Full text: 22.1894 (0022)

Zi. Vi- ~5v 
III. v.. 
An demselben Tage saß ich z2egen Abend, ermüdet 
und noch aufgeregt von den Ereigniſſen des Nach- 
mittags, in einem Hinterzimmer des v. St.'ſchen 
Hauſes, wo ich meine Wohnung hatte. Plögtlich stürzte 
meine Schwiegermutter ins Himmer und rief ganz 
verzweifeln: „B., nehmen Sie ſich zuſammen, es 
kommt ein Franzoſe!“ „„Na, laſſen Sie ihn nur 
kommen’, erwiderte ich, ging aus dem Himmer und 
ſtelte mich im Hausgang an die mit Eiſenblech be- 
ſchlagene Glasthür; auf einmal ſchlug der Franzoſe, 
ohne mich zu ſehen, ſo heftig auf die Klinke, daß es 
im ganzen Hauſe ſchallte. Der Franzoſe hatte beim 
Gang über den Kirchenplatz nur einige Frauenköpfe 
an den Fenstern des großen Hauſes geſehen und hatte 
wahrſcheinlich dadurch den Muth gewonnen, in das 
Haus als Sieger einzudringen. Ich machte ſofort 
auf das Zeichen die Thür auf und frug den Franzoſen 
ironiſch höflich: „Que voulez-vous, monsieur?“ (Was 
wünſchen Sie, mein Herr ?) Ganz verblüfft über dieſe 
Anrede in ſeiner Sprache, was er keineswegs erwartet 
hatte, bat er um Entschuldigung, daß er hier einge- 
drungen sei und bat um ein Stück Sped. um sich eine 
Suppe kochen zu können, weil er ſchon lange nichts 
Warmes mehr gegeſſen habe. Ich ſagte zu meiner 
zitternd neben mir stehenden Schwiegermutter, sie ſolle 
in die Küche gehen und dem Mann ein Stück Speck 
und ein Stück Brod bringen; als dieſelbe mit dem 
Gewünschten zurückkam, ſchmunzelte der Franzoſe vor 
Vergnügen und dankte vielmals. Nun fing er an 
von dem furchtbaren Kampfe des Nachmittags zu er- 
zählen, wie sie die ganze preußiſche Armee geschlagen
	        
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