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licher Weise cift jetzt der Lebens-Mai bei ihr in der
Person ihres Nachbarn eingezogen sei. Sie war ohne
Zweifel die Frau desselben, aber erst seit kurzer Zeit.
— Warum seit kurzer Zeit? — Weil Beide viel zu
zärtlich mit einander sind; sie läßt ja seine rechte
Hand gar nicht aus ihrer linken und ihre Blicke senken
sich gegenseitig bis tief in die innerste Herzenskammer.
Bei so einem Blicke lispelt sie: .Endlich, Joseph!"
— Darauf drückt dieser ihr merklich die Hand und
erwidert ebenfalls lispelnd: .Ja, endlich, Käthchcn!"
— .Hast Du keine Sehnsucht nach Deinem Haupt-
buche, lieber Mann?" fragt Käthchen schelmisch. .So
lange ick Dich au meiner Seite habe, nicht!‘ erwidert
der Buchhalter. — Aber wo ist sein Komptoir? In
welchem großen Geschäfte führt Joseph daS Hauptbuch?
Und wie kam er in den späten Besitz deS angeschneiten
Käthchens? —
Beruhige Dich, lieber Leser, ich werde noch Alles
auskundschaften und Dir dann anvertrauen. Eins
nach dem Anderen! —
.Tbalham. aussteigen!" ruft der Kondukteur und
öffnet die Thüre auf meiner Seite. Der hübsche alte
Austragsbauer entsteigt dem Coups, er hat Geschäfte
im Dorfe oben. Ein sehr sauberes, achtzehnjähriges
Mädchen in der kleidsamen Miesbachertrocht steigt ein
und begrüßt in herzlicher Weise den schweren Reiter,
welcher seinerseits den Mund nicht mehr zu schließen
vermag. —
Aha! denke ich mir, jetzt muß ich mich an die dicke
Wirtin machen, das gibt dann das dritte Liebespaar
im Coups. —
Der Zug hat die Station verlaffen und rollt lang¬