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Um die Verfassungsmässigkeit des Feiertagsgesefzes
Die Verfassungskommission verneint ihre Zuständigkeit zur Nachprüfung der Verfassungsmässigkei*
Seif seinem Erlaß wird des Gesetz über
die Bezahlung der gesetzlichen Feiertage im
Saarland vom 4. 4. 1950 (ABI; S. 743) aufs
heftigste von der saarländischen Arbeitgeber-:
schaff, insbesondere vom Handwerk,* be
kämpft. Der Kampf gipfelte letztlich in der
Behauptung,' das Gesetz sei verfassungswi
drig, da es gegen den Gleichheitsgrundsatz
der saarländisch-französischen Wirtschaffskon-
venfion vom 3. 3. 1950 verstoße. 1
Gestützt auf diese Rechtsauffassung des Ar
beitgeberverbandes haben eine Anzahl saar-’
ländischer Arbeitgeber — zu ihrer Ehren
rettung sei gesagt nicht alle — die Bezah-i
lung des Feierfagsentgelts verweigert.
Dies veranlagte uns," über diese Frage eine
•rbeitsgerichtliche Entscheidung herbeizufüfH
ren. Das mit der Sache befähle Arbeits
gericht gab der Klage statt und verurteilte
den beklagten Arbeitgeber zur 7aMung des
begehrten Feierfagsenfgeltes. Es schloß sich
in seinen Entscheidungsgründen der von uns
vertretenen Auffassung an, daß das Gesetz
weder zur Verfassung noch zur Wirtschafts
konvention im Widerspruch stehe.
Gegen dieses Urteil hat der beklagte Ar
beitgeber beim LAG Berufung eingelegt. Auf
Antrag des französischen Generalstaatsanwal-
.if’ fes hat sich der französisch-saarländische Se
nat des Oberlandesgerichts zur Entscheidung
in der Sache für zuständig erklärt. Dieser Se
nat bezweifelte die Verfassunasmäßigkeit des
Gesetzes und hat daher die Sache der Ver
fassungskommission zur Entscheidung über die
Verfassungsmäßigkeif vorgelegt.
Die Verfassungskommission hat sich zur Ent
scheidung dieser Frage für nicht zuständig
erklärt.
Zur Begründung hat die Verfassungskom-
mission ausgeführt:
,,Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes
Nr. 174 über die Bezahlung der gesetz
lichen Feiertage vom 4. April 1950 (ABI;
S. 743) in der Fassung des Gesetzes Nr. 1
181 vom 16. Mai 1950 (A3I. S. 744) wird
aus der Unvereinbarkeit mit Artikel 3 der.
Wirtschaftskonvention vom 3. März 1950
abgeleitet mit dem Hinweis," daß deren Be
stimmungen nach Artikel 63 der Verfas
sung des Saarlandes den Vorrang vor in
nerstaatlichem Recht genießen/ also mit
Vorrang ausgestaftetes Landesrecht sind.
Konventionen sind Abmachungen im Sinne
des Artikels 63 der Verfassung des Saar-
^ landes. Die Verfassung des Saarlandes ist
. im Sinne des Arfikels 63 innerstaatliches
Recht.
Die Verfassung oder das sonstige inner
staatliche Recht findet somif nur Anwen
dung, soweit nicht Regelungen der Kon
ventionen entgegensfehen.
Aus den Artikeln 4—6 der Wirtschaffskon-
venfion ist vorweg zu entnehmen,' daß ins
besondere streitige Maßnahmen auf dem
Gebiet der Gesetzgebung wie überhaupt
jeder aus der Anwendung der Wirtschafts
konvention sich ergebende Streitfall zur
Anpassungspffichf zu der Zuständigkeit der
Wirtschaftskommission gemäß Artikel 5 der
Wirtschaffskonvenfion gehört. Diese Zustän
digkeit geht gemäß dem Artikel 63 der
Verfassung des Saarlandes dem innerstaat
lichen Recht und damit auch den ver
fassungsrechtlichen Bestimmungen vor. An
gesichts dieses Vorranges kann die Ver
fassungskommission daher innerhalb der ihr
sonst nach Artikel 113 der Verfassung des
Saarlandes in Verbindung mit den §§ 5 und
6 des Gesetzes Nr. 206 über die Ver
fassungskommission des Saarlandes vom 19;
Juli 1950 in der Fassung des Gesetzes Nr.'
264 vom 10. Juli 1951 (ABI. S. 945) zu
kommende Zuständigkeit, die auch die Prü
fung einer eventuellen Normenkolfision Unv,
faßt, hier keine Entscheidung über den ma
teriellen Anwendungsbereich der Wirt
schaftskonvention,' insbesondere nicht über
die behauptete Unvereinbarkeit des Gesef-:
zes Nr. 174 über die Bezahlung der ge-:
setzlichen Feiertage vom 4. April 1950
(AB!. S. 743) in der Fassung des Ge
setzes Nr. 181 vom 16. Mai 1950 (ABI<
S. 744) mit denen aus Artikel 3 derWirf-
schaftskonvenfion ersichtlichen Regelungen
treffen.’
Der Artikel 3 der Wirrschaftskonvention
enthält Grundsatznormen. Derartige Nor
men sind an sich schon nicht geeignet,"
automatisch etwa entgegenstehende positive
Gesetzesbestimmungen außer Kraft zu set
zen. Dem kann auch nicht enfgegengehal-:
ten werden,’ daFj dadurch für den einzel
nen Staatsbürger der in Artikel 20 der Ver
fassung gewährleistete Beschwerde- bzwJ
Rechtsweg ausgeschlossen sei. Die in Ar-:
tikel 3 der Wirtschaftskonvention enthal
tenen Bestimmungen erzeugen keine sub
jektiven Rechte für die einzelnen Staats-?
bürg er, sondern begründen lediglich Rechte
und Pflichten zwischen den vertragschlie
ßenden Parteien. Ueber die Einhaltung die
ser Bestimmung zu wachen,' ist daher al
lein Aufgabe der Regierungen der beiden
Staaten. Dementsprechend steht,’ wie sich
aus Artikel 6 der Wirtschaftskonvention er
gibt, den vertragschließenden Parfe : en —
also der Regierung des Saarlandes und der
Regierung der Französischen Republik —
das ausschließliche Anfragsrechf zu,' durch
die in Artikel 5 vorgesehene Wirtschafts
kommission entscheiden zu lassen,' ob und
inwieweit ein saarländisches Gesetz mit
der Wirtschaftskonvention vereinbar ist oder
nicht. Zwar heißt es :n Artikel 6 der
Wirtschaffskonvenfion,' daß jeder aus der
Anwendung der vorfiegenden Konvention
sich ergebende Streiffall von einer d“r
beiden vertragschließenden Parteien vor die
Wirtschaftskommission gebracht werden
kann. Das Wort ,,kann" bringt aber le
diglich das Opportunitätsprinzip zum Aus
druck: Daraus folgt,' daß,' soweit die ver
tragschließenden Parteien von ihrem Recht
keinen Gebrauch machen,' es bei der bis
herigen Regelung bleibt. Hieraus er
gibt sich? daß? solange nicht
die Wirtschaftskommission e i -
re das Gesetz Nr. 174 über die
Bezahlung der gesetzlichen Fei
ertage vom 4. April 1950 (ABI. S.
74 3) in der Fassung des Geset
zes Nr. 181 vom 16. Mai 1950
(ABI: S. 74 4) betreffende Ent
scheidung trifft? dieses Ge-:
setz in der vorliegenden Fas
sung als gültig anzusehen unc'
anzuwenden ist. Aus der Ausschließ
lichkeit der Anfragsberechfiqung auf Grund
des Arfikels 6 der Wirtschaftskonvenlion
und der ausschließlichen Zuständigkeit der
Wirtschaftskommission für Anpessungssfrei-
figkeiten,' ergibt sich weiterhin, daß auch
die Gerichte und alie sonstigen Steilen aus
den dargelegten Gründen nicht in eigener
Zuständigkeit über die evenluellen Aus
wirkungen der Wirtschaftlern e ntion auf die
saarländischen Gesetze entscheiden können.
Diese Stellen sind, solange keine Kommis
sionsentscheidung auf Grund des Artikels 6
der Wirfschaftskonvenfion vorüegf, die saar
ländische Gesetze außer Kraft setzt oder
ändert bzw. die Verpflichtung hierzu aus-
sprichf? an die saarländische Gesetzgebung?
hier also an das Gesetz Nr. 174 über die
Bezahlung der gesetzlichen Feiertage vom
4. Aprii 1950 (ABI. S. 743) in der Fassung
des Gesetzes Nr. 181 vom 16. Mai 1950
(ABI. S. 744), das in Ausführung des Ar
tikels 48 der Verfassung des Saarlandes er
lassen wurde,' gebunden. Arfiket 20 der
Verfassung findet, wenn von dem einzelnen
Staatsbürger (natürliche oder juristische Per-:
son) der Widerspruch eines saarländischen
Gesetzes zu Artikel 3 der Wirtschaffskon
venfion behauptet wird, keine Anwendung?
da nach dem Vorgesagten der Artikel 3
der Wirtschaffskonvenfion kein unmittelbar
anwendbares Recht für den einzelnen
Staatsbürger erzeugt und dieser daher nicht
J,in seinen Rechten" verlelzt sein kann:
Im Hinblick auf die danach festzustellende
Unzuständigkeit der Verfassungskommission
des Saarlandes erübrigt sich ein Eingehen
auf die rechtliche und wirtschaftliche Trag
weite und den materiellen Inhalt des Ar
tikels 3 der Wirtschaftskonvention."
Was ergibt sich aus dieser Entscheidung?
Da die Verfassungskommission ihre Zusfän-
digkeif verneint hat, geht die Sache an
den französisch-saar!änd ; schen Senat zurück;
Dieser ist jedoch nach dem neuen Justiz--
vertrag zur Entscheidung in arbeitsrecht-:
liehen Angelegenheiten nicht mehr zustän
dig. Demnach muß das Landesarbeitsgericht
wieder mit der Sache befaßt werden.
Wie dieses Gericht entscheiden wird, kann
im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht geq
sagt werden. —h.