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stilliegenden Förderschächte und
Fabriken, ausgeplünderten Geschäf¬
ten, den zerstörten Werksanlagen
Menschen zusammenfanden, Gegner
Hitlers in der Heimat, aus den Kon¬
zentrationslagern, aus den Zucht¬
häusern, aus der Emigration und
die sich restlos zum Neuaufbau zur
Verfügung stellten. Ob christlich,
demokratisch, sozialistisch oder
kommunistisch, sie hatten rest¬
los den Willen bekundet in einer
Gewerkschaft in einer Notgcmein-
schaft zusammenzustehen.
Die Einheitsgewerkschaft wurde
aufgebaut: demokratisch, abso¬
lut parteipolitisch und re¬
ligiös neutral und unter dem
Motto: Ein Betrieb — eine
Gewerkschaft.
Der Referent erinnerte an den a
fänglichen Widerstand einer kleinen
Gruppe christlicher Gewerkschaft¬
ler, die sich dem Aufbau einer Ein-
heitsorganisation widersetzten, an die
Aussprachen mit den Kollegen Jou-
haux und Tessier, die schließlich zu
einem „offenen Brief“ des Herrn
Hoffmann an die christl. Arbeiter
führte, worin sie zum Eintritt in die
Einheitsgewerkschaft aufgerufen
wurden und verwies auf wieder¬
holte gleichlautende Erklärungen
ehemaliger christlicher Gewerk¬
schaftler.
Zur Behauptung, daß in der Ein¬
heitsgewerkschaft die parteipoli¬
tische Neutralität nicht gewahrt
werde, stellte Wacker fest:
August 1947
Politische und konfessionelle Neutralität
Resolution
Die am Sonntag, dem 3. August 1947, in «1er Wartburg in Saar¬
brücken zu einer außerordentlichen Tagung versammelten Delegierten
aller Industrieverbände der Einheitsgewerkschaft haben folgende Reso¬
lution einstimmig angenommen:
1. Die Einheitsgewerkschaft erhebt im Namen ihrer 125 000 Mitglieder
schärfsten Protest gegen die Bildung einer christlichen Bergarbeiter-;
gewerkschaft für das Saarland und brandmarkt den darin zum Aus-
druck kommenden Spaltnngsversuch als einen getarnten- reaktionären
Angriff auf die Einheit und Solidarität der Werktätigen an der Saar.
Die Hauptverwaltung der Einheitsgewerkschaft wird beauftragt, den
zuständigen Behörden eine Protestnote zu unterbreiten und
die Erhaltung der in parteipolitischer und konfessioneller Neutralität
bewährten Gewerksehaftscinhcit zu fordern. Die Delegierten stellen
fest, daß durch die Zulassung der konfessionellen Gewerkschaften dem
Nariaktivismus eine willkommene Gelegenheit geboten ist», seine Zer¬
setzungsarbeit auf breiter Basis diirchzufiilircn und fordert die Haupt¬
verwaltung auf. alle Mittel zu ergreifen, die geeignet erscheinen, die da¬
durch ausgelöste Gefährdung des demokratischen Aufbaues von Wirt¬
schaft und Staat abzuwehren.
„Der Hauptvorstand der Eineits-
gcwerkschaft, in dem von neun Kol¬
legen vier allein ehemalige
führende christliche Ge¬
werkschaftler sind, weist den
gemachten Vorwurf entschieden zu¬
rück. Er hat niemals Parteipolitik
in den zurückliegenden zwei Jahren
innerhalb unserer Gewerkschaftsbe¬
wegung geduldet, wenn einmal von
einem einzelnen ein angeblicher
Mißgriff erfolgte, dann wurde von
der Leitung sofort eingegriffen. Ver¬
gessen Sirk dabei nicht, daß wir in
zwei Jahren rund 125 000 Männer
und Frauen organisiert haben.
Dieselben Leute aber, die uns den
Vorwurf der Verletzung parteipoli¬
tischer Neutralität machen, waren es
doch, die als politische Partei seit
zwei Jahren grundsätzlich
für sich in Anspruch neh¬
men, stets sich in unsere
Gewerkschaftsarbeit zu
mischen.“
Er stellt weiter fest, daß die füh¬
renden Männer der Demokratischen
Partei, der Sozialistischen Partei und
der Kommunistischen Partei in ihren
Kundgebungen und Versammlungen
nie anders als im Sinne des Ein¬
heitsgedankens der Gewerkschaften
sich ausgesprochen haben. Von die¬
sen Männern war bis heute noch
keiner beim Herrn französischen
Außenminister bzw. bei der Militär¬
regierung des Saarlandes und hat
interveniert, daß demokratische, so¬
zialistische oder kommunistische Ge¬
werkschaften gebildet werden sollen,
deswegen, weil die Einheitsgewerk¬
schaft die Demokratie, die parteipo¬
litische oder religiöse Neutralität
verletzt habe.“ (Anhaltender Beifall.)
„Alle aufrechten ehemaligen
christlichen Gewerkschaftsfunktio¬
näre sind heute fast restlos in der
Einheitsgewerkschaft organisiert.
Wir sind dankbar für Jeden Funktio¬
när, der sich uns zur Verfügung stellt.
Zur in Frage gestellten r el i g i ö -
ßen Neutralität übergehend
stellt der Redner Gegenfragen:
„Haben nicht Tausende unserer
Funktionäre und Mitglieder ihre
christliche Pflicht in den zurücklie¬
genden Jahren unter Beweis gestellt,
dadurch, daß sie unter Außeracht¬
lassung aller persönlichen Interessen,
unter den schwierigsten Verhält¬
nissen die gesamte Saarwirtschaft
wieder angekurbclt und wieder
Werte geschaffen haben, die zum
Wiederaufbau, zur Wiedergutma¬
chung, zur Kompensation für Er¬
nährung und Kleidung zur Verfü¬
gung gestellt wurden?
Hat je einer von euch bei unserer
schweren Arbeit jemals den anderen
gefragt, bist du Katholik oder bist
du Protestant, bist du Sozialist oder
bist du Kommunist?
Wurde jemals von den Hunderten
und Tausenden, die bei mir und
meinen Kameraden tagtäglich Hilfe
und Unterstützung suchten, jemals
einer gefragt, welcher Partei oder
welcher Religion er angehört?
Wo sind diese Männer ge¬
wesen, die sich jetzt berufen füh¬
len, christliche Gewerkschaften zu
gründen, als es galt, für die Kriegs¬
opfer, die Waisen und Witwen zu
sorgen, als es galt, tagtäglich in
größter Sorge in Verbindung mit der
Militärregierung die notwendigen
Lebensmittel herbeizuschaffen, als
cs galt, der Arbeiterschaft an der
Saar ihre Betriebe und Arbeitsplätze
zu erhalten?
Damals gab cs noch keine politi¬
schen Parteien, damals gab es n och
keine CVP. Es waren die Männer
der Einheitsgewerkschaft, die ohne
Rast und Ruh Tag und Nacht keine
andere Aufgabe kannten als größte
Not zu lindern und namenloses Elend
zu beseitigen.“ (Anhaltender Beifall)
Die Notwendigkeit der
Einheit wird angesichts der heu¬
tigen Situation dringender als Je mit
Beispielen unterstrichen. Heinrich
Wacker umriß die weitgreifenden
Aufgaben, die den Gewerkschaften
im Aufbau einer neuen Wirtschafts¬
ordnung gestellt sind und verlangt,
daß endlich das Betriebsräte¬
gesetz erlassen wird, das von den
Funktionären in Verbindung mit
der Abteilung Arbeit und Wohl¬
fahrt und unter Zustimmung der
Militärregierung ausgearbeitet wur¬
de und das in Paris bei der fran¬
zösischen Regierung liegt. (Siehe an
anderer Stelle- die Erklärung von
R. Kirn über die Gesetzwerdung
des RRG. ab 1. August. (Die Red.)
Der Redner betont: /
Die Delegicrtcntagung vermag weder die Notwendigkeit der Aufgabe
des bislang beobachteten Organisationsprinzipes noch Voraussetzungen
anzuerkennen, die die Zulassung christlicher Gewerkschaften rechtferti¬
gen könnten, umso mehr als die in der Einheitsgewerkschaft tätigen
Funktionäre ehemaliger christlicher Gewerkschaften sich rückhaltlos zur
gewerkschaftlichen Einheit bekennen und alle Industrieverbändc in wie¬
derholten Entschließungen sich im Interesse der Wahrung des sozialen
Friedens gegen jede parteipolitische oder konfessionelle Aufspaltung der
Einheitsgewerkschaft ausgesprochen haben.
Die Delegierten lehnen cs wie bisher ab, die Gewerkschaftsorganisation
In den Dienst parteipolitischer Bestrebungen zu stellen.
Die Delegiertenversamvnlung legt Wert darauf, in aller Öffentlichkeit
festzustellcn, daß die Vorsitzenden der größten Industrieverbändc den
Einheitsgewerkschaft, der Industrieverband Bergbau, der Industriever¬
band Metall und der Verband Öffentlicher Betriebe und Verwaltungen,
ehemalige christliche Gewcrkschaftsfunkiionäre sind und die Ilauptvcr-
verwaltung sich aus vier ehemaligen christlichen Gewerkschaft¬
lern, 3 Sozialisten, 1 Kommunisten und einem Parteilosen zusammen¬
setzt.
2. Die den Prcisstop durchbrechenden Preissteigerungen haben im In¬
teresse einer gesicherten Lebenshaltung der Einheitsgewerkschaft Veran¬
lassung gegeben, unverzüglich eine Überprüfung der Löhne und Gehäl¬
ter durchzuführen und ihre Anpassung an die gesteigerten Haushaltungs¬
kosten vorzubereiten. Um die Stabilität des Preis- und Lohngcfiigcs wie¬
der herzustcllen, fordert die Einheitsgewerkschaft die Bildung vonPreis-
kontrollausschüssen aus Vertretern der Industrioverbände und der Be¬
triebsräte. die in Gemeinschaft mit den behördlichen Kontrollorganen zn
beauftragen sind, umfassende Prcisprüfungcn und -Überwachungen
durclizuführen und Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen der
Bestrafung zuzuführen. Neben der Erhöhung des Strafmaßes ist vor
allem in Fällen des Schwarzhandels auf Schließung des Gewerbebetrie¬
bes und Verbot der Bcrufsausübung zu erkennen.
3. Die Delegiertenkonferenz stellt einmütig fest, daß die bis jetzt ge¬
leistete Arbeit der EinheitsgewTerkschaft und der ihr angeschlossenen
Industrieverbände die Grundsätze der parteipolitischen und konfessio¬
nellen Neutralität strengstens beachtet hat und spricht der Hauptver¬
waltung ihr uneingeschränktes Vertrauen aus. y
Bei der Schaffung des Gesetzes
haben wir keinen von jenen Män¬
nern gesehen, die heute glauben, die
Belange der christlichen Arbeiter
des Saarlandes wahrnehmen zu
müssen. Sie haben es bis heute
nicht notwendig gefunden, trotz
ihrer großen Sorge um das Wohl
der Arbeiterschaft an der Saar
innerhalb der Einheitsgewerkschaft
mit uns zusammenzuarbeiten, damit
die Kriegskrüppel, Witwen und
Waisen, die Invaliden und Pensio¬
näre in den Besitz ihrer Renten ka¬
men.
Die Vertreter der Einheitsgewerk¬
schaft haben in unermüdlicher Ar¬
beit mit der Abteilung Arbeit und
Wohlfahrt die neue soziale Gesetz¬
gebung aufgebaut.
Wenn unsere Bemühungen zu Er¬
folgen geführt, so verdanken wir
dies nicht allein dem Verständnis,
das uns von der Militärregierung
entgegengebracht wurde, sondern
nicht zuletzt dem Mann, der heute
die Abteilung Arbeit bei der Ver¬
waltungskommission leitet, dem Di¬
rektor Kirn. Er, der aus eigener
Erfahrung die sozialen Nöte der
schaffenden Menschen kennt, hat
bis heute, in unermüdlicher Weise
engster Zusammenarbeit mit der
Einheitsgewerkschaft die soziale
Gesetzgebung aufgebaut. (Lebhafter
Beifall.)
Die Pariser Besprechungen
Wir haben in Sorge um die Bes¬
serung der Ernährung den Landes¬
ernährungsausschuß geschaffen. In
engster Zufammcnarbeit mit der
Militärregierung des Saarlandes
wurde alles getan, um unsere E r -
nährun^slage zu bessern.
Wenn ich heute trotzdem die Forde¬
rung erhebe, daß für die Mehrheit
der schaffenden Menschen eine bes¬
sere Ernährungslage sichergestellt
werden muß, so deshalb, weil wir
uns bewußt sind, daß mit Ilifnger
weder in Wirtschaft noch Staat De¬
mokratie Wirklichkeit werden kann.
In unseren Kundgebungen haben
wir wiederholt zum Ausdruck ge¬
bracht, daß der Lohnstop bis heute
eingehalten, der Preisstop aber
längst durchbrochen Ist. Erneut
müssen wir die Angleichung der
Löhne an die Teuerung verlangen
und die Militärregierung um Unter¬
stützung bitten. Es muß Aufgabe
der Verwaltungskommission sein,
umgehend den bestehenden Kon-
trollapparat auszubaucn und die
Gewerkschaften an seinen Aufgaben
zu beteiligen.
Wir lehnen es aber kategorisch
ab, uns vor irgendeine parteipoli¬
tische Kar»*e spannen zu lassen.
Wir kennen innerhalb der Wirt¬
schaft nicht nach Weltanschauung
gegliederte Parteiunterschiede. Für
uns als Gewerkschaftler gibt es
nur zwei Parteien, die sich nach
ihrer sozialen Stellung unterschei¬
den, Arbeitgeber und Arbeitneh¬
mer.
Schritte zur Gewerkschaftsspaltung
Wir wissen, daß vor einigen
Wochen Herr Hoffmann und
Herr Müller, der Vorsitzende der
Verwaltungskommission, wegen
der Gründung christlicher
Gewerkschaften bei Herrn
Außenminister Bidault vorge¬
sprochen haben. Als wir davon er¬
fuhren, beschloß der Hauptvorstand
eine Delegation nach Paris zu sen¬
den.
Die Delegation setzte sich zusam¬
men aus den Kollegen Wacker,
Weiter, dem Vorsitzenden des
Industrie - Verbandes Eisenbahn-,
Post- und Fommeldewcsen und dem
Kollegen Fliegler, dem Vorsit¬
zenden des Tndustricverbandes Me¬
tall.
Am 21. Juli 1947 fand die erste
Besprechung bei dem Generalsekre¬
tär der CGT und 2. Vorsitzenden
des Weltgewerkschaftsbundes, dem
Kameraden J о u h a u x statt. In
dieser Besprechung wurde von den
Kameraden zum Ausdruck gebracht,
daß es nicht der Wunsch der Ar¬
beitnehmer an der Saar ist, christ¬
liche Gewerkschaften aufzubauen,
sondern Außenstehende seit Mona¬
ten den Versuch machen, eine
christliche Gewerkschaftsbewegung
ins Leben zu rufen. Die Delegation
wies darauf hin, daß es in erster
Linie die CVP als politische Partei
ist, die nichts unversucht läßt, um
die Parteipolitik durch die Grün¬
dung christlicher Gewerkschaften in
die Gewerkschaftsbewegung hinein¬
zutragen, um so die Arbeitnehmer
erneut wieder zur Ohnmacht in
Wirtschaft und Staat zu verurtei¬
len und den sozialen Frieden in der
Wirtschaft beim Wiederaufbau zu
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