Juni 1952
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Eine Klarstellung durch den I.V. Graphik
Die Argumente der Gegner einer Aufhebung des Lizenzzwanges gehen von falschen Voraussetzungen aus...
in der Veröffentlichung einer saarländischen
Tageszeitung unter dem Titel „Was geht in
der Einheitsgewerkschaft vor?“ beschäftigt sich
Bürgermeister Vollmer u. a. mit den Losungen
der Einheitsgewerkschaft zum 1. Mai.
Er bemängelt u. a. dabei die Parole „Weg
mit der Knebelung der Pressefreiheit“. Dazu
ist folgendes zu bemerken:
Der Verfasser hat sich anscheinend nicht die
Mühe gemacht, den rechten Ueberblick zu ge
winnen, sonst würde er sich nicht gegen diese
Losung wenden. Er müßte wissen, daß mit die
ser Parole das Problem der Zulassung bzw.
Nichtzulassung der Lokalzeitungen an der Saar
Zusammenhänge Als Bürgermeister der In
dustriestadt Homburg müßte ihm bekannt sein,
daß fast das gesamte saarländische Buchdruck
gewerbe, ausgenommen die augenblicklich pri
vilegierten Verlagsgesellschaften, schon seit 1948
um die Zulassung der Lokalzeitungen kämpfen.
Aber immer wieder stoßen die klaren Argu
mente auf nicht stichhaltige Widerstande. Der
Artikelschreiber hat bei seiner Veröffentli
chung, um sich nicht von vornherein ins Un
recht zu setzen, bewußt die Hälfte der Losung
weggelassen und nur die Knebelung der Pres
sefreiheit zitiert, während die Lt sung in ihrer
Fortsetzung in folgenden Worten fand: .
und den undemokratischen Lizenzzwang“,
Darauf aber gerade kommt es den Arbe t-
nehmern im l.-V. Graphik, denen jede poli
tische Polemik fernliegt, in erster Linie an. Es
ist hierbei nicht unerheblich, darauf hinzu
weisen, daß weder in Deutschland noch in
Frankreich ein Lizenzzwang besteht.
Es ist unbedingt notwendig, daß die Zentra
lisierung des Zeitungsgewerbes aufhört, damit
eine breitere Basis für Arbeitsinöglichkeiten ge
schaffen werden kann. Im Buchdruckgewerbe
fehlt es schon seit Jahren durch die zentrali
stische Methode an ausreichenden Arbeitsmög
lichkeiten. In diesem Jahre hat sich die Si
tuation noch verschärft. Eine rasche Aende-
rung ist notwendig. Itn graphischen Gewerbe
sind bereits heute, zum Anfang der sogenann
ten Saure-Gurken-Zcit, mehr Arbeitslose vor
handen, als sonst in der ganzen Saison.
Würden die Lokalzeitungen zugelassen, so
könnten die betroffenen Betriebe ihre Beleg
schaften wieder auf den früheren Stand brin
gen. Außerdem würde der Drucksachenmarkt
entlastet, d. h. diese Betriebe nicht mehr aus
schließlich auf Drucksachenaufträge angewiesen
sein und somit diese Aufträge den Akzideniz-
druckereien zugute kämen, von denen sich auch
drei Ln Homburg, im Staatsbereich des Bür
germeisters Vollmer, befinden. Ferner wären
andere Bürgermeister und Ortsvorsteher nicht
mehr gezwungen, ihre Bekanntmachungen durch
einen Polizei- oder Ortsdiener ausschellen zu
lassen. Auch machen wir Bürgermeister V. dar
auf aufmerksam, daß durch das Erscheinen von
Lokalzeitungen die betr. Geschäftswelt mehr
inserieren würde, da dieser die Möglichkeit ge
geben würde, ihre Kundschaft individuell an
zusprechen. Diesen wirtschaftlichen Erwägun
gen kann ein verantwortungsbewußter Bürger
meister sich nicht verschließen, denn man wird
nicht leugnen können, daß gutgehende Betriebe
der einzelnen Gemeinden ihre finanziellen Sor
gen sehr erleichtern bzw. abnehmen.
Zu der Bemerkung der SVZ vom 21. Mai
„Tribüne frei!“ wollen wir einiges in Erinne
rung bringen:
Maßgebliche Kreise, die heute den berechtig
ten Forderungen auf Genehmigung von Lokal
zeitungen absolut ablehnend gegenüberstehen,
haben ira Jahre 1947 einmal selbst energisch
den Standpunkt vertreten, daß z. B. in Neun-
kircheu die Herausgabe einer Lokalzeitung un
bedingt notwendig sei. Daß die Betreffenden
inzwischen ihre Ansichten geändert haben, ist
lediglich darauf zurückzuführen, daß sie bei
der Saarregierung bzw. durch die Saarre^ie-
rung in auskömmliche Positionen gelangt sind.
Daher fließt dem Verfasser in der SVZ der Satz
auch recht flott von der Feder: „Es ist merk
würdig, daß sich Drucker und Setzer über die
angeblich undemokratische Regelung des Presse
wesens im Saarland mokieren und daß das bis
her von denen, die die Zeitung schreiben, noch
nie geschehen ist.“
Die Drucker und Setzer, die sich da mokie
ren, sind jedenfalls gezwungen, den andern Weg
zu gehen, d. h. die alsbaldige Aufhebung des
Lizeiizzwanges zu fordern, und wenn möglich,
diese Aufhebung mit allen gewerkschaftlichen
Mitteln zu erkämpfen.
Wenn es dem „Schreiberüng“ der Bemer
kungen mit seinem letzten Satz „Hier ist bei
uns stets die „Tribüne der Wahrheit frei“ ernst
gewesen wäre, so hätte er auch auf den ersten
Teil des Briefes des Ministerpräsidenten hin-
weisen müssen, in welchem dieser dem Indu
strieverband mitteilt, daß die Genehmigung von
Lokalzeitungen nicht Sache der Regierung,
sondern die Sache des Landtages sei. In dem
von dem Schreiber angeführten Artikel wird
der Ministerpräsident darauf hingewiesen, daß
die Verordnung über die vorläufige Regelung
im Pressewesen noch besteht. Daß diese zur
Zeit „noch“ eine oder besser gesagt „nur eine
Angelegenheit der Regierung ist“, ist doch die
„Wahrheit“ und müßte doch demzufolge loch
Berücksichtigung auf der „Tribüne der Wahr
heit“ finden.
Der Ortsverein des I.V. Granhik, Saarbrfik-
ken, feiert sein diesjähriges Johannisfest am
Samstag, dem 5. Juli, abends 20.00 Uhr, auf
der Bellevue. Es steht ein unterhaltendes Pro
gramm, mit Jubilar-Ehrung, auf der Tages
ordnung. Wir laden hiermit unsere Kollegin
nen und Kollegen mit engeren Familienange
hörigen recht herzlich ein. Eintritt 100 Frs.
Mitarbeit und Mitverantwortung der fern
Nie zuvor ist der Frauenüberschuß so groß
gewesen wie nach dem letzten Weltkrieg. Er
gibt den Frauen eine potentielle Macht. Er
legt ihnen aber auch eine große Mitverant
wortlichkeit an der Lösung der menschlichen,
sozialen und auch der politischen Probleme der
Nachkriegszeit auf. Er fordert ihre volle aktive
Mitarbeit am geistigen wie am materiellen Wie
deraufbau unseres Landes.
Es gibt heute viele Frauen, die sich dieser
Verantwortung voll bewußt sind. Aber wie
steht es mit der Frau im allgemeinen?
Die Last des Alltags drückt schwer die Schul
tern so unendlich vieler Frauen. Jeder Tag
:iat seine eigene Plage — für die Berufstätige,
die meist noch für mittellose Angehörige zu
sorgen hat, und auf die nach der Arbeit oft
Hausfrauenpflichten warten, für die Frau, die
den Mann verloren hat und den Lebensunter
halt für ihre Familie verdienen muß, für die
kinderreiche, ins Joch des Alltags gespannte
Hausfrau. Beschränkte räumliche Verhältnisse
und in vielen Fällen die Notwendigkeit des
Zusammenlebens mehrerer Familien in einer
Wohnung erschweren außerdem das Leben.
Man denkt, arbeitet und sorgt für die Seinen,
und allmählich engt sich der Blick ein, geht
nicht mehr über die eigene Türschwelle hinaus.
Demgegenüber sollte sich jede Frau ihrer
Mitverantwortung und der daraus folgenden
Notwendigkeit ihrer Mitwirkung im öffentli
chen Leben bewußt werden. Mitverantwortung
heißt nicht nur die eigene Bequemlichkeit,
den eigenen Nutzen, die eigenen Sorgen ins
Auge fassen, sondern auch Gedanken und Kraft
auf wenden für das Ganze, für Dinge, die alle
angehen.
Es ist nicht zuletzt die Gewerkschaft, in de
ren Rahmen auch die Frau ihre Stimme erhe
ben kann, wenn sie nur den ehrlichen Willen
dazu hat. Sich an der Arbeit der lokalen Grup
pen, der Gewerkschaft zu beteiligen könnte
für alle Frauen eine gute Vorschule eines Dien
stes an der Gemeinschaft sein. Wo es solche
lokalen Gruppen noch nicht gibt oder wo sich
die Notwendigkeit der Stellungnahme zu ei
ner besonderen Frage aufdrängt, sollte man
es einmal mit der Bildung von Diskussions
gruppen versuchen. Sie brauchen kein Pro
gramm zu haben, sondern lassen sich spontan
bilden, um beispielsweise eine bestimmte Frage
und ihre Lösungsmöglichkeiten zu besprechen.
Es gibt so vieles, was heute entsteht, worüber
die Frauen nicht um ihre Meinung gefragt wer
den, und woran sie doch brennendes Interesse
haben — oder haben sollten. (J. G.)
Pfingstausliug der EG St. (ngüert
Die Ortsverwaltung St. Ingbert unternahm
während der Pfingsttage eine 4-Tagcstour in
die Schweiz. Die Abfahrt erfolgte samstags
früh über Straßburg nach Basel. Der Weg
führte dann weiter über Zürich, am Züricher
See vorbei, nach Maria Einsiedel, unserem
Quartier für die beiden ersten Nächte. Unsere
Sonntagstour führte über Arth nach Gal-
dau. Dort bestiegen wir die Vitznan-Rigi-Bahn,
die ihren großen Hafenplatz in Luzern besitzt.
Von der Uferstation Vitznau fuhren wir in 35
Minuten auf Rigi-Kulm, dem bedeutendsten
Aussichtsberg der Schweiz. Bei dieser bezau
bernden Höhenfahrt fällt der Blick zuerst auf
den tiefblauen Wasserspiegel des Zuger Sees
und erobert dann immer mehr den leuchtenden
Firmenkranz der nahen Schwyzer und Glarner
Alpen. Die mit Schnee bedeckten Alpen lagen
direkt vor uns und nach drei Stunden Aufent
halt ging es wieder ins Quartier.
Montags fuhren wir dann nach Luzern an
den schönen Vierwaldstätter-See, wo wir
längere Zeit Aufenthalt hatten. Gegen Abend
ging es dann am Sempacher See vorbei nach
Sursee. wo wir die letzte Nacht verbrachten.
Sursee ist klein, dennoch hat es sehr viel ani
Besinnlichem und Beschaulichem zu bieten, und
es hütet in und um sich idyllische Winkel und
Plätzchen.
Schweren Herzens hieß es tagsdarauf Ab
schied nehmen. Empfänge und die Unterkünfte
in dem schönen Schweizer Land waren aus
gezeichnet und somit kein Wunder, daß die
Fahrt zur vollen Zufriedenheit aller Teilneh
mer endete.
Auf vielseitigen Wunsch findet am 15. Au
gust 1952 (Maria Himmelfahrt) eine Omnibus
fahrt nach Heidelberg, über Speyer, Schwetzin
gen, über Bad Dürkheim zurück, statt. Es
wird jetzt schon hierauf hingewiesen. Interes
sierte Teilnehmer bitten wir, sich auf derKreis-
geschäftsstelle der Einheitsgewerkschaft St.lng-
tert, St, Barbara-Straße 6, zu melden.
August Wals
ein Gewerksclraftsveteran
Dieser Tage besuchte uns Kollege August
Wals. Wals trat 1898 bereits in die Gewerk
schaft ein, damals in Freiburg i. B. 1899 kam
er an die Saar und war der Mitbegründer des
Verbandes der Bäcker und Konditoren und de
ren Vorsitzender. Es ist interessant, den heute
81jährigen anzuhören. Damals war es am be
sten für die Bäckergehilfen auf dem Lande.
In der Stadt wurden fast nur junge Kräfte ein
gestellt, mit denen man machen konnte, was
man wollte. Als Gehilfe gab es 12 Mark die
Woche und freie Station. Urlaub gab es über
haupt nicht. Sonntags war regelmäßig Arbeit
bis 10 Uhr (Bäcker und Metzger hielten vor
dem 1. Weltkrieg sonntags durchweg geöffnet.)
Wals schilderte lebendig das damalige Wir
ken als Gewerkschaftler. Es war vor 50 Jah
ren manches schwieriger als heute. Wie schwer
war es, überhaupt ein Lokal für die Versamm
lungen unter der Herrschaft Stumm-HLlger zu
bekommen. Man mußte oft in die Umgebung
gehen, um ein Lokal zugesagt zu erhalten.
Urlaub gab es für die Gehilfen im heutigen
Sinne überhaupt nicht. Bei nächster Gelegen
heit werden wir die Erfahrungen und Erinne
rungen des noch rüstigen Kollegen, die be
stimmt die Aufmerksamkeit unserer Leser wek-
ken werden, ausführlicher veröffentlichen-
ßundes-Angestelltentag des DGß
Dieser aktuelle Bericht eines Saarlän
ders verschafft einen guten Einblick in eti-
nen umfangreichen Fragenkomplex, der
auch uns an der Saar stark interessiert.
Für die Angestellten des Deutschen Gewerk
schaftsbundes fand in der Zeit vom 25.—27.
April 1952 in Stuttgart der
ßundes-Angestelltentag
statt. Die Tagung war die erste ihrer Art. An
ihr nahmen 500 Delegierte aus allen Teilen der
Bundesrepublik teil, außerdem waren etwa 100
Gäste geladen, zu denen auch v wir zählten. Un
sere Tischkarten waren mit der Aufschrift „Ein
heitsgewerkschaft Saargebiet“ gekennzeichnet.
An der Tischreihe neben uns hatten die Gast
delegierten der ausländischen Gewerkschaften
Platz genommen, u. a. konnte man die Tisch
wimpeln der Niederlande, Belgien u. a. m. se
hen, was mir jedoch auffiel, war, daß keine
französischen Gewerkschaftsvertreter anwesend
waren.
Einen festlichen Auftakt erhielt die Tagung
durch zwei musikalische Vorträge, dargebracht
vom Philharmonischen Orchester der Stadt
Stuttgart. Eis folgte dann die Begrüßung der
Gäste und Delegierte, unter denen man nam
hafte Persönlichkeiten sah, so den Präsidenten
des DGB, Christian Fette, den Bundesarbeits-
minister Storch, den Oberbürgermeister von
Stuttgart, ferner Vertreter des IBFG, die Wit
we des verstorbenen Präsidenten Hans Böckler
u. a. m. Nach der Begrüßung der Gäste er
folgte die Worterteilung an dieselben, die ihrer
seits die Grüße ihrer Gewerkschaften über
brachten und der Tagung einen guten Verlauf
wünschten. Die Begrüßung der saarländischen
Gäste war überaus herzlich. Der Sprecher der
Saardelegation, der die Grüße der Einheits
gewerkschaft überbrachte, bedauerte, daß wir
auf diesem Kongreß nur als Gastdelegierte ge
laden seien. Er bemerkte weiter, daß die 1947
geschaffene Grenze besser nicht da wäre, doch
hätte diese Grenze nicht vermocht, uns inner
lich auseinanderzureißen, im Gegenteil, auf un
serem letzten Landeskongreß sei der allgemeine
Wunsch zum Ausdruck gekommen, auch mit
dem DGB aufs engste zusammenzuarbeiten,
Christian Fette überbrachte die Grüße de«
Bundesvorstandes und führte am Schlüsse sei
nes mit Begeisterung aufgenommenen Referates
aus:
Je geschlossener und stärker die Phalanx der
im DGB organisierten Schaffenden ist, um so
mehr werden wir allen Widerständen gewach
sen sein. Der DGB mit seinen 6 Millionen
Mitgliederen, darunter rund 650000 Angestell
te, wird zur Erfüllung seiner Aufgaben den
Faktor darstellen, den man in Zukunft nicht
übergehen kann.
Kollegialität und Solidarität müssen wieder
zu den tragenden Pfeilern der Deutschen Ge
werkschaftsbewegung werden, dann geht es auf
wärts.
Es folgte nun der Geschäftsbericht, vorge
tragen von dem Kollegen Hans Böhm, Haupt
abteilungsleiter und Mitglied des Bundesvor
standes im DGB.
Seinen Ausführungen war zu entnehmen, daß
der Grundsatz: Ein Betrieb — eine Gewerk
schaft — sioh als richtig erwiesen und folge
richtig dazu geführt hat, daß Arbeiter, Ange
stellte und Beamte gemeinsam um die Lösung
gewerkschaftlicher Aufgaben und Probleme rin
gen. Um eine einheitliche Vertretung der be
sonderen Interessen der Angestelltenmitglicder
zu sichern, wurden besondere Richtlinien für
die Angestelltenarbeit im DGB erlassen. Auf
Grund dieser Richtlinien wurde ein Angestell
ten- und Beamtensekretariat errichtet. Inner
halb des Angestelltensekretariats bestehen vier
Abteilungen, und zwar: Angestellte allgemein
— kaufmännische und Verwaltungsangestellt«
— technische Angestellten und Werkmeister.
Außerdem ist als Bestandteil der kaufmänni
schen Angestellten eine Uebungsfirmenzentrale
angeschlossen.
Die Mitgliederentwicklung bei den Angestell
ten bezeichnete er als außerordentlich positiv.
Zu Beginn des Jahres 1950 waren 505 000 An-
estetlte organisiert, während Ende 1951 dies«
ahl auf 638 000 gestiegen war. Dies ent
spricht einer Mitgliederzunahme von fast 2? o/o
innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren.
Bei den weiblichen Angestellten allerdings wur
de ein Rückgang von 2 bis 3 o/o verzeichnet.
Der DGB vereinigt somit ca. 65o/o aller or
ganisierten Angestellten und Beamten in sei
nen Reihen und hat doppelt soviel Angestellten
mitglieder wie die DAG, die ja, wie bereits
erwähnt, eine reine Angestelltengewerkschaft
darstellt.
Zu der Berufslage und dem Nachwuebspro-
blein nahm der Kollege Böhm eingehend Stel
lung. Bis zur Jahrhundertwende und teilweise
noch bis zum ersten Weltkrieg zählten die An
gestellten überwiegend zu qualifizierten Arbeit
nehmern. Die Ausweitung der Technik und der
Uebergang zu neuartigen Arbeitsmethoden schu
fen hier eine Aenderung. Das Zerlegen der Ar
beitsvorgänge in viele Einzelteile erforderte eine
Vermehrung des Personals in Büro und Ver
waltung, besonders der Kategorie, die einfache
Büroarbeiten verrichtete. Außerdem wurde
durch die Einführung der verschiedenartigsten
Büromaschinen viele Tätigkeiten der Angestell
ten mechanisiert und schematisiert. Die Tech
nisierung vieler Büro- und Verwaltungstätigkei
ten und die Ausweitung des Formularwesens
haben ferner dazu geführt, daß nicht nur An
gestellte mit qualifizierter Lehrausbildung und
längerer Berufserfahrung Büroarbeiten verrich
ten können, sondern oftmals auch Kräfte mit
kurzer Anlerntätigkeit. So war es möglich, daß
bereits nach dem ersten Weltkrieg Frauen und
Mädchen in stärkerem Umfange Tätigkeiten
aufnahmen, die bisher nur von qualifizierten
Angestellten ausgeübt wurden und außerdem
Kriegsbeschädigte aus den manuellen Arbeitsbe
reichen in diese Berufszweige aufgenommen
werden mußten. Besonders bemerkenswert ist,
daß die Zunahme des Anteils der weiblichen
Angestellten von der Jahrhundertwende bis heute
fast 450 o/o, bei den männlichen Angestell
ten dagegen nur 23 o/ 0 ausmacht. Dies führte
int der Folgezeit dazu, daß unter den Angestell
ten das Angebot an Arbeitskräften wesentlich
höher ist, als Arbeitsplätze vorhanden sind. Be
sonders die älteren Angestellten sind die Leid
tragenden dieser Entwicklung. So beträgt der
Anteil der arbeitslosen männlichen Angestell
ten über 45 Jahre 52 o/o, bei den Arbeitern
dagegen nur 23 °/o. Bei den weiblichen Ange-
gestellten war das Verhältnis wesentlich günsti
ger. Ueber 45 Jahre alte arbeitslose weibliche
Angestellte gab es nur 23 0' 0 , gegenüber 24 «/o
der weiblichen Arbeiterinnen. Um dieser Be
rufsnot der älteren Angestellten entgegenzu-;
wirken, wurde seitens des DGB eine sog. Ak
tion für ältere Angestellte gestartet. Zur Er
reichung dieses Zieles wurde die unbedingte
Einhaltung des Achtstundentages gefordert
und auch die Ueberstundenleistung abgelehnt.
Leider gibt es auch heute noch in der Bundes
republik viele Angestellte, die für geleistete!
Ueberstunden nicht einmal eine Vergütung fot-
dern.
Das Ueberangebot an Angestellten hat aber
auch andere Ursachen, besonders wenn wir uns
das Nachwuchsproblem näher betrachten. In
unverantwortlicher Weise wird mitunter eine
überspannte und überzüchtete Lehrlingspolitik
betrieben, die das Eingreifen des DGB erfor
derlich machte. So wurde beispielsweise fest
gestellt, daß die Hälfte aller bei den Industrie-
und Handelskammern erfaßten Lehrlinge dem
kaufmännischen Sektor angehören und davon
wieder die Hälfte im Einzelhandel beschäftigt
wird. Wenn aber andererseits die Zahl der ar
beitslosen Angestellten von 1950 bis 1951 auf
das Doppelte gestiegen ist, dann muß hier et
was nicht stimmen und dieser Tatsache eine
bestimmte Absicht zugrunde liegen. Der DGB
hat in Anbetracht dessen an den Deutschen In
dustrie -und Handelstag einen Antrag gestellt,
die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann.
nach Möglichkeit einzuschränken und das Be
rufsbild „Bö-agehilfin“, die sog. Anlernlinge,
das seit 1941 besteht, und eine zweijährige Aus
bildung vorsieht, aufheben zu lassen. Der er
ste Antrag ist noch in der Schwebe, während
der zweite der Ablehnung verfiel. Hier sei
noch vermerkt, daß in dem Berufszweig „An
lernlinge“ durchschnittlich 35 o/o aller Prüf
linge, und bei den Lehrlingen mit dreijähriger
Lehrzeit 18 o/ 0 der Prüflinge die Lehrabschluß
prüfungen nicht bestehen.
(Schluß folgt)