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März 1954
Hinsicht für den öffentl. Dienst gewisse
Sonderte Stimmungen notwendig sind. Wir
können aber nicht einsehen, daß hierfür
ein besonderes Gesetz erforderlich sein
soll. Diejenigen, die uns heute glauben
machen wollen, unser Gesetz hätte nur
einen anderen Namen (Personalvertre-
tungsgesetz) und sonst wäre alles, außer
der wirtschaftlichen Mitbestimmung, das
selbe, glauben ja ihren eigenen Wor
ten nicht Die Erfahrung mit der Ta-
rifvertragsfreiheit hat uns mißtrauisch
gemacht. Und dieses Mißtrauen ist auch
liier bestimmt angebracht. Wenn es nur
die ,,Sonderbestimmungen“ wären, die aus
der besonderen Eigenart des Dienstver
hältnisses resultieren, dann könnten wir
mit uns reden lassen. Wir befürchten je
doch. daß man mit dem Hinweis auf
Sonderbrsiimmungen die Arbeitnehmer
vertreter im Landtag und auch die übri
gen Gen erkschaftsverbände beschwichti
gen will. Wenn das Betriebsverfassungs
gesetz für die private Wirtschaft einmal
verabschiedet ist, dann können wir lange
warten (siehe Tarifvertragsgesetz!). Des
halb müssen wir immer wieder für ein
einheitliches BVG plädieren. Wir sagen
nochmals: Sonderbestimmungen im Rah
men des BVG j a, sie dürfen aber nicht
den Charakter einer minderen Recht
stellung annehmen.
In diesem Zusammenhänge wollen wir
noch einmal darauf hinweisen, daß auch
die Beamten in das BVG mit einbezo
gen werden müssen. Aus der Rechtsna
tur des Beamtenverhältnisscs können keine
Einwände gegen ein Mitbestimmungsrecht
hergeleitet werden. Daß sich das Mit
bestimmungsrecht im Rahmen des öffent
lich-rechtlichen Dienst- und Treuever
hältnisses bewegen muß ist selbstver
ständlich. Die aus der Natur des Be
amten Verhältnisses in bestimmter Hin
sicht sich ergebende Einschränkung der
Mitbestimmung rechtfertigt es aber kei
neswegs, im übrigen den Beamten das
Mitbestimmungsrecht zu versagen. Es ist
eine Frage der demokratischen Einstel
lung der Dienstgeber, in welchem Umfang
den Beamten ein echtes Mitbestimmungs-
reebt gewährt wird. Die herkömmlichen
Rechte des Berufsbeamtentums würden
hierdurch bestimmt nicht verletzt wer
den. Deshalb können wir nicht verstehen,
daß man uns von der zeitgemäßen Ent
wicklung ausschließen will.
Wir erwarten von Regierung und Land
tag, daß wir bald einmal in dieser
Frage gehört werden.
4. Besoldnngsreform etc.:
Was zu diesem Thema zu sagen ist,
haben wir in unserer Denkschrift zum
Ausdruck gebracht. Wir warten jedoch
immer noch auf eine Aussprache mit der
Regierung und bitten besonders den
Innenminister, daß er sein Ver
sprechen von 10. 7. 1953 bald einlöst.
Der Herr Vorsitzende des Verwaltungs
ausschusses hat bekanntlich 2 Tage vor
her versprochen, daß der Landtag eine
Gesetzesvorlage der Regierung, die die
Besoldung endgültig regele, mit größter
Beschleunigung behandeln werde, da den
Abgeordneten das ganze Problem wohl
bekannt sei. Wenn aber die Gesetzesvor
lage nicht bald erfolgt, und Verhandlun
gen mit den Berufsverbänden nicht un
verzüglich aufgenommen werden, dann
kommt der Landtag wieder genau so in
Zeitnot wie im vergangenen Jahre.
5. Beamtengesetz:
Das zur Zeit gültige Beamtengesetz, das
aus einer vergangenen Aera stammt, ist
unbedingt reformbedürftig. Die Geset
zesvorlagen, die uns bisher bekannt ge
worden sind, und auch die Abänderungs
vorschläge des Verwaltungsausschusses
sind unseres Erachtens nicht dazu ange
tan, von einer Reform zu reden. Auch das
Bundesbeamtengesetz darf nicht als mu
stergültiges Gesetz augesehen werden,
doch in vielen Punkten ist es bedeutend
fortschrittlicher.'
Es sind von den Berufsorganisationen
schon so viele Abänderungsvorschläge ge
macht und von den zuständigen SteL
len nicht beachtet worden, daß es kaum
einen Wert hat, noch viel zu schreiben.
Wir empfehlen deshalb, Vertreter der 3
Berufsorganisationen zu den Ausschuß -
beratungen hinzuzuziehen, damit sie Ge
legenheit haben, ihre Abänderungsvor
schläge zu begründen. In gemeinsamen
Beratungen werden wir bestimmt schnel
ler zum Ziele gelangen. Regierung und
Landtag haben hier Gelegenheit, ihren
Willen, die Berufsorganisationen zu hö
ren (was ja im Beamtengesetz verankert
werden soll), schon vor der Verabschie
dung des Gesetzes unter Beweis zu stel
len.
Wir haben mit den vorstehenden 5
Punkten nur die wesentlichsten Probleme
skizziert. Es soll aber nicht vergessen
werden, daß wir auch auf
a) die Verabschiedung des Kündigungs
schutzgesetzes,
b) die Selbstverwaltung der Sozialver
sicherungsträger,
e) die Bildung der Beiräte der Ruhe
gehalts- und Zusatzversorgungskasse
warten. Es ist unsere Aufgabe, auf diese
Dinge hinzuweisen. Wir hoffen, daß Re
gierung und Landtag uns verstehen und
bereit sind, für Abänderung zu sorgen.
An unserer Mithilfe soll es bestimmt
nicht fehlen. L.
Erhöhung des Mindeststundenlohnes
Nach eingehenden Verhandlungen wurde;
in der am Montag, dem 8. März 1954, un
ter Vorsitz von Herrn Arbeitsminister Kirn
stattgefundenen Sitzung, an der Vertreter
des Arbeitsministeriums, der Gewerkschaf
ten und der Arbeitgeberverbände teilnah-
men, eine Kompromißlösung über die Neu*
festsetzung des Mindeststundenlohnes er;
zielt. Eine entsprechende Verordnung des
Ministers für Arbeit und Wohlfahrt legt
fest, daß ab 8. Februar 1954 für Arbeit
nehmer mit vollendetem 18. Lebensjahre
und normaler Leistung folgende Mindest
sätze gelten:
Lohnzone I 110,70 Frs.'
Lohnzone II 106,40 Frs.
Lohnzone III 102,05 Frs.
Lohnzone IV 99,50 Frs.
Unter Berücksichtigung des 25prozenti-
gen Mehrarbeitszuschlages für die 41. bis
48. Wochen arbeitsstunde ergeben sich nach
stehende Wochen- bzw. Monatslöhner
Lohnzone
I
II
III
IV
bei 40 Stunden-Woche
4.428
4.256
4.082
3.980
bei 48-Stunden-Woche
5.535
5.320
5.102
4.975
bei 1731/3-Stunden-Monat
19.188
18.443
17.689
17.247
bei 208-Stunden-Monat
23.985
23.054
22.111
21.559
Jugendliche Arbeitnehmer erhalten im
Alter
von 14—15 Jahren 50 o/o,
von 15—16 Jahren 60 o/o,
von 16—17 Jahren 70 o/ 0 ,
von 17—18 Jahren 80 o/ 0
vorstehender Sätze.
Im Mind^—i'.un den lohn können Lei-
stungs- bzw. Akkordzulagen sowie Prä -
mien und Sachleistungen enthalten sein.
Nicht berücksichtigt jedoch werden solche
Zulagen, die unabhängig von der Leistung
des Arbeitnehmers gewährt werden (wie
Schmutzzulage, Gefahrenzulage, Dienstal
terzulage usw.). Ferner bleiben Mehrar
beitszuschläge, Sonn-, Feiertags- u. Nacht
zuschläge sowie Zuschläge für Mehr
aufwand (Auslösung) außer Betracht.
Auf Grund des § 3 der Mindeststunden -
lohnverordnung vom 28. 3. 1951 waren für
verschiedene Gewerbezweige und Einzelbe
triebe (Textil-, Wäsche-, Leder- und Be
kleidungsindustrie, Handel, Friseurgewer-
be, Fleischwarenindustrie usw.) Sonder-
mindeststundenlohne festgesetzt worden.
Diese Sondermindeststundenlöhne laufen
mit dem 15. 4. 1954 ab. Bis zu diesem
Zeitpunkt ist neben den Sondermindest -
stundenlöhnen pro Stunde eine Zulage in
nachstehender Hohe zu gewähren: