Rentenerhöhung unbefriedigend!
Eingaben der EinheitsgewertcscHaft an die Regierung
Die Sicherung des Lebensabend« für alb
Arbeitnehmer ist eine der vordringlichsten
Aufgaben, die sich die Einb edtsgeWerkscliaft
711m Ziel gesetzt hat. Als sie im März vori
gen Jahres ihr umfaB^reidies Sozialpro
gramm auf stellte, wies sie selbst darauf hin
daß die Angleichung der Sozialrenten und
Pensionen in der privaten Wirtschaft an die
Versorgung im öffentlichen Dienst nicht von
heute auf morgen verwirklicht werden und
wegen der enormen Mittel, die hierfür benö
tigt würden, nur in Etappen durchgeführt
werden könne.
Wenn sich die Einheitsgewerkschaft dieser
Schwierigkeiten wohl bewußt ist, so heißt das
nicht, daß sie nicht an ihre» Sozialpro
gramm festhalten werde; dann schließlich
sind viele Forderungen der Arbeitnehmer
schaft, die von ihrer Zeit geradezu utopisch
bezeichnet wurden, durch den zähen Kampf
der Gewerkschaften verwirklicht worden und
stellen heute Selbstverständlichkeiten dar.
Das Erkennen der Schwierigkeiten bedeutet
auch nicht, daß die Realisierung einer ge
rechten Altersversorgung auf ewig weitem
Felde liegen müsse, doch sollte man darüber
keine Zweifel hegen, daß die angestrebte
Altersversorgung nuT dann Gestalt gewinnen
wird, wenn alle Gruppeninteressen hinter
dem gemeinsamen Interesse zurückgestellt
werden, und die Forderung von dem unent
wegten Willen der gesamten Arbeitnehmer
schaft getragen wird; ja, nur dann, wenn ei
die Gewerkschaften verstehen, das Problem
der Altersversorgung aus den nationalen
Sphären auf die internationale Ebene zu he
ben. Koordinierung der europäischen Wirt
schaft ohne Koordinierung der Sozialpolitik
bedeutet unseres Erachtens einen Versuch am
untauglichen Objekt. In dieser Auffassung
wissen wir uns mit dem internationalen Bund
freier Gewerkschaften einig.
Eine befriedigende Lösung der Altersver
sorgung bedeutet zweifellos eine derartige
Umwälzung in der heutigen Sozialversicherung
4»^ und wird in so erheblichem Äußmuße auf die
gesamte Wirtschaft und die StaatsTmanzen
ausstrahlen müssen, daß — wie wiT schon
sagten — diese Forderung als Sofortmaß
nahme keinesfalls realisiert werden kann.
Auf der anderen Seite erfordert jedoch die
Notlage unserer Sozialrentner Hilfe ohne
längeren Aufschub, die im Rahmen des bei
den heutigen Voraussetzungen Möglichen un
bedingt gewährt werden muß.
Die -staatliche Sozial remtnethflfe mit der
zuletzt durchgefuhrteu lffhig» Erhöhung
der Grund- und Steägerungsbetrüge in den
Rentenversicherungen der Arbeiter und An
gestellten sowie die entsprechen den Erhöh
ungen n der knappsdwüMidhe« Rentenver
sicherung und in der hüttenknappschaftlichen
Peusiansver.sidhcrung stellen derartige Be-
kelfsmaßnahmen dar, die eben als Behelfs-
maßnabmen auf die Dauer gesehen keines
wegs befriedigen können, obwohl sie, das sei
zugegeben, den staatlichen Haushalt nicht
unerheblich belasten.
Das Gesetz über die Erhöhung von Gruad
ernd Stegerungsbeträgen und weitere Ände
rung an in der gesetzlichen RenfcenversidseraHg
bedeutet ohne Zweifel einen gewissen Fort
schritt, kann aber in seinem Gesamtergebnis
auch als Sofortmaßnahme nicht befriedigen.
Praktisch wirkt es sich, da mit seinem In
krafttreten di« vorläufige Rentenzulage in
Höhe von monatlich 1 000.— ffrs, ln Weg
fall kommen wird, in der Regel erst bei den
Versichertem als Rentenerhöhung aus, di«
mehr als 20 Beitragsjahre nachweisen können,
hm Durchschnitt dürfte die Erhöhung 5*/*
nicht übersteigen.
Trotz der Telattv geringen Auswirkung die
se« Gesetzes anf die Renten bedeutet es edas
Ausweitung des Sozialetats — wie die Be
gründ tmg zu der Gesetzesvorlage ausführt —
von 1,46 Milliarden ffrs. Zugegeben, diese
Zahl ist enorm, dodh vertritt die Einheitsge
werkschaft die Auffassung, daß eine spür
bar» Rentenerhöhung unumgänglich ist und
•daß eben andere Ausgaben im staatlichen
Haushalt zwick gestellt werden müssen, um
di« erforderlichen Mittel aufzubrmgen. Die
Etat-Vorlage für das Jahr 1954 bietet unseres
Erachtens hierzu Ansatzpunkte genug, doch
sind wir nicht — das sei am Rande ver
merkt — für ein« Beschneidung deT Ausga
ben für Hallenbäder und Sportstätten, wie si«
der Abgeordnete und Präsident der Christ
lichen Gewerkschaften, Johann Klein, Vor
schlägen zu müssen glaubt. In einem hoch-
indnstriealisierten Gebiet wie das Suuriand
sind Hallenbäder und Sportstätten bestimmt
kein Luxus, sondern bedeuten für die schwer-
arbeitende Bevölkerung geradezu eine drin
gende Notwendigkeit. Insoweit sind wir je
doch mit MdL Klein der gleichen Auffassung,
daß hinter den Ausgaben für die Altersver
sorgung im Staatshaushalt alle Mittel zurück -
treten müssen, die nicht lebensnotwendigen
Zwecken dienen.
"Wir haben nun nicht die Absicht, ebenfalls
ln die Polemik einzusteigen, die sich um di«
Rentenerhöhung und um den Abgeordneten
Klein entwickelt hat, doch scheinen uns die
Vorwürfe, die unseT Kollege Klaus Heinz
gegenüber dem Präsidenten der Christlichen
Gewerkschaft erhoben hat, nicht unbegründet.
Audi wir sind der Ansicht, daß es bei dem
Bestreben, unseren Rentnern eine Verbesse
rung ihr« Lebensbedingungen zu schaffen,
nicht darauf ankommt, Prioritätsrechte gel
tend zu machen und unbedingt als deT meist-
fordemde auf treten zu wollen, was MdL.
Klein sehr zu Unrecht versucht, als vielmehr
darauf, hu Rahmen des Möglichen unverzüg
lich eine effektiv« Renfennhöhung hetbeizu-
führen.
Wir glauben, daß die Forderungen der
Einheitsgewerkschaft in den Eingaben, auf
die wir noch zu sprechen kommen, sofort
TealisirrhaT sind. Sollte man bd der GGS
die Auffassung vertreten, daß mau über dies«
Forderungen im Augenblick hinausgehen
könne, dann lassen wir uns nur zu gerne be
lehren, doch wären wir den Abgeordneten Klein
Ruffing usw. sehr verbunden, wenn sie uns
neben dieser Belehrung auch die Aufklärung
■geben könnten, wie auf den Bänken im Land
tag, auf denen sie sitzen, der laute Beifall
für die Ausführungen des Wirtschaftsmi
nisters, Herrn Ruland, zustande kommen
konnte, als er erklärte, eine weitere sozial«
Belastung sei für das Saarland nicht mehr
tragbar.
In ihrer Eingabe an den ATbdtsmiuister
vom 8. 2. 1954 bat die Einheitsgewerkschaft
•gefordert, das Gesetz über die Erhöhung von
Grund- und Steigerungsbeträgen und weiter«
Änderungen in der gesetzlichen Rentenver
sicherung dahingehend äbzulndern. daß di«
vorläufige Rentenzulage weltergewährt wird.
Wir hoffen, dadurch einem großen Teil der*
Rentner mit geringen Beltragsjahren ein«
spürbare RenteneThöhung zu verschaffen, di«
sich gleichzeitig auch durch die 15 fl /<nge Er
höhung der SteigETcnngsheträge bei den Ver
sicherten mit längeren Beitragszeiten ent
sprechend ihrer Be itragshästtragen auswirkt.
Gewiß, auch dieser Vorschlag ist eine au*
einer Notlage geborene Kompromißlösung,
doch hoffen wir, damit die im Augenblick
gegebenen Möglichkeiten optimal auszu
schöpfen.
Das Gesetz in der von uns voxgesdhlage-
nen Fassung, die beispielsweise in der Inva
lidenversicherung zu pingr durchs chnitlEchen
Rentenethöhung von 13,7 1 V» führen wird,
dürfte für den Staatshaushalt eine Mehrbe
lastung von 2j2 Milliarden ffrs. bedeuten,
die natürlich nur durch Streich uzg anderer
Positionen iai Etat-Vorschlag 1954 gewonnaa
werden können.
Wir haben mit der Eingabe an den Arbeits-
minister, Schreiben an den Finanzaninister,
und die zuständigen Stellen im Landtag ge
richtet und gebeten, im Haushalt 1954 di«
Grundlagen für die Realisierung unserer For
derung zu schaffen.
Abschließend sei noch bemerkt, daß wir
um die Inkraftsetzung des Gesetzes mit dem
1. Januar 1954 ersucht haben, da unseres
Erachtens die Rentenethehnng keinen länge
ren Aufschub duldet.
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