Full text: 40.1912 (0040)

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NveiundsteKzig Lahre in dev Bvuüe. 
DLr Weltrekord im Gri:bendienst. 
Der beste Typus des englischen Arbeiters findet 
stch in den Grubengebieten Nordenglands, wo die 
Männer leben, die mit der Natur tief unten in der 
Unterwelt in steter Dunkelheit und Gefahr kämpfen. 
Und es gibt keinen würdigeren Vertreter dieses Standes 
als Mr. William Crook. dessen interessante und in 
mehr als einer Hinsicht bemerkenswerte Lebensgeschichte 
in folgendem kurz niedergelegt ist. 
Es wird behauptet daß „Old William", wie er 
vertraulich von allen, die ihn kennen, genannt wird, 
den Weltrekord im längsten Grubendienst besitzt. 
Am 27. Januar 1910 war er 80 Jahre alt, und es 
ist wohl interessant zu erfahren, 
daß er von diesen 80 Jahren 
72 in der gefahrvollen Gruben¬ 
arbeit zugebracht hat. 
„Wie," fragt ihr, „hat dieser 
Veteran sein tägliches Brot im 
Innern der Erde längere Zeit 
verdient als jener Philosoph 
des Lebensalters, der Psalmist, 
dem menschlichen Leben zumißt?" 
Die Antwort ist klar. Ja! 
William Crook hat wirklich 
einen bemerkenswerten Rekord 
aufgestellt. Er begann sein 
arbeitsvolles Leben, sechs Jahre 
alt, in den Gruben von Aspnll, 
die zu dem Kohlengebiet von 
Lancashire gehören. Und er 
hat sein ganzes Leben angesichts 
der Räder zugebracht, die sich 
den ganzen Tug auf dem 
Schachtgerüste drehen. Nach 
dem Verlauf von 70 einsamen 
Jahren, erinnert er stch noch 
immer daran, wie ihn sein 
Vater als kleinen Knaben auf 
dem Rücken zur Arbeitsstätte 
trug. „Ich war nur ein kleiner 
Kerl," so erzählt er mit 
Rührung, „den mein,Vater an 
den Winter-Morgen zur Grube 
zu tragen pflegte; konnte ich 
mit ihm nicht Schritt halten, 
so blieb er stehen und nahm 
mich auf den Rücken. Lag 
Schnee, so sagte er zu mir: 
„Komm her! du kannst nicht 
vorwärts, ich will dich daher 
tragen." Und ich setzte mich 
auf seinen Rücken und kam in dieser Weise zur Arbeits¬ 
stätte." Die Erfahrungen Mr. Crooks aus seiner 
Arbeitszeit führen uns zurück in die Tage, in denen 
Frauen und Kinder in den Gruben arbeiteten. In 
der Tat hatte er als erste Arbeit einem Mädchen 
Hilfe zu leisten beim Transport der Kohlen vom 
Arbeitsplatz, weit unter Tag, nach dem Schacht, von 
wo sie an die Oberfläche gebracht und später über das 
ganze Land verteilt wurden durch die Landstraße, Eisen¬ 
bahn und Wasser, so daß die Ä^fen der Industrie ge¬ 
feuert werden konnten und das Feuer auf dem häus¬ 
lichen Herd in den Wohnungen der Menschen 
hell brennen konnte. 
'-„Ich erhielt täglich „Sixpence", ''wenn ich deni 
Mädchen beim Transport half," erzählt der gute, alte 
Bergmann, „und es selbst täglich einen Schilling. 
Ich sechs und es vielleicht zwölf Jahre alt. Damals 
pflegten wir 10 bis 12 Stunden täglich zu arbeiten; 
wir fuhren um fünf Uhr morgens in die Grube und 
kamen um fünf Uhr abends wieder zu Tage. Ich 
mußte morgens um 4 Uhr aufstehen, um pünktlich auf 
t>cr Grube zu sein, und es war gewöhnlich zwischen halb 
sechs und sechs, wenn ich abends wieder nach Hause kam." 
Kein Wunder, wenn der Veteran ernst in die Ver¬ 
gangenheit zurückblickt. Von dem Achtstundentag für 
die Bergleute wurde nie so 
sehr geträumt, als zu William 
Crooks Knabenzeit. 
Der Patriarch der Grube 
ist eine lebende Reliquie aus 
der „guten alten Zeit". William 
Crooks Leben verbindet die alte 
Ordnung des Jndustrielebens 
mit der neuen, indem es uns 
zurückführt in die Tage der 
Kinderarbeit in der Grube und 
uns recht vor Augen stellt den 
kürzeren Arbeitstag für die Berg- 
leute und die Zeit, aus der 
die Geschichte der Alterspen¬ 
sionen datiert. 
„Mir fehlte die Zeit zum 
Schulbesuch," sagt er voll Be¬ 
dauern, „nachdem ich einmal 
sechs Jahre alt war und für 
meinen Lebensunterhalt zu ar¬ 
beiten begann, hatte ich nie 
viel Zeit zum Spielen. Nach 
der langen Tagesarbeit in der 
dunkeln Grube war ich nur zu 
froh, wenn ich schlafen konnte. 
Manchmal war ich so müde, 
daß ich vor dem Ofen einschlief; 
dann trug man mich wie ein 
kleines Kind ins Bett, denn 
ich war zu müde, um wach zu 
werden." 
Die Nahrung, die mau da¬ 
mals zu essen pflegte, war, wie 
sich der Veteran ausdrückt, nur 
roh ; sie bestand meistens aus 
dicker Suppe, Buttermilch und 
Mehlspeisen. „Da gabs kein 
Brot mit Butter und etwas 
dazwischen für das arbeitende Volk jener Tage. Ge¬ 
wöhnliches Weißbrod und Butter war für uns Kuchen," 
so erzählt er. „Das ist jetzt ganz anders geworden. 
Wir haben heute stets Brot mit Butter und etwas 
dazwischen, und ich sehe Burschen das wegwerfen, wofür 
ich eine Meile gelaufen wäre. Als junger Bursche 
wäre ich wegen einer Süßigkeit (Leckerei) meilenweit 
gelaufen j ich habe es auch manchesmal getan." Dies 
ist ein Bild aus dem Leben der Bergarbeiter vor sieb¬ 
zig Jahren, dargestellt von einem, der es selbst mitge¬ 
macht hat. 
Während seiner langen Arbeitszeit hat William 
Crook manche Heldentaten gesehen, wenn in der Grube 
,,Old William" Crook, 
der 72 Jahre in der Grube gearbeitet hat.
	        
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