Full text: 23.1895 (0023)

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Freilich, die meiſten Hausgenossen verkehrten ge- 
wöhnlich, aus Mangel an Heit oder aus Vorsicht, 
weder häufig noch lange mit dem Miselſüchtigen. Aber 
eine gab's, die ſchien weder Fuccht noch Ekel zu kennen : 
Beatrix, eben auf der Schwelle vom Kinde zur Jung- 
frau, ein Engel des Himmels in holder Menſchengestalt. 
Sie trug ihrem Retter und Wohlthäter die Speiſen 
auf, sie machte Himmer und Lager zurecht, sie brachte 
ihm Blumen und Früchte, sie widmete ihm jeden freien 
Augenblick, ſaß oft auf einem Schemel zu ſeinen Füßen. 
und erheiterte ihn durch ſinnige Reden, durch ein 
ſanftes Lied, das sie auf der Zither begleitete. Er 
hatte das liebliche Kind von jeher gerne gehabt und 
hin und wieder durch ein kleines Geſchenk erfreut, ihr 
Haarband und Spiegelchen, Gürtel und Ringlein mit- 
gebracht, und was ſonst ein Mägdlein erfrenen mag. 
Uber daß ihm dies je ſo vergolten werden ſollte, hatte 
er damals nicht geahnt. Er empfand ihre liebevolle 
Dankbarkeit tief; in ihrer Nähe vergaß er zuweilen 
ſein Elend; war ſie nicht um ihn, ſo ſetlte ihm etwas, 
und ſchon bald begann er .sie ſcherzhaſt ſein kleines 
Gemahl zu nennen, mit einem ſchwachen Anflug seiner 
früheren Fröhlichkeit. Das alles glich freilich nur dem 
Licht eines ſchönen Sternleins in dunkler Wolkennatht; 
ſein glorreicher Tag war hin, seines Lebens goldene 
Sonne untergegangen vor der Heit, und hienieden 
keine Hoffnung mehr auf ein neues Morgenrot. Denn . 
die grauenhaſte Krankheit machte, mit. ſeltenen und 
trügeriſchen Pauſen, langſame aber sichere Forlſchritte; 
und der verzweifelte Widerstand ſeiner Jugendkraft 
E!!vecrt nur die Qual. So gingen drei lange 
ahre vorbei. q 3 
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