Januar 1950
„DIE ARBEIT"
Seite 5
Ugc junge (öenjeclifdiafllec
Wir stellen fest,.,,
Soziale Not - einmal anders gesehen!
daß eine Reihe großer Kaufhäuser die
weiblichen Arbeitskräfte Wind und
Wetter aussetzt, um außerhalb des
Ladenlokales an besonderen Ver
kaufsständen ihre Ware bereits im
freien los zu werden. Selbst unter
Arkaden dürfte das für das Personal
sehr ungesund sein.
daß manche Kegel- und Tennisklubs bis
zur Stunde Kinder (d. h. in der Re
gel Jungens unter 14 Jahren) gegen
eine lächerliche Bezahlung als Ke
gel- bezw. Ball jungens beschäfti
gen;
daß das neue Jugendarbeitsschutzgeset?
ab 1. 1. 1950 in Kraft ist.
daß oft genug we bliche Hausangestellte
rur noch e ne Art moderner Sklavin
nen im Dienste der „Herrin des Hau
ses“ zu sein scheinen, denen man
eine fast unbeschränkte, mit allen
Schikanen gewürzte Arbeitskraft bei
magerster Kost glaubt zumuten zu
dürfen;
*
daß auch diese Mädels kein Freiwild un
begrenzter Herrscherallüren sein
dürfen,
daß der Arbeiter in der Oeffentlichkeit
vielfach noch gering eingeschätzt
wird, worüber auch gelegentliche
, Millionenspenden“ nur schwer hin
wegtäuschen können;
daß manche Tat „sozial“ genannt wird,
die es nicht verdient hätte, so ge
nannt zu werden,
daß Mieten für Neubauwohnungen all
mählich eine Höhe erreicht haben,
die das Monatseinkommen eines Ar
beiters weit übersteigen;
daß rach den Berichten des Ministerium
für Wirtschaft und Verkehr die Ent
wicklung von Industrie, Handel und
Gewerbe des Saarlandes immer gün
stiger, die Produktionsziffem also
stets größer und der Umsatz dauernd
bedeutender geworden ist;
daß die Löhne und Gehälter nicht nur
die gleichen geblieben, eondern viel-
ia -n a r jkI und relativ gesunken sind
(siehe Gedingekürzungen usw., so
wie das teilweise Steigen der Preise).
Besucht alte Versammlungen
und Veranstaltungen
der Gewerkschaft!
Vielfach versteht man unter der sozia
len Not nur die materielle oder finanziell*
Not.
Wir wollen heute einmal diese Not von
der ideellen Seite her beleuchten und da
bei die Stellung der Arbeiterklasse in
der heutigen Gesellschaftsordnung be
trachten.
Was heißt „sozäal?“
Das Wort „sozial“ ist lateinischen Ur
sprunges und kommt von dem Wort „so-
cius“, d. h. Gesellschafter, Teilhaber, Ge
nosse. (Denkt auch a:n den Soziusfahrer
beim Motorradrennen).
Sozial ist also eine Eigenschaft, die sich
auf den Mitmenschen erstreckt.
Soziales Denken und Handeln befaßt
sich mit dem Nächsten, und zwar in hel
fender, unterstützender Art.
Soziale Stellung der Arbeiterklasse be
deutet jedoch nicht ausschließlich die Be
trachtung der finanziellen und materiellen
Lage der Arbeiter, sondern wesentlich
auch die Einstellung der Umwelt zu dem
schaffenden Menschen.
Hier stellen wir bei unseren Untersu
chungen in der heutigen Zeit fest, daß
vielfach der Arbeiter in der heutigen Ge
sellschaft als völlig untergeordnete Größe
behandelt und bewertet w rd.
Zerstörung des Menschenbildes.
Ursache der sozialen Not.
Die moderne Wirtschaft und ihre Füh
rer haben den schaffenden Menschen zu
einer Maschine, zu einer Nummer, zu ei
nem Arbeitstier degradiert. Ab und zu
werden einmal bei feierlichen Anlässen
irgendwelcher Art lobende und anerken
nende Worte zu dem Arbeiter gesprochen.
Man läßt sich sogar auch schon einmal
so weit „herab“, als Direktor einem Ar
beiter die schwielige Hand zu drücken.
Man gibt sogar großzügige Spenden bei
Wohltätigkeitsveranstaltungen irgendwel
cher Art, wobei man nicht vergißt, auch
auf seine eigene Rechnung zu kommen.
Im übrigen aber will man größtenteils
nichts oder nur sehr wenig von diesem
... gewöhnlichen Arbeitervolk wissen, dös
ja sowieso nicht „gesellschaftsfähig“ ist.
(Man höre und staune: Dies« Arbeit«
haben noch nicht mal einen Ge&ell-
schaftsanzug, das ist ja einfach ein Skan
dal!) r
Habt Ihr schon einmal als einfache Ar
beiter irgendwo eine Behörde aufgesucht
und kein Herzklopfen dabei verspürt?
Habt Ihr Euch schon einmal Gedanken
darüber gemacht, warum der Herr Direk
tor Sowieso nie zu warten braucht, son
dern ihm alle Türen gleich wie von selbst
auf gehen?
Habt Ihr Euch schon einmal darüber
gefragt, warum man Euch so oft immer
noch „von oben herab“ behandelt, weil
Ihr angeblich nicht „gebildet“ genug seid,
um mitreden zu können?
Seid Ihr Euch darüber klar, daß man
mit diesen „Beweisen“ die Unfähigkeit
der Arbeiterklasse bestätigt haben
möchte und deshalb auch das Mit
bestimmungsrecht der Gewerkschaften
und Betriebsräte mit allen Mitteln
bekämpft ?
Mißbrauch des Christentums als
Deckmantel
Weil man selbst sehr gut weiß, wie halt
los die tatsächlichen Begründungen zur
Ablehnung des Mitbestimmungsrechtes
sind, nimmt man — was für Menschen
dieser Geisteshaltung nur dann der Fall
ist, wenn ein Mäntelchen gebraucht wird
— Zuflucht zu den angeblich christlichen
Grundsätzen und geht dabei achtlos an
dem wirklichen Christentum vorüberl
Die soziale Not der Arbeiterklasse be
steht also vor allem darin, daß dem Ar
beitenden von dem Besitzenden in der Ge
sellschaft nicht der Platz eingeräumt wird,
der ihm zukommen muß auf Grund seiner
Gleichberechtigung als Mensch und ssi-
ner daraus gefolgerten Menschenwürde.
Wir müssen eine neue Gesellschafts
ordnung herstellen und erkämpfen, in der
dieser Mißstand endgültig beseitigt ist.
Selbstverständlich wird es immer ge
wisse Unterschiede geben, je nach der
Leistung und der Verantwortung, die ein
Glied der menschlichen Gesellschaft voll
bringt und zu tragen hat.
Es muß aber so sein, daß Jedem der
Weg zu den höchsten Stellen nicht nur
auf dem Papier, sondern auch in der
Wirklichkeit offen steht.
In jedem Menschen müssen wir nicht
nur das Ebeftbild Gottes sehen, son
dern wir müssen auch wissen, daß wir
danach handeln müssen und fordern,
daß wir danach behandelt werden.
Unser Kampf — unser Ziel.
Im Kampfe um die Wiederherstellung
der Menschenwürde steht die lugend in
der vordersten Reihe.
Unsere Aufgabe muß es sein, an die
Stelle “
der himmelschreienden Ungerechtigkeit
den Geist der Gerechtigkeit,
des korrupten Wirts chaftsgebahrens
den Geist der Wahrheit
der krut polternden „Wohltätigkeit“ den
Geist tätiger und stetiger Liebe zu set
zen.
Wohlan, saarländische Jugend, folg«
uns auf diesem Wetg in eine
bessere, weil sozialere Zukunft!
... und wir handeln!
Wir kaufen nicht an derartigen Filialen
außerhalb der Geschäftslokale, son
dern nur im Geschäft selbst!
Di« Besitzer handeln dann bald auf
Grund der gemachten Erfahrungen.
Ihr Grundsatz lautet nämlich;
Wo kein Umsatz, dort keinen Ein
satz!
Sie werden also die Verkäuferin im
Ladenlokal beschäftigen, weil dort
Kundschaft ist.
(Bitte nicht verwechseln mit den üb
lich gewordenen Verkaufsständen
• am Rande der Straße, die nicht zu
großen Geschäften gehören).
Wir haben Augen und Ohren offen, um
das neue lugendarbeitsschutzgesetz
wirksam werden zu lassen. Beson
ders di« Herren vom Kegelklub wer
den wir dabei scharf unter die Lupe
nehmen, weil sie ja gewöhnlich
nur in den Abendstunden zu kegeln
pflegen. Gegen das Kegeln 3ind wir
jedoch nicht I
Wir fordern eine gesetzliche Regelung
für die Angestellten in der Haus
wirtschaft und geben uns nicht ein
fach zufrieden mit dem schönen „In
seraten wort“; Mädchen gesucht mit
Familienanschluß. Meistens ist in der
Praxis das „Anschlußgleis“ irgend
wie „blockiert.“
Wir kämpfen für die Wiederherstellung
der Menschenwürde, sodaß auch der
Arbeiter in der Gesellschaft einen
Ehrenplatz einnimmt und nicht nur
vom Almosen zu leben braucht.
Wir erstreben einen sozialen Wohnungs
bau, der es auch der arbeitenden
Bevölkerung ermöglicht anständig
und menschenwürdig zu wohnen. Ge
sundes Wohnen ist der beste Garant
für Sitte und Moral. Meldet uns Fälle«
die hinsichtlich der Mietpreisgestal
tung besonders kraß sind. Wir wer
den die notwendigen Eingeben an
die Behörden machen.
Wir fordern eine Neuordnung der Wirt*
schaff im Sinne der Wirtschaftsde
mokratie und unserer Verfassung.
Vor allem aber fordern wir:
Das Mitbestimmungsrecht der Ar
beiterschaft!
Werbt neue Mitglieder!
Aus 3Setde&s* und OctsfuQeadQcuppeH:
Das Juqendsekcetaiiat
teilt mit:
Achtung, Lehrlinge, aufgepaßt...
In der letzten Zeit stellten wir eine An
zahl Fälle fest, bei denen Lehrlinge ohne
Lehrvertrag beschäftigt worden waren.
Zum Teil handelt es sich um Lehrver-
liälLnisse, die in der unmittelbaren Nach
kriegszeit abgeschlossen wurden.
Damals waren di« Kammern und ein
zelne Innungen noch nicht wieder auf
gebaut, daß die Prüfungsämter schon
gleich eine geordnete Uebsrsicht über die
Lehrbetriebe hatten.
Leider stellt sich jetzt heraus, daß auch
einige Lehrherren überhaupt nicht die
Lehrbefugnis für die betreffende Berufs
branche haben und trotzdem in unverant
wortlicher Weise Lehrlinge angeblich
„ausgebildet“ haben. Selbstverständlich
war es diesen „Lehrherren“, di« sich
ou h in Gegensatz zu den eindeutigen Be
stimmungen der Innungen und Kammern
gebracht haben, nun nicht möglich, einen
ordnungsgemäßen Lehrvertrag abzu-
schlteßen.
Das Endergebnis sieht für den Lehrling
somit folgendermaßen aus:
1. Es liegt kein ordnungsgemäß bei der
zuständigen Kammer eingetragener
Lehrvertrag vor.
2. Auf Grund dieser bedauerlichen Tat
sache kann der vermeintliche Lehr
ling, der nach dem Recht gar keiner
ist, heute auch keineFacharbeiterprü-
fung oblegen, weil hierzu meistens
die erforderlichen Voraussetzungen
sachlicher und fachlicher Art feh
len.
3. Der „Lehrling“ wurde auf Grund de«
Nichteslehens eines Lehrvertraqsver-
häHnisses in der Rege! auch falsch
entlohnt. In den meisten Fällen erhielt
er die Sätze der Erziehungsbeihilfen.
anstatt den Tarifsatz eines Hills- oder
angelernten Arbeiters.
4. Das Wichtigste und zugleich Bedau
ernswerteste dabei ist jedoch, das
wertvolle Lebensjahre ohne den ge
wünschten Erfolg für die Zukunft nutz
los verbracht wurden.
Was ergibt sich hieraus?
Lehrlinge und Erziehungsberechtigte
müssen streng darauf achten, daß zwi
schen ihnen und dem Lehrherrn nach Ab
lauf der üblichen Probezeit unverzüglich
und ohne Aufschub ein rechtsgültiger
Lehrvertrag abgeschlossen wird.
Rechtsgültig ist der Lehrvertrag u. a.,
wenn er die Unterschrift des Lehrmeisters,
des Erziehungsberechtigten, des Lehrlings
und vor allem der zuständigen Innung
und Kammer (Industrie- und Handelskam
mer, Handwerkskammer. Landwirts chafts-
kammer) trägt
Alle nicht auf diese Weise ausgestellten
Lehrverträge sind ungültig.
Wer aber ein Lehrverhältnis durchlaufen
hat, dem kein rechtsgültiger Lehrvertrag
zu Grunde lag, kann keine Prüfung ob
legen f
Generalversammlung der Ortsjugendgr.
Völklingen,
Am 5. 1. 1950 hielt die Ortsjugendgruppe
Völklingen ihre erste Generalversamm
lung ab. Fast edle Mitglieder der Orts
jugendgruppe waren zu dieser Versamm
lung erschienen. Der 1. Vorsitzende der
Ortsjugendgruppe KolL Siegfried Göbel,
gab einen ausführlichen Tätigkeitsbericht
der zeigte, daß diese Orts jugendgrupp«
äußerst aktiv und lebendig ist. Kollege
Horst Marx konnte eine ordnungsgemäße
Kassenführung vorlegen und erhielt auch
einstimmig Entlastung. Im Laufe der Ge
neralversammlung sprachen der Kreis ge-
schäftsführer, Kollege Toni Hauser, der
1. Vorsitzende des L V. Metall, Kollege
Fliegler, sowie Kollege Hans Pink. Nach
der Wahl des Vorstandes, aus der der
bisherige 1. Vorsitzende wiederum ein
stimmig als 1. Vorsitzender hervorging,
richtete der Jugendsekretär der Einheits
gewerkschaft, Rudi Blaß, einen eindring
lichen Appel an die versammelten Ju
gendlichen und überbrachte den Dank des
Jugend Sekretariates für die im vergange
nen Jahre geleistete treue Mitarbeit Die
Ortsjugendgruppe darf stolz sein auf ihre
bisherigen Leistungen.
(Wegen Raummangels ist es uns leider
nicht möglich, die Namen aller Vorstands
mitglieder, die gewählt wurden, heute be
reits zu veröffentlichen,)
Probleme der Jugendarbeit.
Bei den einzelnen Kreiskonferenzen der
Jugendfunktionäre wurden verschiedene
(Feststellungen getroffen, dis Anlaß zur
weiteren Behandlung geben. So wurde von
der Ortsjugendgruppe Altstadt angeregt,
im kommenden Berufsausbildungsgesetz
gesetzlich zu verankern, daß nur solche
Meister Lehrlinge ausbilden dürfen, die
auch m der Lage sind die gesetzlichen
Erziehungsbeihilfen zu zahlen. Desgleichen
wurde stark bemängelt, daß immer mehr
Betrieb« angeblich mit Genehmigung des
Arbeitsmini stenums Erziehungsbeihiltea
zahlen, die 30 — 50 o/o unter den gesetzlich
festgesetzten Sätzen liegen. Das Jugend
sekretariat bittet die Funktionäre, solche
Fälle unverzüglich zu melden, damit die
notwendigen Nachforschungen angestellt
werden können.
Immer wieder werden Klagen laut über
mangelnde und geeignet® Räume zur
Durchführung von luqemdgruppenabenden.
Das Jugend Sekretariat wird soweit w:e
möglich bei der Abhilfe dieses Zustandes
mit wirken.
Die «*te Verantwortlichkeit ist die *ür
dich selber. Emst.
An die Ausbeuter!
Es werden neue Zeiten kommen.
Hört Ihr das allgewaltig Lied?
Es werden neue Zeiten kommen!
Wie dieses Lied uns mit sich zieht.
Vergeht es nicht. Ihr hohen Herrn,
wie schnell die schönen Tage enden!
Wir wissen wohl. Ihr möchtet gern
jedwede Zeit mit Eurer Zeit beenden.
Doch unsre Jugend widersteht auch Euch,
Wir kommen nicht mit leeren Händen.
Wir selber werden Euer Reich
und seine allzustolzen Tage wenden.
W. Simon