März 1954
Seite 3
Lohnzone I 14,45 Frs.,
Lohnzone II 13,90 Frs.,
Lohnzone 111 13.30 Frs.,
Lohnzone IV, 13,00 Frs.
Für die Textil-, Schuh-, Leder-, JBeklei-
dungs- und Wäscheindustrie einschließlich
der entsprechenden handwerklichen Gewer
bezweige sowie die papier- und pappever
arbeitende Industrie (ohne graphisches Ge
werbe) können die vorstehenden Zulage-
sätze insoweit gekürzt werden, als sie un
ter Hinzurechnung der für diese Wirt
schaftszweige geltenden Sondermindest -
stundenlöhne und der anrechenbaren Zula
gen 99,50 Frs. übersteigen. Mit anderen
Worten: bis zum 15. April 1954 brauchen
die Unternehmen dieser Wirtschaftszweige
an ihre Arbeitnehmer mit Sondermindest-
stundenlohn nicht mehr als 99,50 Frs. zu
bezahlen. Ab diesem Datum greift aber
auch dort der volle Mindeststu r' rilohn
Platz, sofern nicht ein Tarifvertrag abge
schlossen wird, der neue Sondermindest-
stundcnlöhne enthält.
Während nach der alten Verordnung für
jeden Gewerbezweig Sondermindeststun-
denlübne festgesetzt werden konnten, ist
diese Möglichkeit in der neuen Verordnung
wesentlich eingeschränkt worden. § 7 der
jetzigen Verordnung besagt, daß Son-
dermindeststundenlohne nur noch für Be
triebe der Textil-, Schuh-, Leder-, Be-
kleidungs- und Wäscheindustrie, der ent
sprechenden handwerklichen Gewerbe -
zweige sowie der papier- und pappeverar
beitenden Industrie (ohne graphisches Ge
werbe) erlassen werden können. Die glei
che Möglichkeit ist für den Handel gege
ben. Hier aber nur für Arbeitnehmer im
Alter von 18 bis 19 Jahren. Für die übri
gen Gewerbezweige, in denen bisher Son-
dermindeststundenlöhne galten (Friseurge
werbe, Fleisch Warenindustrie u. a.), ist mit
der neuen Mindeststundenlohnverordnung
die Rechtsgrundlage für die Festsetzung
von SondermindeststundenlÖhnen wegge
fallen. Die Arbeitnehmer dieser Gewerbe-
zweige haben daher ab 15. 4. 1954, sofern
sie das 18. Lebensjahr vollendet haben und
eine normale Leistung erbringen, Anspruch
auf Bezahlung des vollen Mindeststunden-
lohnes.
Zur Festsetzung von Sondermindeststun
denlÖhnen ist wie bisher auch zukünftig der
Abschluß eines Tarifvertrages Vorausset
zung. Außerdem darf der Mindeststunden-
lohn der Lohnzone IV (99,50 Frs.) nicht
unterschritten werden. Damit sind in Zu
kunft Löhne von 70 Frs. und weniger, die
man schon als Hungerlöhne bezeichnen
kann, nicht mehr möglich. Da die Fest
setzung v. SondermindeststundenlÖhnen an
die Vorlage eines Tarifsvertrages geknüpft
ist, liegt die Hauptverantwortung für die
Festsetzung von Sondermindeststundenlöh-
nen bei den betreffenden Industrieverbän
den. Diese müssen daher sehr strenge Maß
stäbe an die von den Arbeitgebern sicher
lich in reichlichem Maße vorg;,tr,. 0 nen
Argumente legen, mit welchen die verlang
te Unterschrcitung des Mindeststundenloh-
nes begründet wird. U. E. sind Sondermin-
deststundenlöhne, wenn überhaupt, nur
vertretbar, wo sich die franz. Konkur
renzbetriebe in einer niedrigeren Lohnzone
befinden und der Absatz der einheimischen
Unternehmen dadurch gefährdet ist.
Ein weiterer Paragraph der neuen Min
deststundenlohnverordnung regelt die Ent
lohnung solcher Arbeitnehmer, die minder-
leistend sind. Die Unterschreitung des Min
deststundenlohnes wegen Minderleistung
wird vom Minister für Arbeit und Wohl
fahrt auf dem Verwaltungswege genehmigt
Das Nähere regelt eine Durchführunsver-
ordnung.
Auf Grund des Gesetzes zur Einführung
des Muideststundenlohnes im öffentlichen
Dienst und hei den Saarländischen Eisen
bahnen vom 30. Juni 1951 (ABI. S. 859)
gilt der neue Mindeststundenlohn mit sei
nem Inkrafttreten gleichzeitig für den öf
fentlichen Dienst und die Saarländischen
Eisenbahnen. Das bedeutet, daß auch im
öffentlichen Dienst ab 8. 2. 1954 der neue
Mindeststundenlohn zu bezahlen ist.
b.
Die Kündigung
Die weitaus wichtigste Art der Auf
lösung des Beschäftigungsverhältnis
ses ist die Kündigung. Sie ist eine ein
seitige, empfangsbeclürftige Willens
erklärung, welche ein auf Dauer abge
schlossenes Arbeitsverhältnis ab einem
bestimmten Zeitpunkt für die Zukunft
auflöst. Die Kündigung, aus der ein
deutig der Wille des Kündigenden, das
Arbeitsverhältnis zu beenden, hervor
gehen muß, bezieht sich auf den gan
zen Arbeitsvertrag. Wohl ist die Kün
digung zwecks Aenderung des Arbeits
vertrages zulässig; aber auch die
Aufkündigung einzelner Arbeitsbe
dingungen ist eine unbedingte Kündi
gung des ganzen Arbeitsverhältnisses.
Sie ist nur mit dem Angebot verbun
den, das Beschäftigungsverhältnis un
ter geänderten Bedingungen fortzu-
setzen.
Bei einer Kündigung durch den Ar
beitgeber muß der Kündigungsgrund
angegeben werden. Diese Auffassung
wird zwar verschiedentlich bestritten.
Sie muß aber aus der sozialen Erwä
gung heraus bejaht werden, daß die
Kenntnis des Kündigungsgrundes fin
den Arbeitnehmer von großer Bedeu
tung ist (z. B. für die Prüfung der
Frage, ob eine Klage gegen die Kün
digung erfolgversprechend ist oder
nicht).
Wie bereits erwähnt, ist die Kündi
gung eine empfangsbedürftige Willens
erklärung. Sie wird daher erst wirk
sam, wenn sie dem Adressaten zuge
gangen ist. Nach der herrschenden
Rechtsauffassung ist die Kündigung
bereits zugegangen, wenn sie so in den
Bereich de9 Empfängers gelangt, daß
er nach der Lebenserfahrung unter
normalen Verhältnissen davon Kennt
nis nehmen kann. So genügt es bei
spielsweise, wenn das Kündigungs
schreiben in den Hausbriefkasten des
Kündigungseinpfängers geworfen wird.
Bei Massenentlassungen gilt die Kün
digung als zugegangen, wenn sie am
sogenannten ,,Schwarzen Brett“, das
den Arbeitnehmern regelmäßig die
Bekanntmachungen des Betriebes ver
mittelt, angebracht wird. In diesem
Fall hat die Kündigung jedoch keine
Wirkung gegenüber erkrankten, beur
laubten oder auswärts arbeitenden Be
legschaftsmitgliedern. Wird die An
nahme der Kündigung vereitelt oder
schuldhaft verweigert, so gilt sie als
ordnungsgemäß zugegangen.
Die Kündigung ist, abgesehen von
einigen für Lehrverhältnisse bestehen
den Ausnahmen, gesetzlich an keine
Form gebunden. Wenn jedoch Schrift
form vertraglich vereinbart worden ist.
bleibt eine formlose Kündigung un
wirksam, es sei denn, der Kündigungs
empfänger verzichtet auf die Schrift
form.
Wie jedes andere Rechtsgeschäft
kann auch eine Kündigung nichtig
sein. Dies trifft z. B. dann zu, wenn
die Kündigung nicht ordnungsgemäß
oder von einer unzuständigen Stelle
ausgesprochen worden ist. Weiterhin
kann eine Kündigung nichtig sein, die
nicht in der vereinbarten Form erfolgt
ist oder eine evtl, erforderliche be
hördliche Zustimmung erklärt wurde.
Insbesondere gilt als Nichtigkeifsgrund
ein Verstoß gegen ein gesetzliches
Verbot oder gegen die guten Sitten.
Im Arbeitsrecht spielen gesetzliche
Verbote, die eine Kündigung nichtig
machen (§ 134 BGB) eine maßgebliche
Rolle. Sie dienen in der Regel dem
Schutze des Arbeitnehmers, der seiue
Arbeit für eine gewisse Zeit, beispiels
weise als Betriebsratsmitglied für die
Dauer dieses Amtes, nicht oder nur
ausnahmsweise verlieren soll. b.
(Fortsetzung folgt 1 )