Full text: 8.1954 (0009)

Januar 1954 
AUq&meim Jlecht&kunde 
- Arbeitsrecht - 
(Fortsetzung) 
Anmerkung: 
Die Ausführungen in der Dezember- 
Nummer über Urlaubsanspruch wäh 
rend der Krankheit waren allgemein 
gehalten und führten zu berechtigten 
Zweifeln, da diese allgemeinen Grund 
sätze im öffentlichen Dienst nicht 
gelten. Wir bitten deshalb unsere Le 
ser, die Ziffer e) zu streichen und durch 
die folgende neue Ziffer e) zu ersetzen. 
Die Redaktion. 
e) Urlaubsanspruch während der 
Krankheit 
Auf Grund der Versorgungsvor- 
^^hriften der TO. A und TO. B sowie 
jr Urlaubsordnung vom 21. 6. 1951 
wird durch eine Erkrankung der Erho 
lungsurlaub nicht durchbrochen; 1 je 
doch soll Nachurlaub gewährt werden, 
soweit durch die Krankheit der Erho 
lungszweck vereitelt ist und die dienst 
lichen Verhältnisse eine Nachbeurlau 
bung zulassen. Die Urlaubsordnung 
sieht sogar vor, daß ein Nachurlaub 
nur bei schwerer Krankheit und nach 
Vorlage eines ärztlichen Attestes ge 
währt werden soll. Es muß einer künf 
tigen tariflichen Regelung Vorbehalten 
bleiben, hier eine Aenderung zu schaf 
fen; denn wir sind der Meinung, daß 
Krankheitstage nicht auf den Urlaub 
angerechnet werden dürfen, da dies 
dem Urlaubszweck widerspricht. Bis 
zum Ende des Urlaubs sind Urlaubsbe 
züge zu gewähren, von dann an und 
während eines etwaigen unmittelbar an 
£d.ie Krankheit anschließenden Nachur- 
mbs Krankenbezüge. 
V. Beendigung des Arbeitsverhältnisses 
1. Durch Anfechtung 
Der Arbeitsvertrag kann angefoch- 
ten werden, wenn folgende Vorausset 
zungen gegeben sind: 
a) Irrtum 
Arbeitgeber oder Arbeitnehmer 
müssen sich über wesentliche Eigen 
schaften der Person des Arbeitnehmers 
oder Arbeitgebers geirrt haben. Der 
Irrtum muß aber so schwerwiegend 
sein, daß die Fortsetzung des Arbeits 
verhältnisses nicht zugemutet werden 
kann. Sollte z. B. ein Arbeitnehmer bei 
seiner Einstellung ein körperliches Lei 
den haben, das er bei der Einstellung 
verschwieg, trotz dieses Leidens aber 
m keiner Weise in seiner Arbeitslei 
stung behindert sein, so liegt kein 
Grund vor, den Arbeitsvertrag anzu 
fechten (BGB § 119). 
b) Arglistige Täuschung 
Der Arbeitgeber kann den Arbeits 
vertrag anfechten, wenn er vor Ab 
schluß des Vertrages von dem Arbeit 
nehmer arglistig getäuscht wurde (BGB 
§ 123). 
Die Täuschung muß in der Vorspie 
gelung unrichtiger oder in dem Ver 
schweigen wahrer Tatsachen bestehen. 
Ein Verschweigen im Sinne dieser Be 
stimmung liegt aber nur dann vor, 
wenn eine Redepflicht besteht. So be 
steht keine Verpflichtung des Arbeit 
nehmers, dem Arbeitgeber ohne weite 
res über politische Vergangenheit, Vor 
strafen, Gesundheitszustand, Schwan 
gerschaft ungefragt zu berichten. Der 
Arbeitgeber muß sich durch Befragen 
unterrichten. Unterläßt er dies, so be 
steht kein Anfechtungsgrund. 
c) Drohung 
Ein weiteres Anfechtungsrecht be 
steht wegen Drohung (BGB § 123). 
d) Wirkung der Anfechtung 
Der Unterschied zwischen einer An 
fechtung und einer Entlassung besteht 
darin, daß durch die Entlassung das 
Arbeitsverhältnis für die Zukunft, 
durch die Anfechtung das Rechtsver 
hältnis normalerweise von allem An 
fang an als nichtig anzusehen ist (BGB 
§ 142). 
Eine rückwirkende Beseitigung eines 
bereits bestandenen Arbeitsverhältnis 
ses ist jedoch nicht denkbar, da sonst 
dem Arbeitgeber das Recht zustchen 
würde, die bisher gezahlten Löhne und 
Gehälter zurückzufordern. Nach neue 
rer ständiger Rechtsprechung kann 
zwar die Anfechtung eines Vertrages 
nicht durch eine fristlose Entlassung 
ersetzt werden, da sie gesonderten Vor 
schriften unterliegt, indessen kann das 
Arbeitsverhältnis nicht rückwirkend, 
sondern nur für die Zukunft gelöst 
werden. Das bedeutet für die Praxis, 
daß man in vielen Fällen statt der An 
fechtungsklage die fristlose Kündigung 
wählt. 
2. Wegen Nichtigkeit 
Ein Arbeitsvertrag ist nichtig: 
c N wenn er von einem Geschäftsunfä 
higen (Minderjährige unter 7 Jahren 
oder Personen, denen die Geschäfts 
fähigkeit entzogen worden ist) abge 
schlossen wird; 
b) wenn er von einer beschränkt ge 
schäftsfähigen Person (Minderjähri 
ge zwischen 7 und 21 Jahren) ver 
einbart wurde, obwohl der gesetz 
liche Vertreter nicht einwilligte und 
die Einwilligung oder Ermächtigung 
auch nicht nachträglich erteilte (§§ 
107, 108, 113, 114 BGB): 
c) wenn ein gesetzlich verbotenes Ar 
beitsverhältnis begründet wurde 
(Kinder-, Jugendlichen- und Mut 
terschutz) BGB § 134; 
d) wenn die Schriftform, obwohl ge 
setzlich vorgeschrieben, nicht beach 
tet worden ist (BGB § 125); 
e) wenn der Vertragsinhalt gegen die 
guten Sitten verstößt (BGB § 138), 
insofern z. B. unter Ausnutzung der 
Notlage Hungerlöhne vereinbart oder 
der Arbeitnehmer durch sogenannte 
Knebelungsverträge (schikanöse 
Wettbewerbsklauseln, vertragliche 
Abwälzung des Belriebsrisikos, über 
mäßige Vertragsstrafen) in seiner 
Existenz oder Wirtschaftler hen Frei 
heit übermäßig gebunden oder be 
einträchtigt wird. 
Nach BGB § 138 ist grundsätzlich das 
gesamte Rechtsgeschäft nichtig. Ist 
aber anzunehmen, daß das Rechtsge 
schäft auch ohne den nichtigen Teil 
abgeschlossen worden wäre, so sind die 
unzulässigen nichtigen Vertragsbedin 
gungen durch die gesetzlich zulässigen 
zu ersetzen. Vereinbart beispielsweise 
ein Arbeitgeber mit einem kaufmänni 
schen Angestellten eine Kündigungs 
frist von zwei Wochen, so ist diese Ver 
einbarung nach § 67 HGB nichtig: der 
Vertrag bleibt aber gültig, an Stelle der 
vereinbarten tritt die dem Willen der 
Parteien am ehesten entsprechende ge 
setzlich erlaubte oder die tarifliche 
Kündigungsfrist. 
3. Durch Zeitablauf 
Ein Arbeitsverhältnisl, das für be 
stimmte Zeit eingegangen ist, endet mit 
Ablauf dieser Zeit (BGB § 620). 
Stillschweigende Fortsetzung des Ar 
beitsverhältnisses gilt als Verlängerung 
auf unbestimmte Zeit. 
4. Durch Tod. 
des Arbeitgebers, jedoch nur, wenn 
die Fortsetzung des Ärbeitsverhältnis- 
ses unmöglich ist, wenn z. B. unmittel 
bar für die Person des Arbeitgebers 
Krankenpflege zu leisten war. In der 
Mehrzahl der Fälle wird der Ausfall 
des Arbeitgebers auf den weiteren Ver 
lauf des Arbeitsverhältnisses keinen 
Einfluß haben.
	        
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