Full text: 23.1895 (0023)

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Lächelnd entgegnete sie: „Jch dank’ Euch, Herr, 
ſür Euren guten Rat. Uber er ſchreckt mich nicht ab. 
Ulle Angst iſt mir längſt benommen; mir ift ſo leicht 
zu Mut, als ob ich zum Tanze gehen sollte. Denn 
keine Not ist ſo groß, die an einem Tage, was? in 
einer Stunde an meinem Leibe sich endet, daß ich sie 
nicht mit Freuden ertrüge um der himmliſchen Selig- 
keit willen, die nie vergeht. Darum ſeid getroſt und 
unverzagt: ich zucke nicht.“ 
„Solch ſeſten Mut hab’ ich nuch bei keinem Manne 
gesunden!‘’ ſprach der Meister voll Bewunderung. 
„Wenn's denn ſein ſoll, in Gottes Namen! ſo mag 
es gleich geſchehen.' 
Er ging zum harrenden Ritter im Vorzimmer 
zurück und sagte: „Habt ſröhliche Huversſicht; ich mach' 
Euch bald geſund. Wartet hier." Dann begab er 
ſich wieder in sein inneres Gemach. ſchioß die Thür 
hinter sich und ſchob noch einen Riegel vor, denn 
Heinrich ſollte das Schreckliche nicht ſehen. Die Jung- 
frau, endlich dem Hiele ſo nah, über alles Irdiſche, 
über Furcht und Scham erhaben, wartete kaum das 
Geheiß des Arztes ab, sie begann eilig sich zu ent- 
kleiden und zerrte ungeduldig an der Naht. 
Inzwiſchen lauſchte der arme Heinrich draußen in 
höchſter Aufregung. Es war ſo unheimlich stil drinnen, 
er hörte ſsaſt nichts. Vergeblich ſuchte er nach einer 
Rite in der alten Thür, er konnte nicht hindurch 
ſpähen. Um so wilder jagten einander dis Gedanken 
in ſeinem fieberheißen Hirn, bis eine leiſe Stimme, 
lang überläubt doch nie ganz erstickt, fich immer ver- 
nehmlicher und mächtiger erhob: Darſſt du, als Mann, 
als Ritter, als Christ, dich retten laſſen um solchen
	        
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