November 1953
Seite 5 *
Sozialgeschichte der industriellen Arbeitswelt
Wie bauen aut!
Ja, wir bauen wirklich auf. ln einem fast
atemberaubenden Tempo schießen Hochbau
ten aus der Erde, neue Straßenzüge entste
hen, alte werden ausgebessert und den Er
fordernissen des modernen Verkehrs ange
paßt. Selbst der weit über die Grenzen un
seres Saarlandes berühmte oder besser berüch
tigte Kuehenberg in Wiebelskirchen scheint
jetzt endlich glatt gebügelt zu werden, zur
großen Freude der über Federbrürhe klagen
den Autofahrer. Und doch, wir werden der
baulichen Wiedergeburten oder Neugeburten
oft nicht recht froh, da wir aus Erfahrung
befürchten, daß hinter den Baumaßnahmen
mit all ihrem „Owerasch“ — wie man hier
zulande so schön sagt — wieder neuer
„Owera ch“ steht.
Alte Straßendecken werden aufgerissen,
Kompressorenlarm dringt in die geplagten
Ohren der Passanten und Anwohner, die diese
Ner jnmusik im Hinblick auf die neue
Pracht, die entstehen wird, willig ertragen.
Endlich ist das Werk gelungen, und eine
neue Asphaltdecke glänzt in dem nun schon
spärlich gewordenen Sonnenschein. Der Bür
ger atmet auf! Doch leider zu früh, Neue
Kolonnen rücken heran, und das alte Spiel
besinnt von vorn. Aufgerissen wird die schöne
neue Decke utid Kraterlandschaften bieten
sich wieder dem entsetzten Auge.
Mühsam nahmen wir im Sommer durch
Staub, in der Regenzeit durch Pfützen und
Schlammlöcher unseren Weg vom Bahnhof
zur Brauerstraße, bis nach emsigem Arbeiten
über die Ursulinenstraße ein herrlicher
Asnhalttcnpich gelegt war. Doch nur kurz
währte die Freude, da man mittlerweile ent
deckt hat, daß der Sulzbach kanalisiert wer
den muß. Und wieder sind wir von den
Bcgehern bequemer, städtischer Straßen zn
Alpinisten geworden, die über Berg und Tal
die neue Baustelle umgehen müssen.
„Muß das denn sein?“, entringt sich der
geplagten Seele des Wanderers zur Arbeite
st "tte, oder hätte man nicht die Arbeiten
miteinander verbinden können? Vielleicht hätte
man durch richtige Planung sogar Geld spa
ren können, auch unser Geld, denn von un
teren Steuergroschen wird et ja wohl ge
nommen.
Tempo, Tempo! Munter schreitet der Stra
ßenbau fort, aber bitte, Ihr die es angeht,
plant doch so, daß nicht die erfreulichen Ar
beiten des Wiederaufbaus zur reinen Be-
sebäftigungstheorie werdenl ***
iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiimiiiiiiiimiiiiiiiiiiiiii
Offene Sekretärstelle
Der Vorstand des Industrieverbandes
Metall hat beschlossen, für den 1. Ja
nuar 1954 einen Sekretär einzustellen, dem
die Aufgabe zufällt die Angestellten
gruppe im L V. Metall zu betreuen. Es
mögen sich jedoch nur solche Kollegen
melden, die schon mindestens 5 Jahre
Mitglied der EG und mindestens 3 Jahre
als Funktionär für den I. V, Metall tä
tig sind. Ferner können nur solche Kol
legen berücksichtigt werden, die in Au
ges Seilten fr agen Erfahrung haben. Selbst
geschriebener Lebenslauf, sowie Bewer
bung und Zeugnisabschriften sind an den
Vorstand des I. V. Metall, Saarbrücken
3, Brauerstraße 6—8, einzureichen.
IlllllllllllllllllllllllltllllllllllllllllllllllUllllll
Patentiertes Verfahren in der Lebensmittel-
branrhe. Die Tendenz, fertig verpackte Lebens
mittel aller Art herzu9tellen, hat sich in den
letzten Jahren immer weiter durchgesetzt. In
der Fleischwaren-Industrie steht frische geräu
cherte Wurst im Darin an erster Stelle. Da es
bisher nicht möglich war, geräucherte Wurst
in Dosen zu konservieren, beschränkte man sich
auf die Herstellung von Leber- und Blutwurst
in Dosen, die sich schon einer allgemeinen Be
liebtheit erfreuen. Jedoch mußte die begehrte
Art der Brühwurstsorten immer noch als frische
Wurst im Darm gekauft werden. Hier Abhilfe
zu schaffen, war das Ziel langer Versuche, die
nun abgeschlossen, und die Konserve unter
dem geschützten Namen „Friwuco“ wird in
Bälde auf dem Markt sein. FRIWUCO ist fri
sche, hygienisch in einer Pergamenthülle ge
räucherte Wurst, in der Dose konserviert. Ein
Anlaufen oder sogar Schmierigwerden des Dar
mes, wie das bei frischer Wurst oft der Fall
ist, fällt bei „Friwuco“ vollständig fort. Die
Hülle ist nach den angesteilten Versuchen am
fünften Tage noch so trocken wie am ersten.
Soziaigeschiehte der industriellen Arbcitswelt*
ihrer Krisenformen und Gestaltungsversu
che. Mit Beiträgen von Giselher Wirsing,
Hyacinthe Dubreuil und Edward Little.
Dritte neubearbeitete und erweiterte Auf
lage. 10.—13. Tausend. 358 Seiten. Leinen
12 DM. Verlag Josef Knecht — Carolus
druckerei — Frankfurt a. M.
Das Werk ist aufgeteilt in ein Kapitel: Ge
schichte der industriellen Arbeitsverfassung und
ihrer sozialen Problematik. Einzelabschnitte be
treffen u. a,: l. Die industrielle Arbeit im Blick
feld der Sozialgeschichte. II. Vom Mittelalter
bis zur industriellen Revolution. III. Der Durch
bruch der industriellen Revolution. IV. Die Ent
faltung der Fabrikindustrie bis zur Gegenwart.
V. Die Arbeitsentwicklung im modernen Groß
betrieb. VI. Der Industriebetrieb als Reehts-
form, seine Unterscheidung vom Unternehmen.
Im zweiten Teil wird der Kampf um die
soziale Arbeitsordnung behandelt und zwar in
folgender Gliederung: I. Die Aufgabe der sozia
len Betriebspolitik. II. Das erste Stadium: Die
sozialen Lösungsversuche im 19. Jahrhundert.
III. Das zweite Stadium: 1. Die Rolle der So
zialpolitik und des Arbeitsrechts. 2. Die Be
triebspolitik der Unternehmer seit 1900. 3. Psy-
chotechnik und Taylorismus. IV. Das dritte
Stadium: 1. Das Arbeitsproblem im volkspoli
tischen Blickfeld. 2. Vorschläge und Ansätze zur
neuen Arbeitsordnung. 3. Das Problem der sinn
vollen Reproduktion der Arbeitskraft. V. Zur
Ueberwindung der Kampffronten: 1. Die Ar
beiterschaft vor der Arbeitsfrage. 2. Bedingun
gen der Kooperation.
Ein Anhang betrifft die Probleme: Der Indu
striearbeiter in der neuen Volksbildung. Die
strukturelle Arbeitslosigkeit im volkspolitischen
Aspekt.
*
Der Verfasser ist vor allem in d e n Gewerk
schaftskreisen bekannt und ein Begriff, die sich
in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg mit
der Akademie der Arbeit in Frankfurt befaßt
haben. Von 1921 bis 1933 war Dr. Ernst
Michel hauptamtlicher Dozent an der betr. Aka
demie, 1931 wurde er zum Honorarprofessor
in der Wirtschaft«- und sozialwissenschaftlichen
Fakultät der Universität Frankfurt ernannt. Der
Gelehrte hat also seine Lebensaufgabe der wissen
schaftlichen Untersuchung und Förderung eines
wichtigen Teiles der Arbeitswelt gewidmet. Seine
Bücher, Schriften und Vorträge haben in Fach
kreisen und darüber hinaus bei allen an der
Arbeitswelt Interessierten seit Jahrzehnten all
gemeine Aufmerksamkeit erregt. Wichtige Un
tersuchungen sind unangetastet geblieben, über
Weilerungen und Auslegungen mögen manche
Auffassungen auseinandergehen. Diesbezüglich
ist ja niemand sicher, ob seine Ausführungen
nicht mißverstanden oder gar mißbraucht wer
den. Man kann es jedenfalls als ein großes Plus
bez.! ' neu, daß das deutsche Schrifttum auf
diesem wichtigen Gebiet ein solches Werk in
Originalfassung vorlegen kann.
Obwohl die gründliche Behandlung der Ma
terie notwendigerweise eine Reihe von Fach
ausdrücken verlangt, ist die Sprache insgesamt
dennoch so, daß eine breite Schicht sie ohne
weiteres klar versteht. Der kundige Gewerk
schaftler wird die Tatsachen und Theorien, das
reine Wissen und die Meinung auseinanderhal
ten und das Wesentliche nachprüfen können.
Vieles sieht man durch die Lektüre mit den Au
gen des Wissenschaftlers weit ausgebreitet vor
sich. Die Auswirkungen der toten Welt der
Materie auf den lebendigen Organismus des ein
zelnen wie der Gesamtheit erhalten in einer
gründlichen Beleuchtung ihre genaue Definition
Die neuen Erkenntnisse und Bestätigungen, die
jeder für sich und für das Ganze aus diesem
Studium der Probleme gewinnen kann, müssen
unbedingt fruchtbringend sein. Ueber manches
wird man gewerksehaftlicherseits zu diskutieren
haben, die Auffassungen werden zu Vergleichen
und zu Klärungen drängen. Das gewaltige Ge
biet der Arbeitswelt bedarf dringend einer im
merwährenden Diskussion. In der Arbeitswelt,
die aus der kapitalistischen Epoche entstanden
ist, begegnen wir auf Schritt und Tritt gleich
sam einem gordischen Knoten. Was uns einer
Lösung der schwierigen Probleme näherbringt,
ist lebhaft zu begrüßen. Das Werk Ernst Mi
chels ist mit eine Handhabe. - A-
Streik-Bonds. Der Verband der USA-Ge-
werkschaft „Vereinigte Hutarbeiter“ (AFL) hat
die Ausgabe von 500 000 Dollar in 3prozen-
tigen Bonds autorisiert. Herausgeber der Bond»
ist der Verband selbst. Sie werden an seine
in Arbeit stehende Mitglieder verkauft, um
einen langwierigen Streik gegen die Ameri
kanische Hutkoroporation zu finanzieren. Der
Verband hat Streikunterstützungen von 25
und 30 Dollar die Woche drei Monate lang
bezahlt. In den ersten 10 Tagen wurden
200 000 Dollar dieser Bonds verkauft.
7)ie JAeatecaemeinde teilt mit:
HHIIH1IIHI1limHIB»IIIHmitlllt1llll!rtlllHIHHII1HB0II«IUM«HIWll»HHIHIimill!UIIII»
Folgende Veranstaltungen des Stadt
theaters Saarbrücken finden im Monat
November im Rahmen unserer Mieten
statt:
Sonntagsmiete:
15.11.1953: Die Meistersinger von Nürn
berg von Richard Wagner.
Diese Vorstellung beginnt ausnahms
weise um 17 Uhr.
Montagsmiete:
16.11.1953: Wie es euch gefällt! Lust
spiel von William Shake
speare.
Winter-Mäntel
alle Farben und Preislagen
30.11.1953: Die Zauber flöte. Oper von
Wolfgang Amadäus Mozart.
Die Vorstellung am 15. 11. 1953 (Mei
stersinger) ist ausverkauft.
Für alle übrigen Veranstaltungen der,
Sonntags- wie auch der Montagsmiete
können noch einige Abonnements abgege
ben werden. Wir bitten Interessenten, sich
mit der Hauptkasse der Hauptverwal
tung (Brauerstraße 6—8, Zimmer 10)
oder mit den Kreisgeschäftsstellen der
Einheitsgewerkschaft in Verbindung z«
setzen. 1
Dauer«
brandofen
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