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Ans dem deutschen Diamantenlande.
Von Hans Fischer.
Über 17 000 junge Leute, Offiziere und Mann¬
schaften, sind mährend der Kriegszeit in Südwestafrika
hinausgegangen. Hunderte von ihnen sind von Lüderitz-
bucht durch den tiefen Sand der Namibwüste unter
den sengenden Strahlen der afrikanischen Sonne land¬
einwärts gezogen.
Die vielen Reiter, die durch die sandige Schale
des beinahe vegetationslosen 150 Kilometer breiten
Wüstengürtels in das Land hinaufritten, ahnten nicht,
daß ihre Tritte die kostbarsten und schönsten aller
Edelsteine in die Erde stampften. Und wenn sie, ge¬
blendet von dem Blinken und Flimmern der vielen
kleinen Steinchen im hellen Sonnenglanze, die schmerzen¬
den Augen abwendeten, dann dachten sie nicht daran,
daß zahllose Diamanten frei zutage liegend, ihre Feuer¬
strahlen zu ihnen emporsandten.
Ich bin während meines Aufenthaltes in Südwest¬
afrika ebenfaus diese Strecke gezogen. Wer hätie
mmals, wenn er im Sande ein glitzerndes Steinchen
gewahrte, an Diamanten gedacht. Die ganze Wüste
flimmert am Boden von kleinen und kleinsten Gesteins¬
kristallen und Glimmerstückchen, die aus dem Granit
der Berge ausgewittert sind, und niemand achtet weiter
darauf, wenn auch em Partitelchen einmal stärker
glänzt, als das andere. Das Allermerkwürdigste ist,
daß der ganze Eisenvahnbau von Lüderitzbucht nach
Keetmannshoop über das diamantenhaltige Gelände
Hinwegegang, n ist, ohne daß dabei ein einziger Stein
gefunden wurde.
Der Wassermangel in der Wüste und die dadurch
erzwungene möglichste Beschleunigung bei der Durch¬
querung des Dünengürtels erklärt es zur Genüge, daß
sich die Diamanten hier zu beiden Setten des einzigen,
von Taus, nden begangenen Zugangsweges nach dem
Innern 25 Jahre lang der Entdeckung entzogen.
Im Mai 1908. als die Bahn längst Keetmanns¬
hoop erreicht Halle, fand, wie erwähnt, ein mit Erd¬
arbeiten beschäftigter Neger den ersten Diamanten.
Der Mann hatte früher in den Diamantmmen der
De Beers-Gesellschaft in Kimberley gearbeitet und
kannte die Edelsteine ganz genau. Er begab stcy zum
Oberbahnmeister Stauch und zeigte diesem seinen Fund
mit den Worten: „Mister, ick hat een Demant!"
Stauch besah den Stein, fragte den Eingeborenen aus
und ließ nach weiteren Steinen suchen, und da ergab
sich die überraschende Tatsache, daß sich in der Nähe
dort ein richtiges Diamantfeld befand. Die Gegend
besteht aus seinem Sand, au£ dem oben eine Schicht
von kleinen, linsenförmigen Steinchen ruht, die einen
Durchmesser von ungefähr 5 mm aufweisen. Quarz,
Achat, Jaspis und schwarzer Kieselschiefer sind die
hauptsächlichsten Bestandteile des vom Winde ge¬
schlissenen Steingemengsels. Zwischen diesen kleinen
Steinchen liegen die Diamanten.
Als die Kunde von den Edelsteinfunden auftauchte,
wurde natürlich ganz Lüderitzbucht mobil. 30—40
Schürfscheine wurden an einem Tage bestellt und auf¬
gebaut. Mit Pferden, Mauleseln, Karren und Wagen
zog ganz
Lüderitzbucht
hinaus, um
sich den besten
Platz zu
sichern. Und
zur freudigen
Überraschung
fand man,
daß es sich
nicht um ein
vereinzeltes
Vorkommen
handelte, son¬
dern, daß
kilometerweit
nordwärts,
hauptsächlich
aber südwärts
der Sand
Diamanten
enthielt.
Da die Gewinnung der Diamanten noch in den
Anfängen ist und überhaupt in primitivster Weise vor
sich geht, so sieht man auf den dortigen Feldern noch
nichts von großartigen Anlagen, wie man sie in den
Diamanlminen von Britisch Südafrika vorfindet.
Baracken und Zelte, herumwimmelnde Menschen und
Pferde, das ist im besten Falle alles, was es zu sehen
gibt. Aber bei all dem sind doch schon Millionen aus
dem Sande herausgeholt worden.
Auch die Stadt Lüderitzbucht selbst hat ganz anderes
Gepräge bekommen. Es herrscht dort eine fieberhafte
Tätigkeit. Jeden Tag werden neue Diamantgesell¬
schaften mit mehr oder minder reeller Grundlage ge¬
gründet. Manche verschwinden ebenso rasch von der
Bildfläche, wie sie aufgetaucht sind. Immerhin gibt
es schon eine Reihe von Gesellschaften, die ernsthaft
bewertet werden, wie der Kurszettel der Lüderitzbuchter
Börse ausweist.
Durch die überraschenden Funde von Diamanten
in Deusch-Südwestafrika ist das Interesse weiterer
Kreise geweckt worden, so daß es den Lesern will-
Die Diamantenstadt Lüderitzbucht.