'Wohngebäude errichtet haben. Das gleiche
ist der Fall für Erwerbsvorgänge im Kalender
jahr 1953.
Die §§ 23—25 behandeln die Steuerbefrei
ung von der Urkundensteuer. Hier ist insofern
eine Änderung gegenüber den bisherigen Be
stimmungen beachtlich, als nunmehr die Be
freiung nur dann eintritt, wenn mindestens
80 v. H. flächenmäßig neuer Wohnraum ge
schaffen wird. Steuerbegünstigt sind Urkunden
über alle Rechtsvorgänge in der Zeit vom
1. Januar 1954 bis 31. Dezember 1955 und
a) die Errichtung eines Wohngebäudes,
b) die Durchführung von Baumaßnahmen
an Gebäuden, durch die flächenmäßig
mindestens 80 v. H. neuer Wohnraum
geschaffen wird oder nur notdürftig be
wohnbarer Raunt in gesunden und an
gemessenen Raum baulich umgestaltet
wird,
c) die Finanzierung solcher Baumaßnahmen
unmittelbar zum Gegenstand haben.
Die §§ 26—28 enthalten Übergangsbestim
mungen für die Grunderwerbsteuer und Ur
kundensteuer.
§ 26 sagt wörtlich:
,,(1) Ist die Steuerschuld
a) bei der Grunderwerbsteuer im Kalender
jahr 1954,
b) bei der Urkundensteuer in der Zeit vom
1. Januar 1954 bis zum 31. Dezember
1955.
entstanden und ist die Steuer nicht entrichtet,
so wird auf Antrag von der Festsetzung der
Grunderwerbsteuer und der Urkundensteuer
ganz oder teilweise vorläufig abgesehen, wenn
glaubhaft gemacht ist, daß die Voraussetzun
gen für die Steuerbefreiung spätestens bis
zum 31. Dezember 1955 erfüllt werden.. Die
Steuererleichterung wird endgültig gewährt,
sobald die Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Ist die Steuer bereits entrichtet, so wird
sie auf Antrag erstattet, wenn das Wohnge
bäude spätestens bis zum 31. Dezember 1955
bezugsfertig errichtet wird.
(3) Antragsberechtigt Ist Jeder an der Er
richtung der Urkunde oder an dem Rechtsvor
gang als Steuerschuldner Beteiligte. Im Fall
der Erstattung ist die Steuer an den Beteilig
ten zurückzuzahlen, der sie entrichtet hat.“
Verschiedene Einzelbestimmungen
In § 27 wird der Widerruf der Steuerer
leichterung besprochen. Wenn innerhalb einer
Frist von 5 Jahren die Art des errichteten
Gebäudes so geändert wird, daß 80 v. H.
Wohnfläche nicht mehr erreicht werden, wird
die Steuerbefreiung für die Grunderwerb
steuer und die Urkundensteuer rückgängig ge
macht.
§ 30 erklärt die Bezugsfertigkeit und be
stimmt, daß nicht die baupolizeiliche Ge
brauchsabnahme maßgeblich ist, sondern, daß
im Rahmen dieser Verordnung die Bezugsfer
tigkeit dann anzunehmen ist, wenn eine Be
nutzung des Gebäudes oder Gebäudeteils zu
Wohnzwecken möglich oder zumutbar ist.
§ 31 erläutert die Antragstellung, über die
in diesem Rahmen nichts mehr gesagt zu wer
den braucht.
§ 32 bestimmt, daß für Rechtsgeschäfte
die von der Grunderwerbsteucr oder'von der
Urkundensteuer vorläufig oder endgültig be
freit sind, für die Eintragungen im Grund
buch Gebühren nicht erhoben werden.
Befreiung von Baupolizeigebühren
§ 33 legt fest, daß Baupolizeigebühren nicht
erhoben werden:
1. bei Neubau von Wohngebäuden,
2. bei Anbau, Aufbau oder Umbau, inso
weit durch diese baulichen Änderungen
flächenmäßig neuer Wohnraum geschaf
fen wird,
3. bei baulicher Umgestaltung nur notdürf
tig bewohnbaren Raumes in gesunden
und angemessenen Wohnraum,
wenn die neugeschaffenen oder baulich umge
stalteten Wohnräume spätestens bis zum 31.
Dez. 1955 bezugsfertig werden.
Was ist für die französische Wirtschaft untragbar?
Die „generöse" Sozialpolitik der Regierung — Unberechtigt hohe Profite
W. B. — Als im Januar der neue Präsident
der Nationalversammlung, der Sozialist Andre
Le Troquer, sein Amt als Nachfolger von Ed.
Herriot antrat, da verwies er nicht mit Un
recht auf die sozialen Verhältnisse in Frank
reich und sagte: ,,Die Lebensbedingungen der
Mehrheit des Volkes sind wahrlich zu schwie
rig, und man empfindet es als eine Schande, daß
offizielle Kommissionen zusammentreten und
über einen Indexlohn diskutieren müssen, da
mit den Kindern, Frauen und Männern die
Mittel zur Erhaltung einer Existenz gegeben
werden können.“
Nun, die gleiche „Nationalversammlung, die
Andre Le Troquer für diese Worte reichlich
Beifall spendete, hatte wenige Wochen später
alles vergessen und verweigerte „den Kindern,
Frauen und Männern“ einen garantierten
Mindcstlohn von rund 25 000 Fr. im Monat.
Die Mehrheit der Nationalversammlung, die
nichts von einer „anständigen Existenz“ für
die große Masse des Volkes wissen wollte,
nahm sich die Argumentation der Regierung,
an deren Spitze ein Textilindustrieller stellt,
e
zu eigen, wonach die französische Wirtschaft
in der Lohnaufbesserung nicht mehr ertragen
könnte, als die Regierung am 4. Februar
bewilligt hatte, d. *h., ein Monatseinkom
men von 23 000 Fr. bei 200 Arbeitsstunden,
115 Fr. die Stunde. 1 800 000 Arbeiter sind
ab 8. Februar nun auf diese Lohnsumme ge
kommen, von der 6 °/o für die Sozialversiche
rung noch abgezogen werden, ln Wirklichkeit
sind es aber viel weniger Lohnarbeiter, die
auf dieses Lohneinkommen,im Monat ihre
Existenz aufbauen können. Wo nur 40 Stun
den in der Woche gearbeitet wird, da liegt
das Monatseinkommen für diese Gruppen
weiter unter 20 000 Fr. Dann gilt dieser
Satz auch nur für Paris, denn für die Provinz
gelten Zonenabschläge von 3 bis 13 Prozent,
obwohl die Lebenshaltungskosten in der Pro
vinz keineswegs geringer sind als in Paris.
Herr Edgar Faure, der Vater dieser almo
senhaften Lohnaufbesserung aber rühmte sich
mit einer „generösen“ Sozialpolitik. Da er
dies bei einem reichlichen Frühstück im „Klub
Joseph Caillaux“, tat, sind allerdings die
Opfer dieser „generösen Sozialpolitik“ der
Meinung, daß bei einem guten Frühstück der
Herr Finanzminister den Mund doch etwas zu
voll nahm!
Die französische Wirtschaft könne nicht
mehr vertragen. Der gewerkschaftliche Mitar
beiter der Pariser Tageszeitung „Le Popu-
laire“, Claude Fuzier, schrieb zu dieser Frage
am 24, Februar: „Man vergißt dabei zu sagen,
daß die französische Wirtschaft ein „ausge
glichenes“ Budget von 700 Milliarden Fr. De
fizit- durchaus erträgt, wie auch die Last
eines Krieges in Indochina. Man vergißt auch
von den unzulässig hohen Profitraten zu spre
chen die auf der Wirtschaft lasten. Hier
kommt die Wahrheit zum Durchbruch! Die
Regierung will ebensowenig wie das von ihr
vertretene Unternehmertum, die skandalös
hohen Profite beseitigen. Der französische
Kapitalismus hat die Gewohnheit angenom
men leicht viel zu verdienen, in dem er we
nig zu hohen Preisen verkauft. Das ist es,
was untragbar für die französische Wirtschaft
ist! Manchmal kommt es vor, daß Vertreter
dieses gleichen Kapitalismus die Gefahren er
kennen, welche sich aus dieser Methode fiir
ihr Land und den Kapitalismus Selbst ergeben.
Aber getan wird nichts! Der Bericht der Euro
päischen WirtschafTsorganisation klagt erneut
den französischen Kapitalismus an, unberech
tigt hohe Profite zu machen, Aber wieder wird
nichts dagegen getan. Um den Forderungen
der Europäischen Wirtschaftsorganisation, die
französischen Gestehungspreise den auslän
dischen Preisen anzupassen, gerecht zu wer
den, blockiert man die Löhne.
An dieser Kritik von Claude Fuzier ist
nichts auszusetzen. Es ist die gleiche Kritik
die auch die freien Gewerkschaften der „For
ce Ouvriere" erheben. Frankreich lebt über
seine Möglichkeiten; es sind dies aber nicht
die arbeitenden Schichten! 5 Millionen Ar
beiter verdienen auch heute noch unter 25 000
Fr. inj Monat. Fast 2 Millionen Spezialarbei
ter haben jetzt gerade 22 000 Fr., wenn sie
200 Stunden im Monat arbeiten, 23 000 Fr.
Das ist die „generöse“ Sozial- und Lohn
politik!