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September 1950
„DIE ARBEIT«*
t Abschied von Willi derber f
Am Sonntag» dem 24. September, wurde Kollege Willi Gerber zu Grabe getragen.
Neben den Angehörigen gaben Vertreter von Behörden, des öffentlichen Lebens und der
Organisationen der Gewerkschaft, sowie Freude und Kameraden des Verstorbenen aus der
engeren und weiteren Heimat dem Toten von Elversberg zum Friedhof in Friedrichsthal
das letzte Geleit.
Für viele der Leidtragenden war die Teilnahme nicht nur eine Ehrenpflicht, sondern
zugleich der Ausdruck besonderer Dankbarkeit. Kollege Gerber hat den schaffenden Men
schen an hervorragender Stelle in jahrzehntelanger unermüdlicher gewerkschaftlicher
\rbrit mit letzter Hingabe gedient. Das vielsagende Worts „In den Sielen gestorben“
trifft auf ihn zu. Dies kam aueh zum Ausdruck in der Grabrede des Kollegen Anton
Heugel und bei den Kranzniederlegungen des Gewerkschaftsausschusses und der Indu
strieverbände. Keine Unbequemlichkeit, selbst keine persönliche Gefahr konnten ihn da
von abbringen, den Aufgaben, vor die er sich gestellt sah, unbeirrt nachzugehen.
Schon 1908 kam er zur Gewerkschaftsbewegung, und kaum 20 Jahre alt, wurde er
Vorsitzender im Zentralverband der Glasarbeiter, Ortsgruppe Fricdrichsthal. Seine Er
folge für die Arbeiterinteressen brachten es mit sich, daß ihm die Geschäftsführung für
den Fabrikarbeiterverband und den Verband für die keramische Industrie übertragen
wurde. Nach 1933 hatte er, seines Postens enthoben, schwere Zeiten durchzustchen. Als
dann 1945 der Wiederaufbau der Arbeitnehmerorganisationen begann, leistete auch Willi
Gerber, erfahren und zielbewußt, voller Tatkraft einen hervorragenden Beitrag. Ein ein
heitliches Vertrauen berief ihn alsbald zum Geschäftsführer der beiden Verbände I.-V.
Fabrikarbeiter und I.-V. Leder und Bekleidung. Lange Jahre war er Mitglied des Haupt
vorstandes und des Gewerkschaftsausschusses. Die Erkenntnis von der Notwendigkeit der
Einheit stellte er klar in den Vordergrund. Für alle, besonders für die junge Genera
tion, wird sein vorbildliches Wirken lebendig bleiben.
Die Forderungen der Eisenbahner
Auf einer Sitzung des Verbandsbeirates des
I.-V. Eisenbahn nahm dieser in eingehenden
Diskussionen zur Lohn- und Preisbewegung
Stellung. Die Forderungen sind in nachfolgen
der Entschließung festgelegt:
„Der Verbandsbeirat des I.-V. Eisenbahn er
klärt :
1. Die von der Organisationsleitung des I.-V.
Eisenbahn dem Verwaltungsrat der SEB ein-
gereichtcn Forderungen betreffend die Perso
nal- und Gehaltsordnung entsprechen nicht nur
dem Wollen des größten Teils des Eisenbahn
personals, sondern tragen auch Rechnung dem
fortschrittlichen Gedanken einer besseren
Rechtsentwicklung und den sozial-wirtschaft-
lichen Interessen des Personals.
Der Verbandsbeirat erwartet, daß der Be
ginn und Fortgang der Verhandlungen über
den Abschluß eines Kollektivvertrages nicht
durch verwaltungsseitige organisatorische
Schwierigkeiten, die das Personal nicht zu ver
treten hat, Verzögerungen erleiden.
2. Der Verbandsbeirat erwartet ferner, daß
die von der Geschäftsleitung des I.-V. Eisen
bahn der Eisenbahndirektion eingereichte For
derung zur Auszahlung eines monatlichen Vor
schusses in Höhe von 4000.— Frs, auf die kom
mende Gehaltsregelung gewährt und ab 1. Sep
tember 1950 in Kmft tritt.
3. Der Verbandsbeirat beauftragt die Organi
sationsleitung, der Eisenbahndirektion folgende
weitere Forderung zu unterbreiten:
Sofortige Auszahlung einer einmaligen Wirt
schaftsbeihilfe in Höhe von 2500.— Frs. für
Ledige 5900.— Frs. für kinderloses Eheapar
und für jedes weitere unterhaltungsbereehtigte
Familienmitglied 1000.— Fr§.
4. Die Verbandsleitung wird seitens des Ver
bandsbeirats weiterhin beauftragt, die Maßnah
men einzuleiten, welche den berechtigten Ge-
eamtforderungen des Eisenbahnpersonals Nach
druck verleihen.
Unumgängliche Forderungen
Ueber das Thema Lohn und Preis hielt am
vergangenen Sonntag der Kollege Richard
Rauch in der Sendereihe „Die Einheitsge
werkschaft spricht!“, einen interessanten Vor
trag. Er beschäftigte sich mit dieser Frage,
weil die letzten Wochen zeigten, daß die Preise
aller lebensnotwendigen Gebrauchswaren rapid
gestiegen sind. Rauch unterstrich noch einmal
vor einem breiten Hörerkreis die unumgäng
lichen Forderungen der Arbeitnehmerschaft auf
Regulierung der Löhne and Preise.
Vorläufige Lohnvereinbarung
bei V. & B. Merzig.
Die Fa. Villeroy & Boeh hat mit der Ein
heitsgewerkschaft, I.-V. Fabrikarbeiter, vertre
ten durch den Gesamt-Betriebs-Rat, eine vor
läufige Lchnvereinbarung getroffen, wonach
die Fa. sieh verpflichtet, allen Vollverdienern
3000.— Frs. pro Monat als Vorschußzahlung
für kommende Lohnerhöhung zu
gewähren. Mädels prhalten 2500,— Frs. und
Mädels von 14 —15 Jahren 1590.— Frs.
Generalversammlung in Merzig
Für die Ortsgruppe Merzig des I.-V. Fabrik
arbeiter findet am kommenden Sonntag, dem
1. Oktober 1959. um 14.30 Uhr im Lokal Jo
sef Bell, Merzig, Torstraße die fällige General
versammlung statt.
Alle Mitglieder werden hiermit nochmals
herzlichst eingeladen.
Tagesordnung:
1. Lohn- und Preisbewegung (Kuhn"n)
2. Bericht des Vorstandes (Schreier)
3. Wahl des neuen Vorstandes
4. Verschi-denrs.
Hamburger Hafenarbeiter erhalten Lohn
erhöhung
Wie der 1. Vorsitzende der Gewerkschaft
Transport und Verkehr Heinrich Davidsen, be
kannt gibt, kam es durch Lohnstreitigkeiten
zwischen etwa 40 000 gewerkschaftlich orga
nisierten Hafenarbeitern und Arbeitgebern der
Hafenstädte Norddeutschlands zu einem Vcr-
mittlungsvorschlag des Schiedsgerichtes. Dieser
sieht eine Erhöhung der Hnfenarbeiterlöhne
um 95 Pfennige pro Schicht vor. Es soll sich
erst im Laufe der Woche entscheiden, ob die
Parteien den Schiedsspruch annehmen.
Der Schlichtungs^rschlag enthält außerdem
eine Verbesserung der Rahmentarife sowie eine
Reihe von sozialen Verbesserungen wie zum
Beispiel eine neue Urlaubsregelung.
Die 40 000 norddeutschen Hafenarbeiter bat
ten eine Lohnerhöhung von 2.50 D-Mark pro
Tag gefordert.
USA-Gewerkschaftler wundern sich!
Der Vizepräsident der amerikanischen Auto
mobil-Arbeitergewerkschaft, Living Stone,
weilte mit Vertretern seiner Gewerkschaft vor
kurzem in Deutschland. U. a. wurden das Volks
wagenwerk Fallersleben und die Opelwerke in
Rüsselsheims besichtigt Im Verlauf einer Un
terhaltung beim Bundesvorstand des DGB in
Düsseldorf brachten die amerikanischen Gewerk
schaftsvertreter ihr Erstaunen über den geringen
Lebensstandard der Arbeitnehmerschaft ln
Deutschland im Vergleich zur Lebenshaltung der
amerikanischen Arbeiter zum Ausdruck. Sie führ
ten den besseren Lebensstandard, den insbeson-
Ldere die Arbeitnehmer der Autoindustrie in den
LUSA haben, auf die Stärke und Geschlossen
heit der Automobilarbeiter-Gewerkschaft zurück.
8 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung
iiir das Kraftfahrzeug»; anwm
Im Zuge der Lohnbewegung, die m der
ersten Jahreshälfte für die verschiedenen
Industriegruppen durchgeführt wurde, fand
für das Kraftfahrzeughandwerk am 11. 9.
1950 ebenfalls eine abschließende Lohn
verhandlung statt. Dieser Verhandlung
ging bereits schon eine Aussprache vor
aus, an der zwei Kollegen aus den Kraft
fahrzeugbetrieben teilnahmen.
Durch den Umstand, daß das Kraftfahr
zeughandwerk dem Arbeitgeberverband
der Metallindustrie nicht angeschlossen
ist, sah sich die Geschäftsleitung des
Verbandes veranlaßt, mit der Arbeitsge
meinschaft des saarländischen Hand
werks in Verbindung zu treten. Der Ge
schäftsführer der Arbeitsgemeinschaft, Dr.
Schumacher, sah vorerst keine Möglich
keit, mit den Gewerkschaften zu verhan
deln, da die Arbeitsgemeinschaft des
saarländischen Handwerks e. V. noch
nicht rechtsfähig und damit auch nicht
tariffähig sei.
Ueberzeugt von der Dringlichkeit, daß
eine Erhöhung der Löhne und Gehälter für
die Beschäftigten im Kraftfahrzeughand-
werk für die Steigerung der Lebens
haltungskosten notwendig ist, gelang es
dem Geschäftsführer der Arbeitsgemein
schaft, die Vertreter des Fachverbandes
im Kraftfahrzeuggewerbe an den Ver
handlungstisch zu bringen und zu einer
Vereinbarung zu gelangen. Dis Vertrags
partner sind sich dahingehend einig ge
worden, daß, soweit in der Vergangen
heit eine Lohnaufbesserung noch nicht zur
Durchführung kam, mit Wirkung vom 18-
9. 1950 die bisher gesetzlich festgelegten
Höchstlöhne um 8 o/o zu erhöhen sind.
Damit ist zunächst einmal für das Kraft-
fahrzeughandwerk eine generelle Aufbes
serung der Löhne für alle Betriebe erreicht
worden. Weiter ist man sich einig ge
worden, daß in den Betrieben, die die
Höchstlöhne schon überschritten haben,
eine Angleichung untereinander erfolgen
soll, so daß der Spitzenlohn für den qua
lifizierten Handwerker auf 110 Frs. zu lie
gen kommt. Ebenfalls um denselben Pro
zentsatz sind die Gehälter der Angestell
ten zu erhöhen. Die Vereinbarung, die ge
troffen wurde, hat nachfolgenden Wort
laut:
„Der Kraftfahrzeug - Verband, Saar
brücken, vertreten durch die Herren
Münsieimann, Werner und Blum auf
der einen
sowie die Einheitsgewerkschaft, I. V.
Metall, vertreten durch Herrn Geiß,
und der Christliche Hütten- und Me
tallarbeiterverband, vertreten durch
Herrn Mockenhaupt, auf der anderen
Seite, vereinbaren folgendes:
Die Beteiligten sind darüber einig, daß
mit Wirkung vom 18. 9. 1950 die ge
setzlichen Höchstlöhne für das Kraft
fahrzeug-Gewerbe (Saar-Handwerker
1949, S. 24) um 8 o/o erhöht werden.
Diese Lohnerhöhung umfaßt auch die
Angestellten.
gez. Unterschriften."
Zur besseren Uebersicht bringen wir
eine Aufstellung der bisher gezahlten
Löhne:
Der Stundenlohn des Metallarbeiters,
einerlei welcher Kategorie er angehört,
setzt sich zusammen aus dem Grundlohn
und dem Stundenzuschlag. Beide Teile er
geben den garantierten Mindestlohn. Für
den Zeitlohnarbeiter war, und zwar für die
Kategorien A 1 und A 2, ein durchschnitt
licher Höchstlohn von 20 o/o zulässig. Die
Erhöhung war auf den Grundlohn anzu
wenden. Für die Gruppe der angelernten
Arbeiter und Handwerker betrug der
durchschnittliche Höchstiohn der im Zeit
lohn Beschäftigten 15 o/ 0 . Für den Akkord
arbeiter war für alle Kategorien d«T
Durchschnittshöchstlohn auf 40 o/ 0 festge
legt. Sie galten als gesetzliche Löhn«.
Laut Amtsblatt Nr. 34—1950, Seite 420, ist
die nach oben begrenzte Lohnhöhe durch
eine Verordnung des Ministers für Arbeit
und Wohlfahrt ab 1. Mai 1950 aufgehoben.
Der Grundlohn des Hilfsarbeiters A 1,
mit dem Koeffizient 100, beträgt 36,10 Frs.
Er bildet die Grundlage zur Errechnung
der Grundlöhne für die anderen Katego
rien. Der garantierte Mindestlohn des
Hilfsarbeiter beträgt 56,54 Frs. Die Stuo-
denzulage beträgt einheitlich 16,15 Frs.,
jedoch ist der Grundlohn des Hilfsarbei
ters um einen solchen Betrag zu erhöhen,
damit der garantierte Mindestlohn von
56,54 Frs. erreicht wird.
Die hier angeführten Löhne erhöhen sich
ab der 41. bis zur 48. Stunde um 25 o/o
und ab der 49 Stunde um 50 o/o.
Kateg.
Koeff.
Grundl. -j- Std.Zul.
(garant. Mindestl.)
Hilfsarbeiter:
A I 100
36,10 -4- 20,44 =
56,54
A II
108
38,99 4- 56,54 =
95,53
Angelernte Arbeiter (Spezial):
SI 121 43,68 -f-16,15 =■
59,83
S II
127
45,85 -j- 16,15 =
62.—
Handwerker:
F I 140
50,5*4 16,15=»
66,69
F II
155
55,96 4 16,15 =■
72,11
F III
170
61,37 4 15,15 =»
77,52
gesetzl. Durch&chn. Höchstlohn
für Zeitlöhner
bisheriger
jetziger
| 59,47
64 23
| 62,97
68,01
66,38
71,69
l 68,8b
74,39
74,27
80,21
80,50
86,94
86,73
93,67
Wir betrachten die jetzige Lohnregelung
als noch nicht abgeschlossen, erwarten
aber von unseren Kollegen im Kraftfahr
zeughandwerk, daß sie die Notwendigkeit
des gewerkschaftlichen Zusammenschlus-
AUFNAHMESCHEIN
Der Unterzeichnete erklärt seinen Beitritt
zur Einheitsgewerkschaft
Name: ..... ........
Vorname:
Wohnort:
Straße: .......... Nr. , , ,
Beruf:
Datum: ....... ......
ses erkennen, denn nur durch eine straff«
und schlagkräftige Organisation sind wir
in der Lage, besse’e Löhne und Arbeitsbe
dingungen zu erzielen.
(Unterschrift)
HERREN-WÄSCHE
Mitteilung der I. V. Fabrikarbeiter,
Leder und Bekleidung
Der Verband teilt mit, daß er mit den ein
zelnen Gruppen sofort in Lohmerhandlungen
eintritt, er bittet deshalb, z. Zt. nur in drin
genden Angelegenheiten die Verbandsleitung zu
beanspruchen.
Ueber die Lohnverhandlungen werden die
Mitglieder sofort unterrichtet.
Zum Grubenunglück in England
Mit tiefer Anteilnahme hat man im Saar
land von dem schrecklichen Grubenunglück in
England Kenntnis genommen. 80 englische
Bergleute kamen bei dem gewaltigen Gruben
sand in Worskop ums Leben. Das furchtbare
Unglück, das in so viele Familien tiefe Trau
er und Not gebracht hat, wird gerade in un
serem Grubengebiet in seiner ganzen kata
strophalen Auswirkung erfaßt.
Die wirtschaftliche Hilfe, die
der Marshallplan in den letzten
Jahren für manche europäischen
Länder bedeutet hat, war recht
unterschiedlich. Bild 1 zeigt die
Völker Westeuropas im Jahre
1949 noch in Sorglosigkeit und
Gleichgültigkeit. Im Jahre 1950
sieht der Karikaturist als nagende
Elemente an dem Gesamtgefüge
trotz weiterer Marshallhüfe den
Mangel an Rationalisierung, in
manchen Landern zu niedrige Pro
duktion und mangelhafte Anstren
gungen, das DollarDefizit zu be
heben. Das Jahr 1952 stellt er als
Warnung heraus, um damit zu sa
gen, daß die Völker Europas die
nagenden Elemente heftig be
kämpfen, müssen, wenn eine kata
strophale Entwicklung vermieden werden soll. Wir sehen allerdings noch andere Elemente, die es zu bekämpfen gilt: Die sture Haltung
der Arbeitgeber, das Unverständnis maßgebender Stellen für die soziale Besserstellung breiter Schichten der Schaffenden und das Verba
ten gegenüber der Forderung auf Gleichberechtigung und volle Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft in der Wirtschaft.
Noch vor kurzem hrtoirie der Präsident der amerikanischen Automobilarbeitergewerksch aft, Reutlier: Dse jährliche" Zuwendung von
Milliarden Dollars an die Europäer soll wohl dazu da sein, die Wirtschaft zu entwickeln, aber nicht, uni der Gewinnsucht zu dienen,
sondern zum Ausbau, um damit den Lebensstandard der Schaffenden zu heben.