Full text: 1954 (0009)

T 
Um die Verfassungsmässigkeit des Feiertagsgesefzes 
Die Verfassungskommission verneint ihre Zuständigkeit zur Nachprüfung der Verfassungsmässigkei* 
Seif seinem Erlaß wird des Gesetz über 
die Bezahlung der gesetzlichen Feiertage im 
Saarland vom 4. 4. 1950 (ABI; S. 743) aufs 
heftigste von der saarländischen Arbeitgeber-: 
schaff, insbesondere vom Handwerk,* be 
kämpft. Der Kampf gipfelte letztlich in der 
Behauptung,' das Gesetz sei verfassungswi 
drig, da es gegen den Gleichheitsgrundsatz 
der saarländisch-französischen Wirtschaffskon- 
venfion vom 3. 3. 1950 verstoße. 1 
Gestützt auf diese Rechtsauffassung des Ar 
beitgeberverbandes haben eine Anzahl saar-’ 
ländischer Arbeitgeber — zu ihrer Ehren 
rettung sei gesagt nicht alle — die Bezah-i 
lung des Feierfagsentgelts verweigert. 
Dies veranlagte uns," über diese Frage eine 
•rbeitsgerichtliche Entscheidung herbeizufüfH 
ren. Das mit der Sache befähle Arbeits 
gericht gab der Klage statt und verurteilte 
den beklagten Arbeitgeber zur 7aMung des 
begehrten Feierfagsenfgeltes. Es schloß sich 
in seinen Entscheidungsgründen der von uns 
vertretenen Auffassung an, daß das Gesetz 
weder zur Verfassung noch zur Wirtschafts 
konvention im Widerspruch stehe. 
Gegen dieses Urteil hat der beklagte Ar 
beitgeber beim LAG Berufung eingelegt. Auf 
Antrag des französischen Generalstaatsanwal- 
.if’ fes hat sich der französisch-saarländische Se 
nat des Oberlandesgerichts zur Entscheidung 
in der Sache für zuständig erklärt. Dieser Se 
nat bezweifelte die Verfassunasmäßigkeit des 
Gesetzes und hat daher die Sache der Ver 
fassungskommission zur Entscheidung über die 
Verfassungsmäßigkeif vorgelegt. 
Die Verfassungskommission hat sich zur Ent 
scheidung dieser Frage für nicht zuständig 
erklärt. 
Zur Begründung hat die Verfassungskom- 
mission ausgeführt: 
,,Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes 
Nr. 174 über die Bezahlung der gesetz 
lichen Feiertage vom 4. April 1950 (ABI; 
S. 743) in der Fassung des Gesetzes Nr. 1 
181 vom 16. Mai 1950 (A3I. S. 744) wird 
aus der Unvereinbarkeit mit Artikel 3 der. 
Wirtschaftskonvention vom 3. März 1950 
abgeleitet mit dem Hinweis," daß deren Be 
stimmungen nach Artikel 63 der Verfas 
sung des Saarlandes den Vorrang vor in 
nerstaatlichem Recht genießen/ also mit 
Vorrang ausgestaftetes Landesrecht sind. 
Konventionen sind Abmachungen im Sinne 
des Artikels 63 der Verfassung des Saar- 
^ landes. Die Verfassung des Saarlandes ist 
. im Sinne des Arfikels 63 innerstaatliches 
Recht. 
Die Verfassung oder das sonstige inner 
staatliche Recht findet somif nur Anwen 
dung, soweit nicht Regelungen der Kon 
ventionen entgegensfehen. 
Aus den Artikeln 4—6 der Wirtschaffskon- 
venfion ist vorweg zu entnehmen,' daß ins 
besondere streitige Maßnahmen auf dem 
Gebiet der Gesetzgebung wie überhaupt 
jeder aus der Anwendung der Wirtschafts 
konvention sich ergebende Streitfall zur 
Anpassungspffichf zu der Zuständigkeit der 
Wirtschaftskommission gemäß Artikel 5 der 
Wirtschaffskonvenfion gehört. Diese Zustän 
digkeit geht gemäß dem Artikel 63 der 
Verfassung des Saarlandes dem innerstaat 
lichen Recht und damit auch den ver 
fassungsrechtlichen Bestimmungen vor. An 
gesichts dieses Vorranges kann die Ver 
fassungskommission daher innerhalb der ihr 
sonst nach Artikel 113 der Verfassung des 
Saarlandes in Verbindung mit den §§ 5 und 
6 des Gesetzes Nr. 206 über die Ver 
fassungskommission des Saarlandes vom 19; 
Juli 1950 in der Fassung des Gesetzes Nr.' 
264 vom 10. Juli 1951 (ABI. S. 945) zu 
kommende Zuständigkeit, die auch die Prü 
fung einer eventuellen Normenkolfision Unv, 
faßt, hier keine Entscheidung über den ma 
teriellen Anwendungsbereich der Wirt 
schaftskonvention,' insbesondere nicht über 
die behauptete Unvereinbarkeit des Gesef-: 
zes Nr. 174 über die Bezahlung der ge-: 
setzlichen Feiertage vom 4. April 1950 
(AB!. S. 743) in der Fassung des Ge 
setzes Nr. 181 vom 16. Mai 1950 (ABI< 
S. 744) mit denen aus Artikel 3 derWirf- 
schaftskonvenfion ersichtlichen Regelungen 
treffen.’ 
Der Artikel 3 der Wirrschaftskonvention 
enthält Grundsatznormen. Derartige Nor 
men sind an sich schon nicht geeignet," 
automatisch etwa entgegenstehende positive 
Gesetzesbestimmungen außer Kraft zu set 
zen. Dem kann auch nicht enfgegengehal-: 
ten werden,’ daFj dadurch für den einzel 
nen Staatsbürger der in Artikel 20 der Ver 
fassung gewährleistete Beschwerde- bzwJ 
Rechtsweg ausgeschlossen sei. Die in Ar-: 
tikel 3 der Wirtschaftskonvention enthal 
tenen Bestimmungen erzeugen keine sub 
jektiven Rechte für die einzelnen Staats-? 
bürg er, sondern begründen lediglich Rechte 
und Pflichten zwischen den vertragschlie 
ßenden Parteien. Ueber die Einhaltung die 
ser Bestimmung zu wachen,' ist daher al 
lein Aufgabe der Regierungen der beiden 
Staaten. Dementsprechend steht,’ wie sich 
aus Artikel 6 der Wirtschaftskonvention er 
gibt, den vertragschließenden Parfe : en — 
also der Regierung des Saarlandes und der 
Regierung der Französischen Republik — 
das ausschließliche Anfragsrechf zu,' durch 
die in Artikel 5 vorgesehene Wirtschafts 
kommission entscheiden zu lassen,' ob und 
inwieweit ein saarländisches Gesetz mit 
der Wirtschaftskonvention vereinbar ist oder 
nicht. Zwar heißt es :n Artikel 6 der 
Wirtschaffskonvenfion,' daß jeder aus der 
Anwendung der vorfiegenden Konvention 
sich ergebende Streiffall von einer d“r 
beiden vertragschließenden Parteien vor die 
Wirtschaftskommission gebracht werden 
kann. Das Wort ,,kann" bringt aber le 
diglich das Opportunitätsprinzip zum Aus 
druck: Daraus folgt,' daß,' soweit die ver 
tragschließenden Parteien von ihrem Recht 
keinen Gebrauch machen,' es bei der bis 
herigen Regelung bleibt. Hieraus er 
gibt sich? daß? solange nicht 
die Wirtschaftskommission e i - 
re das Gesetz Nr. 174 über die 
Bezahlung der gesetzlichen Fei 
ertage vom 4. April 1950 (ABI. S. 
74 3) in der Fassung des Geset 
zes Nr. 181 vom 16. Mai 1950 
(ABI: S. 74 4) betreffende Ent 
scheidung trifft? dieses Ge-: 
setz in der vorliegenden Fas 
sung als gültig anzusehen unc' 
anzuwenden ist. Aus der Ausschließ 
lichkeit der Anfragsberechfiqung auf Grund 
des Arfikels 6 der Wirtschaftskonvenlion 
und der ausschließlichen Zuständigkeit der 
Wirtschaftskommission für Anpessungssfrei- 
figkeiten,' ergibt sich weiterhin, daß auch 
die Gerichte und alie sonstigen Steilen aus 
den dargelegten Gründen nicht in eigener 
Zuständigkeit über die evenluellen Aus 
wirkungen der Wirtschaftlern e ntion auf die 
saarländischen Gesetze entscheiden können. 
Diese Stellen sind, solange keine Kommis 
sionsentscheidung auf Grund des Artikels 6 
der Wirfschaftskonvenfion vorüegf, die saar 
ländische Gesetze außer Kraft setzt oder 
ändert bzw. die Verpflichtung hierzu aus- 
sprichf? an die saarländische Gesetzgebung? 
hier also an das Gesetz Nr. 174 über die 
Bezahlung der gesetzlichen Feiertage vom 
4. Aprii 1950 (ABI. S. 743) in der Fassung 
des Gesetzes Nr. 181 vom 16. Mai 1950 
(ABI. S. 744), das in Ausführung des Ar 
tikels 48 der Verfassung des Saarlandes er 
lassen wurde,' gebunden. Arfiket 20 der 
Verfassung findet, wenn von dem einzelnen 
Staatsbürger (natürliche oder juristische Per-: 
son) der Widerspruch eines saarländischen 
Gesetzes zu Artikel 3 der Wirtschaffskon 
venfion behauptet wird, keine Anwendung? 
da nach dem Vorgesagten der Artikel 3 
der Wirtschaffskonvenfion kein unmittelbar 
anwendbares Recht für den einzelnen 
Staatsbürger erzeugt und dieser daher nicht 
J,in seinen Rechten" verlelzt sein kann: 
Im Hinblick auf die danach festzustellende 
Unzuständigkeit der Verfassungskommission 
des Saarlandes erübrigt sich ein Eingehen 
auf die rechtliche und wirtschaftliche Trag 
weite und den materiellen Inhalt des Ar 
tikels 3 der Wirtschaftskonvention." 
Was ergibt sich aus dieser Entscheidung? 
Da die Verfassungskommission ihre Zusfän- 
digkeif verneint hat, geht die Sache an 
den französisch-saar!änd ; schen Senat zurück; 
Dieser ist jedoch nach dem neuen Justiz-- 
vertrag zur Entscheidung in arbeitsrecht-: 
liehen Angelegenheiten nicht mehr zustän 
dig. Demnach muß das Landesarbeitsgericht 
wieder mit der Sache befaßt werden. 
Wie dieses Gericht entscheiden wird, kann 
im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht geq 
sagt werden. —h.
	        
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