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„Die Arbeit** -
Januar 1947
I n allen Kulturländern hat man der
** Tätigkeit der Konsumgenossen¬
schaften seit Jahrzehnten nicht nur
größte Aufmerksamkeit geschenkt,
sie vor Benachteiligungen in ihrer
Entwickelung geschützt, sondern sie
im Interesse der Allgemeinheit und
als wichtigen Faktor innerhalb der
Volkswirtschaft nach Möglichkeit ge¬
fördert. Anders war es im Dritten
Reich.
Etwas später, aber umso gründ¬
licher, hat man — genau wie die Ge¬
werkschaften — auch die Konsum¬
genossenschaften zerschlagen bzw.
einem Interessentenklüngel geopfert.
„Sie paßten nicht in das System der
politischen und wirtschaftlichen Dik¬
tatur der Nationalsozialisten; des¬
halb erzwang man gewaltsam ihre
Auflösung. Alte Genossenschaftler
und Gewerkschaftler mußten taten¬
los Zusehen, wie ihnen das in jahr¬
zehntelanger Arbeit mühselig aufge¬
baute Werk vernichtet, das gesamte
genossenschaftliche Vermögen, da¬
runter im Saargebiet allein 50 eigene,
schuldenfreie Häuser, von den Nazi
gestohlen wurde.
Zwischen den Konsumgenossen¬
schaften und den Gewerkschaften
des Saargebietes — sowohl den christ¬
lichen, als auch den freien — be¬
standen bis zum Jahre 1935 enge
wirtschaftliche und soziale Beziehun¬
gen. Dies war nicht immer so ge¬
wesen.
In den Verwaltungen der größe¬
ren saarländischen Konsumgenossen¬
schaften waren bis zu den Jahren
1920/25 Männer tätig, die bei voller
Anerkennung ihrer geschäftlichen
und genossenschaftlichen Tätigkeit
wenig Verständnis für die gewerk¬
schaftlichen Fragen besaßen. Jahre¬
lange Kämpfe um das Mitbestim¬
mungsrecht der Gewerkschaften in
den Konsumgenossenschaften führ¬
ten wiederholt zu heftigen Ausein¬
andersetzungen bei den genossen¬
schaftlichen Generalversammlungen.
Mit dem Erstarken der Gewerk¬
schaften in jenen Jahren und dem
immer mehr in den Verwaltungen
der Konsumgenossenschaften sich be¬
merkbar machenden Einfluß dersel¬
ben ging trotz dieser Auseinander¬
setzungen eine immer stärker sich
entwickelnde Genossenschaftsbewe¬
gung hervor.
Die Umsätze der Konsumgenossen¬
schaften stiegen von Jahr zu Jahr;
das Verkaufsstellennetz wurde weit¬
räumiger und dichter und kleinere
Genossenschaften schlossen sich den
größeren an. Auf diese Art wurden
in vielen Fällen wirtschaftliche und
finanzielle Schwierigkeiten überwun¬
den und die Filialen der Konsumver¬
Gewerkschaft und Genossenschaft
i
eine konnten auch da, wo private
Betriebe bei gleichen Voraussetzun¬
gen längst zuin Erliegen gekommen
waren, ihre Tätigkeit fortselzen.
Bei dem wachsenden Einfluß der
Gewerkschaften in der damaligen
Zeit spielte das Lohn- und Arbeits-
verhältnis der in den Konsumgenos¬
senschaften beschäftigten Arbeitneh¬
mer bei den gewerkschaftlich-genos¬
senschaftlichen Auseinandersetzun¬
gen eine entscheidende Rolle.
Die demokratische Einrichtung der
Konsumgenossenschaften bringt es
mit sich, daß das Genossenschafts¬
mitglied auch zugleich „Arbeitgeber“
ist. Wenn auch formell die Genos¬
senschaftsverwaltungen über diese
geschäftlichen Dinge zu entscheiden
haben, so hängt bis zu einem gewis¬
sen Grade doch auch von der Ein¬
sicht der Genossenschaftsmitglieder
ab, wie die Arbeitsverhältnisse im
Konsum sich gestalten sollen.
Ganz natürlich war ep, daß die Ge¬
werkschaften bei ihrem stets größer
werdenden Einfluß in den Verwal¬
tungen der Genossenschaft daran in¬
teressiert sein mußten, in ihren Be¬
trieben vorbildliche Lohn- und Ar¬
beitsverhältnisse zu schaffen.
Eine einsichtige und kluge Genos-
scnschaftsverwnltung wird und kann
sich solchen Anregungen umso weni¬
ger widersetzen, wenn diese durch¬
führbar, zweckmäßig und für das
genossenschaftliche Unternehmen
tragbar sind.
Die Konsumgenossenschaften des
Saargebietes haben sich nach dem
ersten Weltkrieg, nachdem die Fol¬
gen der Währungsschwierigkeiten
jener Jahre überwunden waren, zu
finanziell gesunden und beachtlichen
Unternehmen entwickelt. Über 50 000
Familien waren ihnen angeschlossen,
das bedeutet, daß fast ein Vier¬
tel aller saarländischen
Haushaltungen von den Kon¬
sumgenossenschaften mit den wich¬
tigsten Lebensgütem versorgt wur¬
den. .Im Jahre 1934 zahlten sie an
ihre Mitglieder an Rückvergütung
6 Millionen Franken aus. Neben der
Hauptaufgabe der Konsumgenossen¬
schaft, ihren Mitgliedern gute und
preiswerte Waren zu beschaffen,
haben sie den ihnen angeschlossenen
Familien durch die alljährliche Be¬
reitstellung einer so beträchtlichen
Rück-Vergütungssumme wertvolle
Hilfe geleistet.
Nach 12 Jahren Willkürherrschaft,
inmitten unübersehbarer Trümmer,
hat im Laufe des verflossenen Jahres
auch im Saargebiet wieder der Neu¬
aufbau der Konsumgenossenschaf¬
ten begonnen.
Auf der Grundlage der Selbstver¬
waltung und Selbstverantwortung,
getragen von dem Bewußtsein, daß
unsere Wirtschaft ohne die genos¬
senschaftliche Selbsthilfe kaum einen
Ausweg aus diesem Elend findet,
hat es sich die Einheitsgewerkschaft
zur Aufgabe gemacht, rückhaltlos
dafür einzutreten, daß das Unrecht,
das man unseren saarländischen Kon¬
sumgenossenschaften angetan hat,
restlos wieder gutgemacht wird.
Aus eigener Kraft
ohne fremde Hilfe haben sich die
Konsumgenossenscha ften
aus kleinen Anfängen entwickelt.
Zum Erfolg
führte sie die stete Befolgung der bewährten
genossenschaftlichen Grundsätze.
Gemeinschaftssinn und Gemeinschaftsbestrebungen werden
gefördert durch die
Konsumgenossenschaften.
Das Gouvernement Militaire de la
Sarre hat uns mit der Genehmigung
zur Gründung unserer Gewerkschaf¬
ten auch gleichzeitig den Auftrag
erteilt, die Schaffung von zwei neuen
Konsumgenossenschaften i?n Saarge¬
biet durchzuführen und ihre spätere
Betreuung zu übernehmen. Wir wer¬
den uns diesen Aufgaben umso lieber
widmen, weil wir aus der Erfahrung
früherer Jahre wissen, daß unsere
eigenen gewerkschaftlichen Bemü¬
hungen um Bessergestaltung der Le¬
benshaltung der schaffenden Men¬
schen durch die Tätigkeit der Kon¬
sumgenossenschaften als Preisregu¬
lator im Wirtschaftsleben wertvolle
Ergänzung und Sicherung erfahren.
Beim , Wiederaufbau unserer Ge¬
nossenschaften werden wir mit aller
gebotenen Sorgfalt zu Werke gehen.
Die Vielheit an kleineren Genossen¬
schaften wollen wir im Interesse der
Leistungsfähigkeit und Schlagkraft
nicht mehr erstehen lassen. Je mäch¬
tiger unsere Genossenschaftsbewe¬
gung wird, je mehr sie sich zu einer
Interessengemeinschaft emporarbei¬
tet, den Wareneinkauf zentralisiert,
desto erfolgreicher wird sie in der
Warenverteilung wirken können.
Zu den großen Aufgaben, vor denen
wir als Gewerkschaftler heute stehen,
gehört auch die Frage über die zu¬
künftige Gestaltung unserer Wirt¬
schaft. Die Verantwortung, die wir
vor dem schaffenden Volke haben
und deren wir uns vollkommen be¬
wußt sind, gebietet es uns, nicht nur
die Tagesfragen nach bestem Können
zur Zufriedenheit zu lösen, sondern
auch für die Zukunft zu planen, zu
ordnen und vorzubereiten.
Viele Kräfte werden wir aufbrin¬
gen müssen, um diese grundsätzlichen
Dinge der zukünftigen Wirtschafts¬
gestaltung einer Lösung entgegenzu¬
führen. Hierbei werden uns die Kon¬
sumgenossenschaften mit ihren be¬
triebswirtschaftlichen Erfahrungen
auf dem Gebiet der Warenverteilung
und der Versorgung der Bevölke¬
rung wichtige und unentbehrliche
Helfer sein. Diese allein schon des¬
halb zu stärken und zu leistungs¬
fähigen, mustergültigen Handels- und
Wirtschaftsbetrieben wieder auszu¬
bauen, ist mit eins unserer dringend¬
sten Pflichten.
Die Einheitsgewerkschaft wünscht
eine rege genossenschaftliche Be¬
tätigung aller Gewerkschaftler. Für”5
diejenigen unserer Kameraden, die
die Mitgliedschaft in einer unserer
beiden Konsumgenossenschaften bis
jetzt noch nicht wieder erworben
haben, ist im neuen Jahr 1947 erste
Pflicht:
„Hinein in die
Konsumgenossenschaft!**
J@ims®8ts <dl<s
I— r geht rasch von einer Zimmerecke
zur anderen. Sein Fuß stößt an
den alten Webstuhl, an dem zehn
Bauerngenerationen 6aßen und arbei¬
teten. Er hielt an und 6agte beinahe
furchtsam: „Entschuldige mich, das
ist Gewohnheit Zehn Jahre marschierte
ich den ganzen Tag wie eben. Sechs
Schritte gegen die grüne Eisentür,
sechs Schritte gegen das Fenster,
durch welches die Schreie der Straßen¬
kinder drangen, die draußen spielten.
Zehn Jahre, 120 Monate, 3650 Tage,
87 600 Stunden. Tausende Kilometer
auf dem grauen Zementboden und ich
habe nichts gesehen als meine Füße,
die sich vorwärts und rückwärts be¬
wegten. Zehn Jahre, so einfach wie
tausend andere." So sprach Joaquin
Comas. Er kam vor ’einem Monat aus
dem Gefängnis in Barcelona. Diesen
Mann besuchte ich auf der anderen
Seite der Pyrenäen.
„Es wurden ziemlich überall dieser
Tage Verhaftungen vorgenommen.
Man muß sich in Acht nehmen. Auch
Bomben werden geworfen. Diesmal
waren s i e es. Eine Provokation, die
der ONU galt. Das nächste Mal weiß
man nicht, wer sie werfen wird. Es
r [pyr@in)Įin>
ist schwer, den Leuten zu sagen, daß
sie Geduld haben sollen und ihnen
Ruhe zu empfehlen. Der Abbruch
der Beziehungen wird die erste
Etappe im Kampf gegen Franco sein.
Die Diplomaten werden ihre Mis¬
sion beendet haben. Franco und seiner
Clique fehlt es nicht an Brot und
Fleisch auf ihren Tischen, aber das
Volk leidet. Franco wird nicht von
selbst gehen. Er hat seine besondere
Art von Veranlwortlichkeitsgefühl. Er
ist ein Fanatiker und er glaubt wirk¬
lich, daß er ein Gesandter der Vor¬
sehung ist. Aber das Volk wird nach
zehnjähriger Unterdrückung gegen
Franco kämpfen. Jetzt sind es noch
Flugblätter und Zeitungen, aber e3
wird andere Waffen haben. Sie wer¬
den schon geschmiedet. Es wird kein
Bürgerkrieg geben wie die Wider¬
standsbewegung oder ein Bürgerkrieg
im Balkan oder sonstwo. In diesem
Moment wissen wir denen zu antwor¬
ten, die sagen: „Franco ist trotz aller
Fehl r die „Ordnung". Es wird eine
Gelegenheit kommen, die sich nie
mehr in der Geschichte wiederholen
wird. Diesmal lassen wir uns nicht
mehr zurückhalten. Es ist nicht viel,
was wir wollen, wir wollen nur das¬
selbe, was die Franzosen, Amerikaner
und Engländer schon haben. Wir wol¬
len, daß die Erde den Bauern 6el
und nicht .fünfzig Aristokraten. Wir
wollen, daß 20 Millionen Bauern Käu¬
fer werden und, daß unsere Industrie
diesen 20 Millionen das liefern kann,
was sie zu einem menschlichen Leben
brauchen. Wir wollen, daß diese In¬
dustrie eich verbreitert und daß den
Arbeitern die Existenzmöglichkeit wie
im übrigen Europa gegeben und ihre
Zukunft gesichert wird. Wir wollen,
daß die Kirche aufhört, sich in die
Politik zu mischen. Wir wollen, daß
die Armee nicht eine Bedrohung für
alle die darstellt, die nicht der Kaste
der Großgrundbesitzer angehören.
Wir haben unter der Feudalherr¬
schaft sehr gelitten. Franco hat ihre
Wiederkehr erlaubt. Und sie wird wie¬
der kommen, wenn man nur die Per¬
sonen wechselt. Franco ist nicht nur
ein Mensch, sondern ein Symbol. Was
er symbolisiert, das muß man besei¬
tigen und das kann man ohne zuviel
Aufhebens, ohne Internationale Ver¬
wicklungen, wenn man zu der Ueber-
zeugung kommt, daß es sein muß. Die
Franzosen haben es 1789 so gemacht,
die Engländer 200 Jahre früher und
die Amerikaner einige Jahre vorher.
Warum sollen wir es nicht machen?"
So sprach Joaquin Comas. Er er¬
zählte von tausend anderen persön¬
lichen Dingen, von Sorgen, Furcht,
Wünschen, Hoffnungen, inneren Kon¬
flikten. — Das Leben eines Gewerk¬
schaftsführers unter Franco ist kein
Vergnügen.
Kulturnotizen
Der französische Rundfunk stellt
zur Zeit Versuche einer neuen Kurz¬
wellensendeanlenne an, deren An¬
wendung einer Revolutionierung des
gesamten Sendewesens bedeutet, und
die es infolge eines neuen Verfah¬
rens rmöglicht, mehrere verschieden¬
artige Programme zugleich zu über¬
tragen. Der neue Sender soll insbe¬
sondere für die Uebertragung von
Stadtprogrammen in Frage kommen
und hat vorerst diie technische Be-,
Zeichnung Zeitimpulsmodulationssen-
der erhalten. Bekanntlich sind vor
kurzem mit ähnlichen Sendern — und
in jenem Falle allerdings mit Richt¬
strahlern — Übertragungen für draht¬
lose Telefonie vorgenommen worden.
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