Full text: 23.1895 (0023)

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"1 Der Schnee war wieder einmal zerronnen, der 
Wind hatte die Erde getrocknet, die Sonne überraſchend 
ſchnel Schneeglökchen und Primeln, Veilchen und 
zartes Laub hervor gelockt, weich und wonnig ſpielte 
die Luft in den Hweigen, die Vöglein begrüßten freudig 
die erwünſchte Heit, als an einem Sonntage Herr 
Heinrich, noch ſorglich in einen leichten Mantel gehüllt, 
fill und matt auf der Bank am Hauſe ſaß, Beatrix 
zu seinen Füßen, ihr Vater, doch nicht gar dicht, neben 
ihm. Da brach der gute Meier, die Herrlichkeit der 
neuerwachenden Natur ringsum und dann den armen 
Lazarus an ſeiner Seite betrachtend, nach längerem 
Schweigen voll Mitleid in die Worte aus: „Wir 
sollen Gott nicht meiſtern und tadeln, aber doch hab' 
ich oft im ftillen gefragt, warum der milde Himmels- 
wirt und Freudenſpender gerade meinen lieben Herrn 
ſo ſchrecklich heimſuche.“ 
. „Das hab' auch ich gethan, Freund,“ erwiderte 
Herr Heinrich ſanft, „und nicht ſo fromm und be- 
ſcheiden wie ihr. Nun weiß ich es. Ich habe all 
mein Leiden redlich verdient". 
„Wieſo ?“ ſragte der Meier erstaunt. 
„Hab' ich nicht jahrelang gelebt wie der reiche 
Mann im Evangelium, alle Tage herrlich und in 
Freuden ? Geſund und stark, ſchagreich und mächtig, 
auserleſen und bevorzugt vor vielen Tauſenden ? Da 
wärs an der. Heit geweſen zu fragen: Womit hab' 
ich dies alles verdient? Wie kann ich mich dankbar 
tr s» Vf. rise den rd BU; 233. 
gethan “. ,
	        
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