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Die Bedeutung der Dampfkraft als eines viel¬
verheißenden Beförderungsmittels ist denn auch
in der preußischen Bergverwaltung frühzeitig
erkannt worden. Die auf Staatskosten erbaute
Saarbrücker Eisenbahn (Forbach— Bexbach),
welche sich an der einen Seite an die bereits.
1849 eröffnete pfälzische Ludwigsbahn, auf der
anderen Seite an die 1851 fertiggestellte Linie
'Nancy—Metz—Paris—Straßdurg (französische
Ostbahn) anlehnte, sollte der Schlüssel werden,
um die reichen Steinkohlenschätze des Landes
dem Weltverkehr zu erschließen. Aber auch die
Wasserstraßen des Landes
sollten herangezogen wer¬
den. Im Jahre 1866
wurde der Saarkanal fer¬
tiggestellt, welcher nament¬
lich für den Kohlenabfatz
nach Elsaß-Lothringen,
Frankreich und der Schweiz
von allergrößter Bedeu¬
tung werden sollte.
Es war nicht zu ver¬
wundern, daß bei der un- £
geheuren Wertsteigerung
der Saarbrücker Lande, l:
die gerade durch die Ent- \
Wickelung der Verkehrsver¬
hältnisse herbeigeführtwor-
den war, die Begehr¬
lichkeit Frankreichs
nach den Schätzen
dieser Gegend aufs
neue geweckt wurde.
Als 1840, angezettelt durch
Thiers, den damaligen
Minister des Auswärtigen
in Paris, von neuem der
Ruf nach der Rheingrenze ertönte, da richtete
sich der begehrliche Blick der westlichen Nach¬
barn auch wieder auf die reichen Erträge der
Saarbrücker Lande. Eins der bedeutendsten
französischen Blätter, die „Opinion nationale“,
forderte ganz unverblümt die Notwendigke t
einer „Grenzberichtigung zu Gunsten
Frankreichs" mit der unverschämten Be¬
gründung: „Wir bedürfen des Kohlenbeckens
von Saarbrücken, das bestimmt ist, Lothringen,
Elsaß und unsere nordöstlichen Departements
mit Kohlen zu versorgen."
In Deutschland, das damals noch unter
der kläglichen Führung des deutschen Bundes
stand und den Dornröschenschlaf schlief, erhob
sich dennoch ein lebhafter Widerhall der Ent-
rüstuna. 'Niklas Becker fang damals das
Trutzlied:
„Sie sollen ihn nicht haben.
Den freien deutschen Rhein,
Ob sie wie gier'ge Raben
Sich heiser darnach schrein!"
Aber das Wetter ging für die Saarlande
wieder vorüber, und als erst König Wil¬
helm I. an der Spitze des preußischen Staats¬
wesens stand und ein Bismarck die Geschicke
des Landes leitete, da war an eine Abtretung
der Saarlande nicht mehr zu denken. Als
Kaiser Napoleon III.
nach dem Kriege gegen
Österreich 1866 für seine
dem preußischen Staat ver¬
meintlich geleistete „wohl¬
wollende Haltung", d. h.
seine Neutralität, sich den
^ Lohn holen wollte, welcher
— außer anderen Forde¬
rungen — vor allem auch
in der Wiederabtretung
der Saarbrücker Ge¬
bietsteile bestand, da
zeigte es sich, daß die
Zeit für solche Annektions-
gelüste Frankreichs vorüber
war. Der eiserne Kanz¬
ler eröffnete dem geschmei¬
digen Grafen Bene¬
detti, daß „er das Be¬
stehen aus dieser Forde¬
rung als den Kriegsfall
ansehen müsse", und er
verfehlte nicht, in seiner
markigen Sprache daraus
hinzuweisen, daß ein sol¬
cher Krieg von „revolutionären Donnerschlägen"
begleitet sein könne, welche die festgewurzelte
preußische Dynastie weniger zu fürchten habe,
als der Kaiser Napoleon.
Diesen kalten Wasserstrahl Bismarcks hatte
man in Frankreich nicht vergessen. Die gänz¬
liche Ablehnung der französischen Ansprüche
wäre — darüber kann man sich heute nicht
täuschen — schon damals die Ursache zum Kriege
gewesen, den man nur aufschob, weil man noch
nicht kriegsbereit zu sein glaubte. Aber die
Abrechnnng sollte nur vier Jahre auf sich warten
lassen. Sie geschah aus den französischen Schlacht-
sildern. Frankreichs Kriegserklärung im
Juli 1870 hatte eine ganz andere Wirkung
j auf die deutschen Stämme hervorgebracht, als