Full text: 1952 (0007)

7, fahrgang 
Saarbrücken, Februar 1952 
Nr. 3 
Die Arbeitskammer wird gewählt 
Die Wahlen am 16. und 17. Februar 1952 - Wesen und Aufgaben der Kammer - Die Bedeutung für die Arbeitnehmerschaft 
Seit mehr als einem halben Jahr hat der 
saarländische Landtag das Gesetz über die 
Errichtung einer Arbeitskammer ange 
nommen. Damit wurde die Grundlage für 
eine öffentlich-rechtliche Vertretung der 
fiesamten Arbeitnehmerschaft des Saar- 
le.ndcs geschaffen. Bereits in den Jahren 
1925—1935 bestand im Saarland eine Ar 
beitskammer. die in der Absicht errich 
tet worden war, die Eintracht zwischen 
den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern 
des Saargebietes zu fördern sowie zwi 
schen dem Saargebiet und dem Interna 
tionalen Arbeitsamt eine dauernde Zu 
sammenarbeit zu ermöglichen. Da diese 
Kammer jedoch paritätisch aus Vertre 
tern der Arbeitgeber und der Arbeitneh 
mer zusammengesetzt war, wich sie we 
sentlich von der neu zu errichtenden Ar 
beitskammer ab. Das Bestreben der Ar 
beitnehmer, eine Arbeitskammer zu er 
richten. hat nur zum Ziel eine alleinige 
Vertretung ins Leben zu rufen, die nur 
ihre Interessen wahrnimmt. Dieser be 
rechtigten Forderung entsprechend hat der 
saarländische Landtag den vom Ministe 
rium für Arbeit und Wohlfahrt ausgear- 
beifeten Entwurf über die Errichtung ei 
ner Arbeitskammer für das Saarland zum 
Gesetz erhoben und damit die Grundlage 
für eine öffentlich-rechtliche Vertretung 
der gesamten Arbeitnchmershaft geschaf 
fen. Neben den Interessenvertretungen der 
Arbeitgeber, wie z. B. der Industrie- und 
I bmdclskammer. der Handwerkskammer 
-sowie der LaudwirUehaflskanuncr soll 
künftighin auch eine derartige Vertretung 
de" Arbeitnehmer bestehen. Darüber hin,* 
aus soll eines Tages im Rahmen der 
Durchführung der Wirtschaftsdemokratie 
über diesen Kammern eine saarländische 
V irtschaftskammer errichtet werden, die 
dann paritätisch mit Arbeitgebern und 
Arbeitnehmern besetzt sein soll. So gese 
hen. muß jeder Arbeitnehmer die Schaf 
fung einer Arbeitskammer begrüßen. Es 
ist daher auch als eine selbstverständliche 
Pflicht eines federt Arbeitnehmers zu be 
trachten, an der Wahl zur Arbeitskam 
mer teilzunehmen und sich durch keinerlei 
entgegenstehender Ansichten davon abhal 
ten zu lassen. 
Aufgabengebiet der Hammer 
Die Aufgaben der Aqbeitskamrner sind 
in § 3 vorgenannten Gesetzes enthalten; 
dieser lautet: 
„(1) Zur Zuständigkeit der Arbeitskam 
mer gehören insbesondere 
a) durch Berichte und Gutachten 
Vorschläge zu machen über die 
Regelung von Arbeitsverhältnissen, 
des Arbeitsschutzes, der Sozialver 
sicherung und des Arbeitsmarktes 
sowie über alle wirtschaftlichen 
Angelegenheiten der Arbeitneh 
mer, die auf eine Hebung der so 
zialen und wirtschaftlichen Ver 
hältnisse des Landes abzielen; 
b) Gutachten zu erstatten über die 
Errichtung und Organisation von 
öffentlichen Anstalten oder Ein 
richtungen, welche der Förderung 
der Industrie, des Bergbaues, des 
Gewerbes, des Handels und Ver 
kehrs, des Geld-, Kredit- und Ver 
sicherungswesens sowie der Haus-, 
Land- und Forstwirtschaft dienen; 
c) die Arbeitnehmer in wirtschaftli 
chen und sozialen Angelegenhei 
ten, die ihre allgemeinen Interes 
sen berühren, zu beraten; 
d) die Bestrebungen der einzelnen 
Berufsorganisationen der Arbeit 
nehmer miteinander in Leberein 
stimmung zu bringen; 
e) bei der Ueberwachung der arbeits 
rechtlichen und unfallverhütenden 
Vorschriften die zuständigen Be 
hörden zu beraten; 
f) die Einhaltung der Bestimmungen 
zum Schutze gegen Berufskrank 
heiten. die Besichtigung von Ar 
beitsstätten aller Art, von Dicrist- 
und Werkswohnungen anzuregen; 
g) bei der Gestaltung der Ausbil 
dungsverhältnisse (Lehr-, Anlern- 
und Praktikantenausbildung), so 
wie der Arbeitsverhältnisse ju- 
v goadliidicr Arbeitnehmer beratend 
mitzuwirken und die Durchfüh 
rung der geltenden gesetzlichen 
und sonstigen allgemeinverbindli 
chen Bestimmungen in Zusammen 
arbeit mit den zuständigen Behör 
den und öffentlich- rechtlichen 
Körperschaften zu sichern; 
h) durch Vorschläge die Ausbildung 
des Berufsnachweises und die be 
rufliche Weiterbildung der be 
schäftigten Arbeitnehmer durch 
geeignete Maßnahmen zu fördern. 
(2) Vor Einbringung von Gesetzen durch 
die Regierung, die Fragen der in § 3 Ab 
satz 1 erwähnten Art betreffen, soll der 
Arbeitskammer Gelegenheit zur Stellung 
nahme gegeben werden. Die Erstattung 
von Gutachten muß in einer angemessenen 
Frist erfolgen.“ 
Zusammenarbeit mit Gewerkschaft 
Zu den Aufgaben der Arbcitskammer 
gehört demnach nicht) die Erörterung po 
litischer Angelegenheiten. Ebenso über 
nimmt sie. nicht die Erledigung von Auf 
gaben, die ausdrücklich den Gewerkschaf 
ten Vorbehalten sind (z. B. Abschluß von 
Tarifverträgen, Vertretung vor den Ar 
beitsgerichten). Sic soll den Charakter ei 
nes arbeits- und sozialwissenschaftliehen 
Instituts annehmen, also in 1. Linie For 
schungsinstitut sein, das keine Konkurrenz 
für die Gewerkschaften darstellt, sondern 
diese sinnvoll ergänzt. Beide werden künf 
tighin gemeinsam miteinander arbeiten, 
wie cs die gemeinsamen wirtschaftlichen 
und sozialen Interessen der Arbeitnehmer 
erfordern. 
Wesentlich ist. daß in Zukunft der Ar- 
beiiskammei Gelegenheit gegeben werden 
soll, vor Einbringung von Gesetzen durch 
die Regierung, die irgendwie arbeits- oder 
sozialrechtliche Fragen der Arbeitnehmer 
schaft berühren, dazu Stellung zu nehmen. 
Es ist zu erwarten, daß Gesetzesentwürfe 
auch tatsächlich zur Stellungnahme vor- 
gclegt werden und damit eine fruchtbrin 
gende Zusammenarbeit mit der Regierung 
gewährleistet ist. 
Im einzelnen sind noch folgende Be 
stimmungen des Gesetzes zu beaehten: 
Aufbau und Gliederung 
Die Arbeitskammer besteht aus 30 Mit 
gliedern, die auf Grund von Wahlvor 
schlägen der beiden Gewerkschaften auf 
die Dauer von 4 Jahren gewählt werden. 
Sämtliche in die Kammer gewählte Mit 
glieder können demnach grundsätzlich nur 
gewerkschaftlich organisierte Arbeitneh 
mer sein. Um nun als Einheitsgewerk 
schaft einen entscheidenden Einfluß in der 
Arbcitskammer zu gewinnen, müssen wir 
alles aufbieten, um die Wahl zur Arbeits 
kammer zu unseren Gunsten zu entschei 
den. Nur so wäre die Erfüllung der Auf 
gaben im Sinne der Einheitsgewerkschaft 
gewährleistet. 
Die Mitglieder t\er Kammerversamm 
lung wählen aus ihrer Mitte einen Kam 
mervorstand, bestehend aus 1 Präsiden 
ten, 2 Vizepräsidenten und 2 Beisitzern. 
Kür die Wahl des Präsidenten ist eine 2/3 
Mehrheit erforderlich. Die übrigen Vor 
standsmitglieder werden mit einfacher 
Stimmenmehrheit nach den Grundsätzen 
der Verhältniswahl gewählt. Der Präsi 
dent ist der gesetzliche Vertreter der 
Kammer. Die laufenden Geschäfte der 
Verwaltung der Aibeitskanitiier nimmt 
die Geschäftsstelle nach den Wei 
sungen des Vorstandes wahr. Die Ge 
schäftsstelle wird von einem Geschäfts 
führer geleitet, dessen Bestellung der Zu 
stimmung der Aufsichtsbehörde bedarf. 
Mindestens alle 2 Monate muß die Kam 
mer vom Vorstand eingeladen werden. Au 
ßerordentliche Sitzungen sind cinzuberu- 
fen, wenn 1/3 der Kammermitglieder es 
verlangt. Die Kammer ist beschlußfällig, 
wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglie 
der anwesend ist. Die Beschlüsse der Kam 
mer werden, sow r eit das Gesetz etwas an 
deres nicht bestimmt, mit Stimmenmehr 
heit gefaßt. 
Hinsichtlich der Wahl zur Arbeitskam 
mer sind inzwischen besondere Vorschrif 
ten ergangen, über die an anderer Stelle 
Ausführungen gemacht sind. 
Ergänzend sei noch darauf hingewie 
sen, daß die Kosten der Errichtung dev 
Arbeitskammer vom Staate vorgelegt wer 
den und innerhalb von 3 Jahren nach 
Durchführung der Wahlen zu erstatten 
sind. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhebt 
die Arbeitskammer von allen Teilnehmern, 
mit Ausnahme der Lehrlinge, Anlernlinge 
und Praktikanten Beiträge, die den Ar 
beitnehmern bei den Lohnzahlungen vom 
Arbeitgeber einzubehalten und abzuführen 
sind. Die Höhe der Beiträge ist z. Zt. noch 
nicht festgelegt. 
Stimmzettel 
für die Arbeifskammerwahl 1952 
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Bei der ARBEITSKAMMERWAHL am Samstag und Sonntag, den lö.und l7.Febr. 
geht es um eine wichtige Entscheidung! 
Sichert Eueren Einfluss in der Kammer und damit in der Wirtschaft! 
Das bedeutet: Ein Schritt vorwärts zur Mitbestimmung! 
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Darum: WÄHLTDIE KANDIDATEN DER EINHEITSGEWERKSCHAFT! 
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Keiner darf der Wahlhandlung fernbleiben — Wer nidit wählt, unterstützt die „Cnristlidie Regierung*- 
gewerkschaft" und verhindert eine fortschrittliche Aufwärtsentwicklung in der Sozialpolitik! 
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