d?möerl)cmnes
der Bandit von Birkenfeld.
Von Mr. Lanrezac.
er Hunsrück, zu dem auch das Birkcnfelder
Ländchen gehört, ist unstreitig eine der male¬
rischsten Gegenden zwischen Mosel und Nahe;
zu Zeiten des Schinderhannes war der Landstrich
aber noch nicht so kultiviert wie dies jetzt der Fall ist.
Heule kann man in vollster Sicherheit Wald und
eld durchstreifen; doch meiden die Touristen die
egend immer noch, obschon sie dort niemand mehr
belästigt, wenn sie die düsteren Wälder durchqueren
oder die schön gelegenen Ruinen besichtigen.
Immer war es allerdings nicht so. In der Zeit
zwischen 1793 und 1803 war der Hunsrück doch viel
unzugänglicher als heute; er galt als der Zufluchts¬
ort für Diebe, Verbrecher, Deserteure usw.... mit
einem Wort als Asyl für alle diejenigen, die sich von
bewohnten Orten entfernt halten mußten, weil die
Dbrigkeit sonst strenge Rechenschaft über ihre dunklen
Taten gefordert hätte.
Einer der berühmtesten Banditen war damals
sicherlich Schinderhan¬
nes, dessen bürgerlicher
Name Johann Bückler
war. Heute spricht man
im ganzen Gebiet zwi¬
schen Rhein und Mosel
diesen Namen ohne
jeden Haß aus. Manch¬
mal mag noch eine
Mutter, ohne zu wissen,
wer Johann Bückler
war, seinen Spitznamen
rufen, um ein unfolg¬
sames Kind zu schrecken.
Schinderhannes soll
dann kommen, um das
Kind zu strafen oder es
gar mitzuholen...
Das gewöhnliche Volk
allerdings betrachtete
Schinderhannes nie¬
mals als ein verächt¬
liches Scheusal — im
Gegenteil, es hatte Zu¬
neigung zu ihm und
diese Tatsache macht es
auch leicht erklärlich,
warum es erst so spät
der öffentlichen Gewalt
gelang, seiner habhaft
zu werden, um ihn
seine Verbrechen süh¬
nen zu lassen.
Er war kein gewöhn¬
licher Verbrecher, der
Schinderhannes! Ein
hübscher Bursche,
immer elegant geklei¬
det und viel weniger grausam als seine Spießgesellen,
konnte er tatsächlich bei seiner Verhaftung erklären,
daß er niemals einen Mord begangen habe.
Was waren nun die Gründe für die Sympathie,
die das Volk diesem zweifellos verachtungswürdigen
Menschen entgegenbrachte? Man kann deren zwei an¬
führen: der erste war der, daß er die kleinen Leute
ganz in Ruhe ließ. Diese Schonung rührte wahrschein¬
lich daher, weil bei solchen Leuten wenig zu holen war;
doch seine Gefährten waren weniger wählerisch und
brandschatzten alle Welt ohne Unterschied. Schinder¬
hannes erschien dadurch in besserem Lichte als seine
Gesellen. Mehrmals nahm er sich auch unglücklicher
Leute an, bei denen er dann die Rolle „des guten
Geistes", eines Rübezahl, spielte, wobei er aber nicht
außer acht ließ, seine Großmut genügend bekannt zu
machen^ Anderseits kann man lagen, daß ganz die¬
selben Leute aus Furcht, vielleicht auch aus irgend
einem anderen Beweggründe, seine Verbrechen be¬
günstigten. Da es ihm
weder an Intelligenz
noch an Geschicklichkeit
fehlte, hatte Schinder¬
hannes es verstanden,
seine Bande zur Aus¬
führung ihrer Schrek-
kenstaten straff zu or¬
ganisieren, wobei er
ohne Widerspruch als
ihr Haupt anerkannt
wurde. Eine besondere
Gruppe hatte er unter
seinen Bandenmitg'lie-
dern unter dem Namen
„Lehrbuben" geschaffen,
die seine geheimen
Agenten, seine Zubrin¬
ger waren. Diese ver¬
teilten sich auf das
ganze linke Rheinufer,
wo sie für die Bande
des Schinderhannes
spionierten. Sie traten
überall als friedliche
Bürger auf, die irgend
ein Gewerbe ausübten;
eine Besonderheit hat¬
ten sie aber: sie ver¬
reisten oft, angeblich zu
Geschäftszwecken.
Auf eine geheime
Mitteilung hin, reisten
sie ab, nahmen teil an
einer Unternehmung
und kehrten dann, dre
Taschen mit Gold ge¬
füllt, das sie beim
Räuberhauptmann Johann Bückler, genannt Schinderhannes,
geboren zu Mühlen im Rheinland, hingerichtet zu Mainz
am 21. November 1803 mit 18 seiner Spießgesellen.