Full text: 7.1952 (0007)

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April 1952 
sundbeit zu Markte tragen, von dem Pro» 
dukt ihrer Arbeitsleistung den geringsten 
Anteil bekommen? Ist es menschenwürw 
dig, daß diejenigen, die ihre Gesundheit 
und ihr Leben riskieren, von dem Ertrag 
der Arbeit am wenigsten profitieren? 
Ist es eine gute Ordnung, wenn Land 
striche, die reich sind an Bodenschätzen, 
hin und her gezerrt werden? 
Wir vom DGB haben den dringenden 
Wunsch, wenn Sie jetzt die Struktur der 
Gewerkschaft überprüfen, daß dann die 
Beschlüsse der Organisation der Einheits 
gewerkschaft an der Saar zum Nutzen ge 
reichen mögen, damit ihre Schlagkraft in 
Zukunft verstärkt werde.“ 
Kollege Schwöb als Vertreter der Force 
Ouvriere überbrachte die Grüße von 
1 800 000 französischen Gewerkschaftlern. 
Er führte aus, daß die Haltung der fran 
zösischen Gewerkschaftsbewegung, die ge 
nau wie die der Saar der freien Gewerk- 
schaftSintcrnationale angehört, eine ein 
wandfreie ist. 
Wenn ich Ihnen nun in 2 Sätzen vor- 
führe, daß es noch vor kurzer Zeit, 3 
Jahre sind es her, Leute gab, die damals 
schon versuchten um die Beibehaltung der 
Kaufkraft der Löhne der Arbeiter und 
Angestellten zu kämpfen um die Einfüh 
rung der gleitenden Lohnskala zu garan 
tieren. Wir waren es damals, die als so- 
' genannte Staatsverbrecher, als die Feinde 
unseres Landes betrachtet wurden, und 
heute brauche ich Ihnen nicht zu sagen, 
mit welcher Gewandtheit das Gewehr von 
der rechten auf die linke Schulter geholt 
worden ist. Das sind Dinge, die nicht im 
mer so ohne Reibung vor sich gehen. 
Gewerkschafts- und Wirtschaftsprobleme 
Kollege Wacker behandelte dann aus 
führlich die wirtschaftliche Entwicklung 
an der Saar und die Tätigkeit der Ge 
werkschaft. Er wies auf die Produktions- 
Steigerungen hin, aber auch auf die für 
eine Weiterentwicklung notwendigen ent 
scheidenden Maßnahmen. 
Die Benachteiligung besonders des süd- 
deutjjchen Marktes müsse aufhören. Die 
Investitionen an der Saar seien in den 
zurückliegenden Jahren hauptsächlich auf 
Kosten der Löhne und Gehälter durchge 
führt worden. 
Der Kollege befaßte sich weiter mit 
der Wyqfofrage und verlangte daß die 
Warndtkohle dem Saarland erhalten 
bleibe. Er wies ferner hin auf die Tätig 
keit der saarländischen Gemeinnützigen 
Baugenossenschaft die bis Ende 1951 ins 
gesamt 471 Wohnungen im Werte von 
über 592,8 Mill. frs. erstellt habe. Kritisch 
waren die Feststellungen zur Entwicklung 
der Sozialversicherung wobei er die Be 
strebungen geißelte, dieses starke lei 
stungsfähige Gebäude auseinanderzurei 
ßen. 
Die gewerkschaftliche Forderung auf das 
Tarifvertragsrecht für alle Arbeitnehmer 
wurde deutlich herausgestellt. Die gesamte 
EG werde hierbei solidarisch mit dem I. V. 
Bergbau kämpfen. Bezüglich des Betriebs 
rätegesetzes mit Mitbestimmung werde zut 
Zeit heftig um jeden Paragraphen in den 
Parlamentsausschüssen gerungen. 
Der Redner wies auf die enge und er 
sprießliche Verbindung der EG mit den 
IBFG hin und faßte dann die gewerk 
schaftliche Zielsetzung in besonderen 
Punkten zusammen. 
(Wir werden im einzelnen noch von Fall 
zu Fall auf dieses und die anderen Refe 
rate, die sich anschlossen, eingehen. Die 
wesentlichen Aufgaben der Einheitsge 
werkschaft, die in den Referaten eben 
falls anklangen, und für die es in der 
nächsten Zeit zu kämpfen gilt, sind in 
den in dieser Ausgabe abgedruckten Lo 
sungen zum 1. Mai genau festgelegt,)- 
An die Referate und Berichte schloß 
sich eine lebhafte Diskussion. Die Dele 
gierten waren dabei von dem Willen ge 
tragen, die Gewerkschaftsziele zu fördern 
und das beste # aus der gegebenen Situa 
tion herauszuholen. 
Auch auf die Diskussionen wird dem 
nächst noch näher eingegangen werden. 
Die Bericht* werden im einzelnen von den 
vielfältigen Anstrengungen und Erfolgen der 
Gewerkschaftsarbeit schwarz auf weiß Zeugnis 
geben. 
Änderung des Zustandes an der Saar 
Wenn ich Ihnen sage, daß wir in die 
ser Nachkriegsperiode ganz bestimmt eine 
Reihe von sozialen Errungenschaften un 
ser eigen nennen können, daß wir bei 
spielsweise über das Gesetz über die So 
zialversicherung und viele andere Ge 
setze stolz sein können. 
Was beispielsweise den berühmten Ver 
trag von Kohle und Eisen anbetrifft, so 
wissen wir, daß in diesem Schumanplan 
nicht alles Gold ist was glänzt, aber wir 
wissen auch, daß dieser Schumanplan für 
uns und für Euch alle ein wesentlicher 
Unterschied bedeutet zwischen den inter 
nationalen Eisen- und Stahlkartellen von 
vor dem Kriege. Es ist eine ganz eigen 
tümliche Einheit, die sich von links bis 
zur Reaktion manifestiert und wo auch 
wir als Arbeiter unsere Schlußfolgerun 
gen zu ziehen haben. 
Mr. Harnist überbrachte die Grüße des 
Chefs der diplomatischen Vertretung 
Frankreichs an der Saar. 
Herzliche Glückwünsche. Kollege Lud 
wig Lahr aus Luisenthal beging am 1, 
April 1952 sein oOjähriges Berufsjubiläum 
Fünf Jahrzehnte hat er seine Arbeitskraft 
»nd sein Können im Beruf gegeben. Aber 
er sah auch schon bald nach Aufnahme 
seiner Berufslaufbahn die Notwendig 
keit der Gewerkschaftsorganisation, und 
so hat er jahrzehntelang auch in der Or- 
f amsation vorbildlich für den sozialen 
ortschritt gekämpft. Dem Kollegen herz 
lichen Glückwunsch! 
/Im Anschluß.an seine Wahl zum 1. Vor- 
/ sitzenden unterstrich Ku.ta-<vh die fast 
einstimmige Wahl des bisherigen Prä 
sidenten Wacker zum Ehrenpräsiden 
ten, wies gleichzeitig auf die Entwick 
lung in der Vergangenheit hin und 
knüpfte an die Betrachtungen über die 
Gegenwart und die Zukunft den Ausdruck 
guter Hoffnungen. Er fuhr fort: 
Kollegen! .Wenn wir den ganzen Fra 
genkomplex an der Saar näher betrachten, 
finden wir, daß Ursachen dazu vorwie 
gend in dem derzeitigen Zustand selbst zu 
suchen sind. Deshalb, Kollegen, muß die 
General forderung der Einheitsgewerk 
schaft in Zukunft lauten: 
Aenderung des derzeitigen Zustandes 
an der Saart 
Wir lehnen es ab nach jedem Kriege wie 
ein Bienenkorb an einen fremden Staat 
verpachtet zu werden. Wir wollen endlich 
selbst die Frucht unserer eigenen Arbeit 
ernten. 
Kollegen! Wenn in den vergangenen Ta 
gen die Saarfrage in Paris erörtert wurde 
und eine Lösung zwischen Frankreich und 
Deutschland unter Hinzuziehung von Ver 
tretern der Saar angestrebt werden soll, 
so haben wir folgendes dazu zu erklären: 
Eine evtL Vereinbarung der drei Partner 
— Frankreich, Deutschland und Saar —, 
die durch den Landtag sanktioniert wer 
den soll, können wir bei der heutigen Zu- 
ammensetzung des Landtages unter kei- 
en Umständen anerkennen. Wir sind da- 
fvon entfernt eine Heim-ins-Reich-Poli- 
"tik in Szene zu setzen, wie das 1935 oder 
vor 1935 der Fall gewesen ist Wir wissen, 
daß die Geschichte sich nicht mit densel 
ben Methoden wiederholt, wohl stellen wir 
ähnliche Formen fest, aber ich glaube es 
deutlich zu sagen, wenn ich folgenderma 
ßen unseren Standpunkt formuliere: 
Bei einer Lösung der Saarfrage ziehen 
wir Deutschland vor, weil die deutsche 
Sprache, Art und Kultur uns eigen sind. 
Wir sind aber auch mit einer europäischen 
Lösung einverstanden, wenn keine franzö 
sische Vorherrschaft die Voraussetzung ist 
und wir unser Eigenleben in Freiheit auf 
bauen können. Wir wollen endlich selbst, 
wie alle anderen Völker unser Schicksal 
in Freiheit gestalten. Ich glaube, diesen 
AnspfücÜ”“sfeffen die Völker überall, und 
der Anspruch ist auch berechtigt, wenn 
er vom Saarvolk gestellt wird. 
Kollegen! Was haben wir als Gewerk 
schaftler zu tun, um in Zukunft unsere 
Forderungen zu untermauern? Die von 
mir gehaltene Ansprache erhebt keinen 
Anspruch auf eine programmatische Rede,' 
die kann man nicht einfach aus dem Steg 
reif halten. — Wir müssen in erster Linie 
einander näher kommen, wir müssen ak 
tiver denn je den Gewerkschaftsgedanken 
in unserer Umgebung, auf der Arbeitsstelle 
und apeziell unter der Jugend propagie 
ren. 
Kollegen! Die Wahrung der parteipoll^ 
tischen und religiösen Neutralität muß na 
türlich bei uns oberster Grundsatz sein. 
Wir werden uns wohl bei allen Forderun 
gen oder bei speziellen Forderungen im 
mer der Transmission des Parlaments und 
der Parteien bedienen müssen, ohne daß 
wir uns dabei fest an eine Partei binden. 
Wenn dabei diese oder jene Partei einmal 
den Torzug haben soll, so darf dadurch 
in keinem Falle eine Eifersucht unter den 
Funktionären und Mitgliedern entstehen, 
die einer anderen Partei angehören. Wir 
müssen die Kraft aufbringen, uns auch 
einmal aus der Parteidisziplin herausrei 
ßen auf die überparteiliche Ebene, um als 
geschlossener Block wie ein Alpdruck auf 
Parlament und den Parteien zu la 
sten. 
Nur dann werden wir Erfolg haben in 
der Zukunft und unsere Basis erweitern 
können, wenn wir die parteipolitische und 
religiöse Neutralität wahren, wenn wir die 
Kraft aufbringen, die Parteidisziplin ab 
zulehnen in dem Moment, wo wir auf die 
Gewerkschaftsebene treten. Die Gewerk 
schaftsdisziplin muß über der Parteidiszi 
plin stehen, weil die Gewerkschaftsarbeit 
zur Zeit an der Saar die wichtigste ist, 
Darum, Kollegen, soll jeder Funktionär, 
jeder Delegierte, der an diesem Kongreß 
teilgenommen hat, den Vorsatz mitneh 
men: 
Wir wollen in erster Linie draußen den 
Mitgliedern beweisen, daß, wenn gewerk 
schaftliche Forderungen, ganz gleich wo, 
auf der Tagesordnung sind, wir dieselben 
unterstützen, selbst unter Aufgabe des 
Fraktionszwangs. 
In diesem Sinne wollen wir diesen Kon 
greß als neuen Ausgangspunkt betrachten 
für unsere kommende Entwicklung. Wir 
wollen hinausgehen, in dem festen Vor 
satz: Dieser Kongreß war der Anfang zu 
einer Weiterentwicklung der Einheitsge 
werkschaft. Wir wollen hinausgehen in 
dem Gedanken und dem Vorsatz: 
Vorwärts immer, 
rückwärts nimmer. 
Der Kongreß fand in einer Periode 
stärkster Spannungen statt. Ausgesprochen 
reaktionäre Tendenzen gegen die Arbeit 
nehmerschaft zeichnen sich in immer stär 
kerem Maße am wirtschaftspolitischen 
Horizont ab. Man wird diese Tendenzen 
aufmerksam verfolgen, um dem möglichen 
Konflikt, der sich auf immer breiterer 
und höherer Ebene entwickelt, mit Tat 
kraft begegnen zu können. Die Verschär 
fung ist nicht zu verkennen. Schon wie 
derholt haben Scharfmacher auf der Ge 
genseite betont, man müsse die Gewerk 
schaften einmal in die Defensive treiben. 
Die Gewerkschaft nimmt diese Heraus 
forderung an. Wenn die Entwicklung 
große Ausmaße annehmen wird, dann sol 
len sich die Urheber, die so gerne den 
starken Mann gegenüber der Arbeitneh 
merschaft markieren wollen, gesagt sein 
lassen, daß diese Politik leicht zum Ve*> 
hängfiis für sie werden kann.' 
Empörung 
der Bergarbeiter wächst! 
Der Konflikt über den Schiedsspruch 
spitzt sich zu. 
Der Saarbergbau und damit die Saar- 
bergarbeiterschaft steht seit Wochen 
durch den Konflikt über den Schieds 
spruch betr. Lohnforderung und Tarifver 
tragsfreiheit im Mittelpunkt des gesam 
ten öffentlichen Interesses. Die Bergarbei 
terverbände haben in verschiedenen ge 
meinsamen Beratungen Stellung genom 
men und das Ergebnis der Verhandlungen 
der gemischten Kommission in Paris be 
kanntlich abgelehnt. Kollege Kutsch er 
klärte zu dem Pariser Ergebnis u. a.: 
Das Ergebnis der Verhandlungen der 
Gemischten Kommission ist der klare Be 
weis dafür, daß durch die Konventionen 
die Saarregicrung ünd damit das ganze 
Saarvolk von Frankreichs Gnaden abhän- 
gig ist“ Der I. V. Bergbau werde in Kürze 
seine weiteren Dispositionen treffen, die 
notwendigerweise auch auf der politischen 
Ebene ausgetragen werden müßten. Die 
gesamte Einheitsgewerkschaft werde die 
Bergarbeiter in diesem Kampfe unter 
stützen, wie es in der Erklärung des Ge 
werkschaftsausschusses am 19. 3. 1952 
beschlossen wurde. 
Als die beiden Gewerkschaftsverbände 
den befristeten S t r e i k am 3. 4. beschlos 
sen, um auf den Ernst der Situation be 
sonders hinzuweisen, vernahm mau die 
theatralische Meldung aus Paris, die Ver 
handlungen der Wirtschaftskommission 
könnten nicht eher beginnen, bis der 
Streik beendet sei, da man unter Druck 
... usw. Dabei war die Befristung des 
Streiks von vornherein bekannt. 
Die Gewerkschaftler nehmen die Dinge 
nicht auf die leichte Schulter, sind aber 
auch entschlossen zu handeln und zu ei 
nem positiven Ziele zu kommen, um her 
auszuholen, was von Rechtswegen gebührt. 
In mehreren Gewerkschaftsausschußsit 
zungen und in weiteren gemeinsamen Be 
sprechungen der beiden Berufsverbände 
wurde zu der Entwicklung erneut Stellung 
genommen. 
In einer Verlautbarung hieß es: 
„Der Industrieverband Bergbau der EG 
und die Gewerkschaft Christlicher Saar 
bergleute appellieren noch einmal an alle 
Verantwortlichen. Die Bergleute an der 
Saar fordern, in Ansehung dessen*, daß 
die Konventionen auf dem Verhältnis ech 
ter Partnerschaft beruhen sollen und ge 
stützt auf Verfassung und Gesetz, ihr un 
abdingbares Recht mit aller Konsequenz. 
Der Industrieverband Bergbau der Ein 
heitsgewerkschaft und die Gewerkschaft 
Christlicher Saarbergleute erwarten bis 
zum 15. 4. 1952 eine befriedigende Erklä 
rung der saarländischen Regierung, da nur 
eine solche geeignet ist, den Arbeitsfrieden 
an der Saar aufrechtzuerhalten.“ 
Am Dienstag, dem 15. 4., hatten die 
Vertreter der beiden Gewerkschaften eine 
mehrstündige Besprechung mit Minister 
präsidenten Hoffmann. Es ergaben sich 
aber keine neuen positiven Gesichtspunkte 
und die Vertreter der beiden Bergarbei 
tergewerkschaften werden noch einmal 
von starkem Verantwortungsbewußtsein, 
aber auch klarer gewerkschaftlicher 
Grundhaltung aus getragen, erneut den 
Sachverhalt prüfen und die Entscheidun 
gen die diktiert sind von dem Interesse 
und dem Willen der Mitglieder, treffen. 
Saarmesse. Di« diesjährige Saarmesse wird 
das Interesse weiter Kreise finden, nicht zuletzt 
auch der Arbeitnehmerschaft, deren Arbeits 
kraft von Kopf nnd Hand sich hier im Endpro 
dukt manifestiert. 
* 
Lohnerhöhung erkämpft. Der Streik der 
12 000 Angestellten der Ohio Bell Telephon« 
Company ging zu Ende, nachdem die Gesellschaft 
eine Lohnerhöhung von 7 Dollars in der Vt oohe 
zugestanden hatte.
	        
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