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H)ie hat er schon früh — als Bundestags-
Gesandter in Frankfurt a. M. — die ganze
Jämmerlichkeit und Unhaltbarkeit des Deutschen
Bundes erkannt, der damals die Geschicke
Preußens und Deutschlands so unheilvoll be¬
einflußte! Er durchschaute schon damals, daß
die Politik Österreichs, mit der steten Eifersucht
auf die Macht Preußens, weder diesem Staate
noch Deutschland förderlich sein konnte. „Nach
der Wiener Politik", schrieb er in einem Bericht,
„ist einmal Deutschland zu eng für uns beide.
Es ist meine Überzeugung, daß wir in „nicht
zu langer Zeit für unsere Existenz gegen Öster¬
reich werden fechten müssen, und daß es nicht
in unserer Macht liegt, dem vorzubeugen, weil
der Gang der Dinge in Deutschland keinen
anderen Ausweg hat." Und über den Bund
selbst hat er in jenem berühmten Briefe an
feine Schwester folgendes ergötzliche Urteil ge¬
fällt: „Ich gewöhne mich daran, im Gefühle
gähnender Unschuld, die Stimmungen gänzlicher
Wurschtigkeit in mir vorherrschend werden zu
lassen, nachdem ich den Bund allmählich mit
Erfolg zum Bewußtsein des durchbohrenden
Gefühls seines Nichts zu bringen, nicht uner¬
heblich beigetragen habe". Das Lied von
Heine: „O Bund, du Hund, du bist nicht ge¬
sund", wird bald durch einstimmigen Beschluß
zmn Nationallied erhoben werden."
Und ähnlich, wie er mit prophetischem Blick
schon damals den Ausschluß Österreichs aus
Deutschland als Notwendigkeit vorausgesagt
bat, zu einer Zeit wo es als eine Vermessenheit
galt, derartiges offen auszusprechen, hat er
mit dem Blick eines Sehers vorausgeschaut,
daß in dem Rivalitätenkampfe Deutschlands
init Frankreich erst eine entscheidende Lösung
eintreten müßte, um Deutschland die Bahn frei
zu machen zu seiner weitern Entwickelung.
Wenn der geniale Staatsmann, gleich einem
feinen Regisseur, ein wenig die Hand dabei im
Spiele gehabt, daß der Ausbruch dieses Kampfes
gerade zur rechten Zeit erfolgte, so kann dies
als kühner Schachzug seiner überlegenen Di¬
plomatie nur den Ruhm seiner vorausschauenden
Staatskunst erhöhen. Sein Wort: „Kaiser-
kronen müssen auf den Schlachtfeldern gewonnen
werden", war in Erfüllung gegangen.
Als dann das Reich stark und mächtig
dastand im Rate der Völker, da begann seine
rastlose Arbeit bei dem Ausbau des Reiches,
feine schöpferische Tätigkeit auf den Gebieten
des Handels, der Kolonialwirtschaft und
Sozialpolitik, um die unteren Volksschichten
zu schützen und ihnen bei Krankheit und
Invalidität staatliche Fürsorge angedeihen
zu lassen. Namentlich diese letztere Fürsorge
gewann bald einen Umfang, daß andere Völker
erstaunt aufsahen und die Neueinrichtungen des
sozialen deutschen Kaisertums nachahmten.
„Ein Riesenwerk, geschmiedet mit dem Hammer
eines Zyklopen" — so nannte ein italienischer
Staatsmann l.889 auf dem pariser internatio¬
nalen Kongreß die deutsche soziale Gesetzgebung.
Oft meinte der Titane, unter der Last der
Arbeit und der Flut feindlicher Angriffe zu
erliegen, aber wenn er sich mit Rücktrittsgedanken
trug, immer wieder erklang das Wort seines
treuen Monarchen: „Niemals, niemals!" Und
der alte Schöpfer und Hüter des Reiches sagte:
„Ich werde auf der Bresche sterben, wenn
ich nicht mehr leben kann; ein braves
Pferd stirbt in Sielen. Solange ein
Faden an mir ist, will ich dem Vater¬
lande dienen."
Und dieses Gelöbnis Bismarcks wollen
wir in diesem Erinnerungsjahr, da wir den
hundertjährigen Geburtstag dieses großen
Deutschen feiern, zu dem unsrigen machen.
„Solange ein Faden an mir ist, will ich
dem Vaterlande dienen" — das soll die
Parole, das heilige Gelöbnis eines jeden
Deutschen sein. Wir, die wir hier in Saar¬
brücken leben, unweit der Stätten, wo der
Auftakt des deutschen Einigungskrieges einsetzte
mit der furchtbaren Erstürmung der Spicherer
Höhen, wir haben in unserem stimmungsvollen
„Ehrental", in den Grabstätten der tapferen
deutschen Krieger, welche für Deutschlands
Einheit und Größe hier Blut und Leben ein¬
gesetzt haben, immerdar die hehren Beispiele
treuer Pflichterfüllung vor Augen. Und wenn
man in diesem Jahre an allen Orten die
hundertjährige Zugehörigkeit der Rheinlande
zu Preußen feiert, wenn man am April
d. Is. in Wort und Schrift die unsterblichen
Verdienste des deutschen Reichsgründers Otto
von Bismarck feiert, so wollen wir auch der¬
jenigen nicht vergessen, die nach den Worten
des großen Staatsmannes ihr Vaterland höher
gestellt haben als ihr Leben, und im stillen
„Ehrental" und draußen auf den Kriegergräbern
von Spichern wollen wir den Immortellenkranz
treuer Erinnerung und Dankbarkeit auf ihr
frühes Grab legen und im stillen Herzen ge¬
loben, immerdar Treue und Liebe zu
halten dem Vaterlande als—die Wach t
an der Saar!