Full text: 1947 (0002)

Seit« 4 
„Die Arbeit“ 
rJuH 1447 
Der nationalisierte Bata 
ln diesen Tagen lief in Prag der 
Prozeß gegen den Hanpterben der 
Batawerke, Jan Bata, wegen Volks¬ 
verrats. Er selbst befindet sieh in 
Sicherheit in Brasilien. Der be¬ 
kannte englische Journalist, Ivor 
Montague, beschreibt im Londoner 
„Daily Work er“ seine Eindrücke über 
seinen Besuch in Zlin in der Tsche¬ 
choslowakei, dem Sitz der Schuh¬ 
produktion Bata. Ueber die Bedeu¬ 
tung des Prozesses ist er der Auf¬ 
fassung, daß dieser den Beginn eines 
neuen Kapitels in der Umwandlung 
des .,Kaiserreiches der Schuhe“ im 
Interesse des Volkes kennzeichne. 
Der britische Reporter berichtet 
noch einiges mehr. 
In Zlin, das man einst Batastadt 
nannte, arbeiten heute 27 000 Arbei¬ 
ter in den früheren Thomas-Bata- 
Werken. Vor 50 Jahren wohnten in 
dieser Stadt 3000 Menschen, heute 
sind es 50 000. Hier kann man alles 
finden. Nicht nur, was mit der un¬ 
mittelbaren Schuhproduktion zusam¬ 
menhängt, sondern auch alles, was 
mit ihr nur irgendwie in Verbindung 
gebracht werden könnte. Aber hier 
gab es noch etwas anderes. Hier 
gab es Bata-Warenhäuser, Bata-Kul- 
turhäuser, Bata-Schwimmbäder und 
Bata-Sportplätze, Bata-Lichtspiel- 
theater, Bala-Theater, Bata-Omni- 
busse, Bata-Filmstudios, einen Bata- 
Flugplatz, und es gab selbst einen 
Bata-Zoo. Das Leben der Arbeiter 
des Bata-Unternehmens sollte nicht 
nur am Arbeitsplatz mit dem Bata- 
geist erfüllt werden. Hier war das 
Kaiserreich des Thomas Bata, die 
Basis, von der er sein Unternehmen 
vergrößerte, um die Welt für seine 
Sch uh waren zu erobern. 
Alles, was den Arbeitern in dieser 
Sladt geboten wurde, waren mild¬ 
tätige Gaben, die Bata für sie auä- 
wühlte. Selbst die Gedanken schrieb 
man ihnen vor. Gewerkschaften wa¬ 
ren in Zlin nicht erlaubt, und das 
geringste Anzeichen sozialistischer 
Tätigkeit wurde unterdrückt. Selbst 
die städtische Verwaltung wurde von 
Bata so beherrscht, daß man davon 
sprechen konnte, sie gehöre ihm 
ebenfalls. Der alle Thomas Bata 
wurde 1932 bei einem Flugzeug¬ 
unglück getötet. Sein Nachfolger, Jan 
Bata, war ein besonderer Freund 
Görings. Unter seiner Anweisung ar¬ 
beiteten die Batawerke mit den Na¬ 
zis zusammen. 
Die neue Tschechoslowakei über¬ 
nahm das Unternehmen. Wo es ehe¬ 
dem nur Gehorsam und. Einschüch¬ 
terung gab, herrscht jetzt ein reges 
demokratisches Leben. Das Leben 
wird durch die Gemeinschaft gere¬ 
gelt. Zlin hat sich eine Seele erwor¬ 
ben. 90 Prozent der in dem früheren 
Bata - Unternehmen Beschäf tigten 
sind gewerkschaftlich organisiert. 
Jede Abteilung wählt ihren Betriebs¬ 
rat. Die Stimme des Betriebsrats* 
wiegt schwer. Der Gesamtbetriebs- 
rat arbeitet mit der Verwaltung in 
Produktionsfragen zusammen. Ncu- 
anslelhingen und Entlassungen wer¬ 
den vom Betriebsrat mitbestimmt. 
Hinsichtlich sozialer Einrichtungen 
im Unternehmen ist der Betriebsrat 
allein ausführendes Organ, Dreimal 
wöchentlich kommt eine vom Be¬ 
triebsrat veröffentlichte Zeiiung her¬ 
aus. Der Betriebsrat überwacht die 
Reinigung des Betriebes von volks¬ 
verräterischen Elementen, und auf 
seine Vorschläge hin werden Beför¬ 
derungen vorgenommen. Auch die 
Ucberwachung der Löhne und Ar¬ 
beitsbedingungen gehört zu seinem 
Aufgabengebiet. Mit dem Verwal¬ 
tungsdirektor arbeiten vier stellver¬ 
tretende Direktoren, die, von den 
Werktätigen gestellt, den vier anti¬ 
faschistischen Parteien angehören. 
Alle Arbeiter und Angestellten ha¬ 
ben ohne Unterschied der Parteizu¬ 
gehörigkeit den Zweijahresplan ihres 
Unternehmens angenommen. Arbei¬ 
ter. Gewerkschaften und Betriebs¬ 
rat treten gemeinsam für Produk¬ 
tionserhöhung ein. 
Die Arbeitszeit beträgt wöchent¬ 
lich 48 Stunden. Es wird die Auf¬ 
fassung vertreten, daß man die Ein¬ 
führung der 40-Stundenwoche erst 
in Erwägung ziehen kann, wenn der 
zweijährige Aufbauplan erfüllt ist. 
Alle Beschäftigten haben einen drei¬ 
wöchigen Urlaubsanspruch im Jahr. 
Arbeiter, die über 15 Jahre in diesem 
Unternehmen beschäftigt sind, er¬ 
halten vier Wochen Urlaub. Wäh¬ 
rend des Krieges hat Zlin durch 
Kriegshandlungen stark gelitten. Die 
gesamten Einnahmen des Werkes 
im Jahre 1945 reichten nicht aus, um 
das Kapital für die Neuinvestierun- 
gen aufzubringen. 1946 erreichte die 
Produktion 70 Prozent der Vor¬ 
kriegsproduktion. Aber die Arbeiter 
von Zlin arbeiten mit verstärkter 
Kraft. Das Zlin von heute, nicht 
länger mehr das „Kaiserreich Bata“, 
so stellt Ivor Montague fest, zeigt 
ein vollkommenes und vorbildliches 
Beispiel, wie sich das Leben des 
Werktätigen in einem nationalisier¬ 
ten Unternehmen abspielt. 
Arbeiter in US-Universitäten 
Frau Dr. Caroline Ware ist eine 
ungewöhnliche Frau. Als Professor 
der Universität von Washington 
führt sie seit Jahren eine heftige 
Kampagne für die Erziehung der Ar¬ 
beiter. Dieser Kampf füllt ihr ganzes 
Leben aus. 
Dabei handelt es sich nicht um 
Fernunterrichtskurse' oder Arbeiter¬ 
universitäten im üblichen Sinn, son¬ 
dern sie hat es erreicht, daß be¬ 
rühmte Universitäten mit großem 
Weltruf ihre Pforten den Arbeitern 
geöffnet haben. 
Den Anfang machte im Jahre 1925 
die Universität von Wisconsin, In 
einem vor kurzem unter dem Titel 
„Die Universitäten und die Erzie¬ 
hung der Arbeiter“ veröfentlichten 
Bericht betont Dr. Caroline Ware, 
daß Hochschulen wie die so bekann¬ 
ten Universitäten Yale, Harvard und 
Cornell dem Beispiel der Universität 
von Wisconsin gefolgt sind. 
Eine große Anzahl der studieren¬ 
den Arbeiter interessieren sich be¬ 
sonders für Wirtschafts- und Sozial¬ 
fragen und für die Beziehungen zwi- 
Aus der Gewerkschafts-Internationale 
Frankreich 
Leon Jouhaux legt im „Populaire“ 
die Stellung des CGT in der Streik¬ 
bewegung dar: „Es ist nicht so sehr 
der nominelle Wert der Löhne, den 
wir zu erhöhen wünschen, sondern 
deren Kaufkraft. Wenn die Preis¬ 
senkung mit der Aufwertung, die 
wir fordern, zusammenfallen würde, 
stünden diese Probleme nicht an. 
Die CGT rechnet mit den gegenwär¬ 
tigen schwierigen Umständen. Wenn 
sie sich mit der Forderung von Pro¬ 
duktionsprämien begnügt, so will das 
besagen, daß sie die Erhöhung der 
Löhne mit der Erhöhung der Pro¬ 
duktion verbinden will.“ 
Tschechoslowakei. 
Vor dem Einbruch Hitlers in die 
Tschechoslowakei war die Gewerk¬ 
schaftsbewegung in 17 Gewerkschafts¬ 
gruppen und 17 Zentralverbände ge¬ 
spalten. Jede politische Parteigruppe 
hatte eine Gewerkschaftsorganisation. 
Unter Hitler bestanden noch zwei 
Gruppen, die der Arbeiter der priva¬ 
ten und die der öffentlichen Betriebe, 
Nach der Befreiung setzte sich die 
revolutionäreGewerkschaftsbcwegung 
an die Spitze der Gewerkschaftsbewe¬ 
gung im Einverständnis der Regierung 
auf Grund des Programmes von 
Kaschan. 
Ein Gesetz vom 16. Mai 1946 be¬ 
stimmte die Rechte der Einheitsge¬ 
werkschaften, legte ihren Aufbau fest, 
sowie die Rechte der Arbeitnehmer, 
die Beiträge zu den Kassen, es regelt 
das Mitbestimmungsrecht der Arbei¬ 
ter in den Fabriken und die Einfüh¬ 
rung von Arbeitsplänen. Zwei Kon¬ 
gresse vollendeten das Werk und 
schufen die Einheit zwischen Tsche¬ 
chen und Slowaken. Der Präsident 
dieser großen Gewerkschaft ist Zapo- 
tocky. Das Prinzip der freiwilligen 
Mitgliedschaft wurde aufrecht erhal¬ 
ten. In der Tschechei sind 74 Prozent, 
in der Slowakei 51 Prozent der Arbei¬ 
ter organisiert. 7 
sehen Kapital und Arbeit. Die UdIh 
versität von Michigan war die erste, 
die ein sehr realistisches Programm 
ausarbeitete und ihren Studenten 
Kenntnisse der Arbeitergesetzgebung, 
der Gewerkschaftsgeschichte, ja so¬ 
gar der Kunst der Verhandlung über 
die Ausarbeitung von Kollektiv ver¬ 
trügen vermittelte. 
Studenten, die sieb auf Verwalt 
tungstätigkeit in der Industrie vor¬ 
bereiten, versäumten es nicht, die 
-gleichen Kurse zu besuchen wie die 
Arbeiter, und die Harvad-Universi- 
tät errichtete sogar einen Lehrstuhl 
für Gewerkschaftsstudien, als dessen 
Ziel formuliert wurde: „Verhand¬ 
lung, Ingangsetzung und Durchfüh¬ 
rung von Verträgen zwischen Ar¬ 
beitgebern und Arbeitnehmern.“ 
An der Yale-Universität arbeiten 
Gewerkschaftsfunktionäre und Vfci> 
treter der Fabriksdirektoren Seite an 
Seite und studieren gemeinsam Na¬ 
tionalökonomie und Arbeiterfragen. 
Alle diese Kurse sind außerordent¬ 
lich gut besucht, und die meisten 
amerikanischen Universitäten sind 
durchaus bereit, ihre Pforten den 
neuen Schülern weit, aufzutun. Der 
Mangel an qualifizierten Dozenten, 
sagt Dr. Ware, ist das einzige Hin¬ 
dernis, das der Durchführung ihres 
Programms im Wege steht. Eine 
Gruppe von Sachverständigen für 
Arbeitererziehung hat sich den Uni¬ 
versitäten zur Verfügung gestellt, 
um sie in den Fragen des neuen 
Tätigkeitsbereiches zu beraten. Diese 
Sachverständigen sind der Meinung, 
daß ein Professorendiplom nicht aus¬ 
reiche, um Arbeitern Unterricht er¬ 
teilen zu können. vWer eine solche 
Lehrstelle ausfüllen ^will, muß die 
Geschichte der Arbeiterbewegung 
genau kennen und mit den Organi¬ 
sationen der Volksmassen vertraut 
sein. Mit anderen Worten, er muß 
all das genau kennen, was seine 
Studenten und Hörer in der Praxis 
beschäftigt. 
EJs scheint aber, daß sich derartige 
Lehrkräfte doch finden lassen, denn 
75 Hochschulen und Universitäten, 
sind den Wünschen von Frau Dr,. 
Caroline Ware bereits nachgekom¬ 
men. 
Der Ahornzucker in Kanada 
Bekanntlich bildet das Ahornblatt 
das Wahrzeichen Kanadas. Wie viele 
aber kennen die Sonderheiten des 
in gewissen Regionen des amerika¬ 
nischen Nordens majestätische For¬ 
men annehmenden Ahombaums? 
Es ist nicht selten, dort Ahörn- 
bäume von 35 Meter Flöhe mit 
einem Stammumfang von 1,30 Meter 
anzutreffen. Das dichte Laub nimmt 
im Herbst eine bunte Fäx-bung an, 
die vom Goldgelb über ein tiefes 
Rot bis zum matten Grün geht. Als 
sich die ersten Europäer, die fran¬ 
zösischen Einwanderer, an den 
Ufern des Sankt - Lorenz - Stroms 
niederließen. brachten sie dem 
Ahornbaum die gleiche Verehrung 
entgegen, die sie in ihrer Heimat 
der Eiche hatten angedeihen lassen. 
Was aber dem Ahorn seine be¬ 
sondere Bedeutung verleiht, was 
das Geheimnis der besonderen Liebe 
erklärt, die das kanadische Volk 
dieser Pflanze entgegenbringt, das 
ist der wertvolle Saft des Ahorn¬ 
baums, der den Ahornsirup und den 
Ahornzucker liefert. Zu Beginn des 
Monats März, wenn die Schnee¬ 
schmelze einsetzt, nehmen die kana¬ 
dischen Bauern, alt und jung, ihren 
Weg in die „Zuckerhütten“. Schon 
vorher werden die Rinden der 
Ahornbäume leicht eingeritzt, und 
der entrinnende Saft wird in klei¬ 
nen an die Stämme gebundenen 
Behältern aufgefangen. Mit kleinen 
Pferdeschlitten fahren die Bauern 
zwischen den Bäumen durch und 
entleeren die Behälter in ein auf 
den Schlitten aufmontiertes Faß. In 
den Hütten haben die Frauen in¬ 
zwischen das Feuer bereitet, und in 
Kupferkesseln wird der Saft zur 
Verdünstung gebracht und der Sirup 
oder, bei dickerem Einlcochcn, der 
Zucker gewonnen. 
Das Verfahren war bereits den 
Indianern bekannt. Die Legende 
will, daß einer von ihnen eines 
Tages zufällig ein Stück Ahorn¬ 
rinde abgeschält hatte und daß er 
den Saft, der danach zu tropfen 
begann, . schlürfte und besonders 
köstlich fand. Er hatte dabei noch 
den Einfall, das von ihm erbeutete 
Wild in dem zuckrigen Saft zu 
kochen. Der Erfolg war, daß viele 
seiner Stammesgenossen die Zube¬ 
reitung der „Spezialplatte“ nach¬ 
ahmten. Für die Indianerkinder be¬ 
deutete es ein besonderes Labsal, 
die Kochgeschirre nach ihrem Ge¬ 
brauch auszuschlecken, und später 
kam man darauf, den gewonnenen 
Zucker auch für andere Zwecke zu 
verwenden. Vielleicht ist diese Ge¬ 
schichte nur eine reine Erfindung, 
wenn es auch durchaus möglich ist, 
daß man durch einen solchen Zufall 
auf die besonderen Eigenschaften 
des Ahornsaftes aufmerksam ge¬ 
macht wurde. 
Kulturnotizen 
In einem New Yorker Verlag er¬ 
schien Fritz , von Unruhs neuestes 
Werk „Der Antichrist in Paris“ 
unter dem englischen Titel „The 
End is not Yes“, in dem der Dichter 
Abrechnung hält mit dem Nazi¬ 
regime. 
♦ 
Am 20. Juli findet in Treguler die 
Einweihung des Ernest-Rcnan-Mu- 
seums statt. Neben Manuskripten 
und Erstausgaben seiner Werké 
haben im Geburtshaus des bedeu¬ 
tenden französischen Gelehrten Ge¬ 
mälde und sonstige .Andenken Aus¬ 
stellung gefunden. Ebenso ist sein 
Arbeitszimmer aus dem Collège de 
France mit den Originalmöbeln ge¬ 
treulich nachgeahmt, worden. 
' » 
Während der internationalen 
Filmwoche in Locarno findet eine 
Sonderveranstaltung unter der Mit¬ 
wirkung der UNESCO unter dem 
Titel „Der Film als Mittel zur 
Völkerverständigung“ statt. Dabei 
gelangen die besteh Dokumentar¬ 
filme aus allen Ländern der Welt 
zur Aufführung. 
• 
Im Atlas-Verlag in Paris erschien 
Robert Neumanns neuester Roman 
„Wiener Kinder“ in französischer 
Übersetzung. * 
Marcel Pagnol hat den Begleit¬ 
text zu einem Kurzfilm über das 
Leben des verstorbenen Schau¬ 
spielers Raimu geschrieben, in dem 
Ausschnitte mit den charakteri¬ 
stischsten Szenen der Raimu-Filme 
eingearbeitet werden. 
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