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DER EINHEITSGEUIERHStHRFTEN DER ARBEITER, ANGESTELLTEN UND DERIT1TEN
4 ‘Jahrgang
Saarbrücken, 5. Januar 1950
Nr. 1
Die Botschaft hör' ich wohl...
Den schaffenden Menschen frei zu raa*
chejj. seine und seiner Familie Existenz zm
sichern, dem schaffenden Menschen die
Achtung zu verschaffen, auf die er als
wichtigstes und nützliches Glied in Wirt*
Schaft und Staat Anspruch hat, ihm die
Sorge für das Alter abzunehmen, diesem
Ziel war auch im zurückliegenden Jahjs
unsere ganze gewerkschaftliche Arbeit
und unser Streben gewidmet. Im Geiei
kameradschaftlicher Zusammenarbeit tup?
ben wir diese unsere Arbeit zum Besteh
der Gemeinschaft geleistet. Sind auch
manche unserer^Hoffnungen und Forde
rungen unerfüllt geblieben infolge der ver
schiedenen Schwierigkeiten, die dabqt
hindernd im Wege standen, so können wtf
dabei doch mit Befriedigung auf das Ge
leistete und Erreichte zurückblicken,
Ueberzeugt von der Notwendigkeit des
Gewerkschaftsgedankens haben auch im
verflossenen Jahr dank der Mitarbeit un
serer Funktionäre Tausende den Weg zui
Einheitsgewerkschaft gefunden. Dank aber
auch allen unseren Mitgliedern, die uns
i rr Vertrauen geschenkt und - uns ihr<*
Treue gehalten haben. Dank unseren Be
triebsräten. Betriebsvertrauensmännern,
Vorständen und Vorstandsmitgliedern für
ihre restlose Hingabe und ihre Mitarbeit
an der Bessergestaltung der Lebenslage
der arbeitenden Menschen des Saar>-
landes.
Ein Rückblick auf die wirtschaftliche
Entwicklung zeigt uns, daß die Arbeit
nehmerschaft des Saarlafides im verflos
senen Jahr wie. in den übrigen Jahren
seit dem Zusammenbruch erneut deneirt^
heutigen Willen bekundet hat, alle Kraft
zun Aufbau unserer Heimat und ihrer
Wirtschaft zum Wohle der Gemeinschaft
eiizusetzen. Trotz alledem müssen wir
mit Bedauern feststellen, daß eine volle
Anerkennung und ein Ausgleich für diese
Leistung den schaffenden Menschen ge
genüber: keinesfalls emgeireten ist, -hswi»-
dem trotz steigender Produktion in der
gesamten saarländischen Industrie hat
sich die Lebenshaltung wesentlich ver
schlechtert.
Wenn bei allen passenden Gelegenhei
ten über den Fleiß der schaffenden Men
schen Lobenswertes gesagt wurde, wenn
immer wieder aus dem Munde der ver
schiedenen prominenten Redner zum Aus
druck kam, daß der schaffende Mensch
im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen muß,
so dürfen wir wohl heute sagen: ,,Dife
Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt
der Glaube“, denn bis heute vermissen
wir die Taten, die diesem. Lob zu folgen
selbstverständlich wären. Mit der zuneh
menden Entfernung vom Zusammenbruch
und vom Krieg scheint es uns, als ob die
hinter uns liegende Notzeit bei sehr vie
len längst wieder in Vergessenheit ge-
ra en, nachdem die Trümmerhaufen nicht
mehr sichtbar und zum großen Teil besei-
tint sind. Nicht zuletzt sind es dieselben
Menschen bei denen alles in Vergessen
heit geraten ist, die zu der Zeit, als
die Arbeiter des Saarlandes unter
den unglücklichsten Verhältnissen ans
Werk gingen, um die zerstörten Be
liebe wieder aufzubauen, den völlig dar-
nicderliegenden Verkehr wieder m Gang
zu setzen, als die Angestellten und Be
amten wieder in die verwaisten Verwal
tungen gingen, Ordnung schufen und sich
bemühten den notleidenden Menschen zu
helfen, nicht den Mut aufbrachten, sich
io der Oeffentlichkeit am Aufbauwerk mit
zu beteiligen. Nachdem der Rohbau des
Wirtschaftsgebäudes nun errichtet ist
sind es dieselben, die glauben, jetzt die
Im enräume besetzen und mit ihrem alten
Geist erfüllen zu können. Viele von ihnen
leben noch m der Vorstellungswelt von
1933. sie haben vergessen, daiß eine Welt
zusammengestürzt ist. Das kann uns je
doch n’chi davon abhalten, auch im neu en
Jahr für das gesteckte Ziel der sozialpo
litischen und Wirtschaftspolitischen Neu
gestaltung innerhalb des Saarlandes alle
unsere Kräfte ein zu setzen-.
Keinesfalls verkennen wir die schwere
Belastung des Sozialetats des Saarlandes,
keinesfallls verkennen wir auch die im
verflossenen Jahr gemachten Anstrengunr
gen. um die Lebenslage der Rentner, Wifec
wen und Weiten, der Kriegsbeschädigten
und Körperbehinderten zu verbessern.
Trotz alledem werden und müssen wir
euch im neuen Jahre erneut an unseren
iForderungön Festhalten, daß Pensio en
tm:i Renten ensprechend der Teuerung den
Löhnen und Gehältern angepaßt werden,
damit die Menschen, die ihr Leben lang
der Gemeinschaft gedient, wenigstens in
etwa sorgenlos ihren Lebensabend be
schließen können.
(Fortsetzung Seite 2)
Gewerkschaft in Aktion
Starke Kraftentfaltung in Homburg — Manifestation echter
Gewerkschaftsgesinnung - Wichtige Entschließung
Etwa tausend Personen waren dem Rufe der Einheitsgewerkschaft in Hom
burg zu einer öffentlichen Kundgebung am Donnerstag nachmittag gefolgt. Im
überfüllten Saalbau hörten die Versammelten mit gespannter Aufmerksamkeit
die Ausführungen der beiden Referenten, derKoPegen Rauch und Ammann. Diese
Kundgebung wurde zu einem überzeugenden Beweis für das Ansehen der Ein
heitsgewerkschaft, für die starken Kräfte, die ihr innewohnen und für das Ver
trauen. das ihr entgegengebracht wird. Als nach der dreistündigen Versamm
lung die Massen dicht gedrängt den weiten Raum und den breiten Balkon ver
ließen. hörte man immer wieder Worte des Stolzes und der Freude. Viele von
den Männern und auch Frauen, die an diesem Werktag nachmittag so zahlreich
erschienen waren und die sich mit der Entwicklung der Gewerkschaft verbun
den fühlen und denen der Grad ihrer Bedeutung am Herzen liegt, gingen mehr
als befriedigt nach Hause. Manche von den jüngeren Arbeitnehmern, die sich
noch nicht lange mit dem Gewerkschaftsleb^p beschäftigen, waren über den
Geist, der die Anwesenden beseelte, erstaunt und stark beeindruckt Kundgebun
gen, wie die von Homburg, sind schon ein Teil der Kraft, die Erfolge schafft.
Nach der Begrüßung sprach als erster
Referent Kollege Richard Rauch. Aus
gehend von der Entwicklung der saarlän
dischen Industrie seit dem Jahre 1870,
schilderte er im einzelnen die Wirtschafts
beziehungen zwischen Deutschland und
Frankreich. Danach behandelte der Red
ner die aktuellen Probleme der Lohnpo
litik und forderte in diesem Zusammen
hang die gesetzliche Verankerung eines
Tarifvertragsrechts. Es sei an der Zeit,
Lohntarife zu schaffen, die die Leistun
gen der Arbeitnehmer gerecht berücksich
tigen.
Zu dem viel diskutierten Betriebsräte-
f esetz übergehend, erklärte Kollege
I auch: „Kein Unternehmer kann von sich
sagen, daß er allein es war, der im Zeit-
ratrPsweffrt?« einzigen Leben^Millionen zu
verdienen in der Lage gewesen wäre. Die
großen Vermögen sind nur durch Gemein
schaftsleistungen zustande gekommen.
Niedrige Löhne ermöglichen es den Un
ternehmern, auch nach gewissen Erschüt
terungen ihre Betriebe wieder flott zu ma
chen. Weiter kann man sehen, wie immer
neue Geschäfte wie Pilze aus der Erde
schießen. Es ist ganz klar und entspricht
dem gesunden Rechtsempfinden, daß die
Arbeitnehmer nun das Mitbestimmungs
recht in den'Betrieben geltend machen.
Es wäre unsittlich, diesem Verlangen
nicht endlich stattzugeben. Aller Fleiß
nutzt dem Arbeitnehmer nichts. Damit
kann man kein Vermögen verdienen. Um
somehr hat er ein Recht, von der Will
kür und der Ausbeutung einzelner Unter
nehmer befreit zu werden. Der Betrieb,
in dem sich der größte Teil des Lebens
des arbeitenden Menschen abspielt, darf
keine Stätte der Unterdrückung son
dern dort muß er sich wohlfühlen kön-
Wie kann den Rentenempfängern geholfen werden?
Der Redner wandte sich hierauf der
Sozialpolitik zu. Die Renten seien schlecht.
Eine mindest 300/oige Erhöhung sei not
wendig. Besonders schlimm sei die Lage
der Rentenempfänger aus der Metallindu
strie. Es gäbe noch Möglichkeiten zu ei
ner Rentenerhöhung in dem 36 Milliarden
Haushalt des Saarlandes, in dem man
eine Teilsumme für Rentenzuschüsse ab-
zweige. Jedermann freue sich über den
Wiederaufbau, für den im Haushalt 9 bis
10 Milliarden Franken eingesetzt seien,
aber die Gewerkschaft habe in erster
Linie für die sozialen Probleme unmittel
bar einzutreten und dafür, daß niemand
hungern brauche. Marshallgelder sollten
einmal denen zugute kommen, die sie auf
Grund jahrzehntelanger, ununterbroche
ner Arbeit verdient haben.
Das Aerzteproblem, besonders das
Krankenscheinwesen bedürfe einer Aen-
derung. Der Kranke, der heute mit einem
Krankenschein zum Arzt komme, müsse
oft eine gewisse Geringschätzung fest
stellen.
Kollege Rauch rief die Arbeitnehmer
schaft auf, festzusammenzustehen, die
Gewerkschaftsorganisation noch stärker
zu machen, denn nur dann habe sie das
Gewicht, um die Forderungen, auf deren
Erfüllung man warte, durchzusetzen.
Den mit starken Beifall aufgenommenen
Ausführungen folgte die Rede des Direk
tors der Landesversicherungsanstalt
Ammann, der für den erkrankten Arbeits
minister Kirn das Referat übernommen
hatte. Kollege Ammann vertrat mit unmiß
verständlicher Klarheit seinen Standpunkt.
Oberstes Gesetz einer Sozialversicherung
müsse sein, unter allen Umständen den
Massen der arbeitenden Schicht, die le
diglich auf den Ertrag ihrer Arbeit an
gewiesen sind, soweit wie nur irgend
möglich zu helfen und gerade dann zu
helfen, wenn sie durch Krankheit, Unfall,
Invalidität oder Arbeitslosigkeit ihr ein
ziges Kapital, die Arbeitskraft, nicht mehr
voll oder überhaupt nicht mehr einsetz en
können. Die Hilfe geschieht im wesentli
chen durch die Versicherungen, zu der der
Arbeitnehmer seine Beiträge zahlt; Aber
es sei durchaus berechtigt und möglich,
daß der Staat zu den Beiträgen, die keine
genügende Hilfeleistungen ermöglichen,
aus öffentlichen Mitteln Zuschüsse ge
währe.
(Fortsetzung Seite 3)
Die Kundgebung der Einheitsgewerkschaft im Saalbau in Homburg.
iHiMimiiimiiiKfflimiiimiiiiiiiimiiiiiiiiiiiimtiiiiiiimiitiiniiiitiiiiiimimiiniiimimu
Aus dem Inhalt:
Sonderseite „Der junge Gewerkschaftler“
I. V. - Post und Fernmeldewesecn
Berichte aus den Kreisen
Kreiswerbewettkampf
Gewinnbeteiligung der Arbeit
„Die Gewerkschaftseinheit“
Zur Reform der Sozialversicherung
Die Bedeutung der Freizeit
Die Theatergemeinde teilt mit
Urlaubsbeihilfe bei Versicherungen
Wille und Weg
Gewährung einer Zulage
iiimiiimiiinimmniiimiHiiiiimmiiiiiiiimtiiiiiiiimkiiniiiiwmiimiiimmnmmiw
Das Mitbestimmungsrecht
Von Arbeitsminister Richard Kirn.
Das neue Betriebsrätegesetz, das im
Entwurf dem Landtag zur Verabschiedung
vorgelegt und gleichzeitig der Oeffentlich-
keit zur Kenntnis gebracht worden ist, hat
in den Kreisen der Arbeitnehmer einmü
tig Anklang gefunden, während es auf Ar-
beitgeberseite große Bedenken auslöste,
insbesondere bezüglich der Gestaltung
des Mitbestimmungsrechts. Ich halte es
für notwendig, einige grundsätzliche Aus
führungen über die Frage des Mitbestim
mungsrechts zu machen.
Das saarländische Volk hat die Demo
kratie als Staatsform gewählt und diese
in seiner Verfassung verankert. Die De
mokratie findet aber nicht nur in der
staatspolitischen Ausrichtung eines Lan
des ihre Erfüllung, sondern es müssen
auch die Wirtschaft und die Betriebe ent
sprechend ausgerichtet sein. Von einer
wahrhaften Demokratie kann daher nur
dann gesprochen werden, wenn m ihr die
Wirtschafts- und Betriebsdemokratie eben
so konsequent zur Durchführung gebracht
wotden ist, wie die staatspolitische.
Zweck des neuen Betriebsrätegesetzes
soll es sein, der Verwirklichung der Be-
triebsdemokrafie zu dienen, indem ge
wählten Vertretern der Betriebsgemein
schaft das Recht eingeräumt ist, bei der
Gestaltung und Ausrichtung des Betriebes
mitzubestimmen.
Die heutige Arbeitnehmerschaft, zum
größten Teil auf Grund der industriellen
und wirtschaftlichen Entwicklung der
letzten Jahre nicht mehr in der Lage, sich
eine selbständige Existenz zu erringen,
will nicht mehr ausschließlich Objekt
wirtschaftspolitischer Ueberlegung ande
rer sein. Sie will vielmehr unter Aner
kennung des Grundsatzes ihrer Würde als
Mensch und Persönlichkeit selbst am
Wirtschafts- und Betriebsleben mitgestal
ten. Dieser Forderung kann niemand mehr
ablehnend gegenüberstehen; es sei denn,
er hat die Bestrebungen der Zeit nicht
erkannt'üftä steht notwendigen Verände
rungen ohne sachliche Argumentation ab
lehnend gegenüber. Durch diee Forde
rung verlangt der Mensch seine Rechte
innerhalb des Wirtschafts- und Betriebs-
lebsns zurück, die ihm von Anfang an
nach jeder naturrechtlichen Auslegung zu
gestanden haben, Die Durchsetzung die
ser Forderung wird picht nur von der
saarländischen Arbeitnehmerschaft ver
langt, sondern der Wunsch nach Verwirk
lichung der Forderung ist darüber hinaus
in ganz Europa feststellbar.
Jeder verantwortliche Politiker hat heute
von diesen Tatsachen auszugahen und
muß berücksichtigen, daß sich d:e Arbeit
nehmerschaft auf dem Wage zu einem
solideren sozialen Standort befindet. Ge
setzgeber und Politiker haben demnach
‘die Aufgabe, rechtzeitig die Grundlage
dieses neuen Standortes zu schaffen, um
dadurch Bestrebungen aufzufangen, cüe
sonsi leicht zu schweren wirtschaftlichen
und sozialen Erschütterungen führen
könnten.
Im einzelnen äußert sich das Mitbestim-
naungsrecht in Mitbeiatung, Mitwirkung
und Mitbestimmung in wirtschaftlichen,
personel'en und sozialen Fragen. Da nicht
jeder Arbeitnehmer von sich aus entschei
den kann, v>as Mitbestimmung, Mitwir
kung oder Mitberatung ist, ist eine gesetz
liche Regelung des Mitbestimmungsrechts
notwendig, wobei dieses innerhalb der Be
triebe nach den einzelnen Veranlwortungs-,
bereichen und Aufgaben klar abzugxen-
zen ist. Dem Gesetzgeber obliegt es, die
Grundsätze und Mindestforderungen fest
zulegen. Besonderheiten und Eigenarten
des einzelnen Betriebes sind in Betrvebs-