Full text: 1947 (0002)

Das Aufgabengebiet der Gewerk¬ 
schaften hat sich nach dem Krieg 
wesentlich erweitert. Wenn sie auch 
in der Vergangenheit manchesmal 
nur Lohnregulierungsmaschine ge¬ 
wesen sind, so ging ihr Bestreben 
doch zielbewußt dahin, als aktiv 
tätige Mitgestalter echte Wirt¬ 
schaftsdemokratie zu entfalten. Für 
die Gewerkschaften war und ist die 
politische Demokraie nur eine Vor¬ 
aussetzung zur Demokratisierung 
der Wirtschaft, d. h. die Gleichbe¬ 
rechtigung auch auf wirtschaftlichem 
Gebiet. Diese Gleichberechtigung 
auf wirtschaftlichem Gebiet, nennen 
wir die Wirtschaftsdemokratie oder 
— anders soll nicht gegen die Träger 
der Wirtschaft, sondern mit ihnen 
durchgeführt werden. Wir vertreten 
damit weder den Gedanken einer 
Arbeitsfront oder Betriebsgemein¬ 
schaft mit Führerprinzip, sondern 
den Gedanken der tätigen Mitwir¬ 
kung aller wirtschaftlichen Kräfte 
und> Energien, vor allem der ihnen 
anvertrauten menschlichen Arbeits¬ 
kraft. ' - ■■ 
Wenn ein gütiges Geschick und 
die Einsicht der alliierten Kampf¬ 
truppen den Saarbergbau vor dem 
Allerschlimmsten bewahrt haben, so 
waren es aber auch Arbeiter und 
Angestellte, die in der Notzeit ihren 
Mann standen und den Saarbergbau 
über die Kriegs- und Nachkriegs¬ 
wirren hinübergerettet haben. Der 
Wiederankurbelung der Wirtschaft 
durch eine relativ gute Kohlenför¬ 
derung hat sich der verantwortungs¬ 
bewußte Saarbergmann nicht ent¬ 
zogen. 
Zur Zeit steht der Saarbergbau 
unter Sequester der Militär-Regie- 
mng. Der gegenwärtige Zustand ent¬ 
spricht aber in keiner Weise der 
gewerkschaftlichen Auffassung von 
Wirtschaftsdemokratie. Solange das 
Besitzverhältnis nicht geklärt ist, 
wird es schwer fallen, in eine echte 
Wirtschaftsdemokratie hineinwach¬ 
sen zu können. Die Verstaatlichung 
des Saarbergbaues aber ist eine ge¬ 
werkschaftliche Forderung. Mit der 
Sozialisierung des ' Saarbergbaues, 
wie überhaupt mit der Demokrati¬ 
sierung der Wirtschaft werden die 
Fronten zwischen Kapital und Ar¬ 
beit ineinander übergehen. Die Ge¬ 
werkschaften werden dann der Wirt¬ 
schaft nicht mehr grundsätzlich in 
alter Kampfstellung gegenüber- 
stehen, sondern selbst Träger und 
Gestalter der Wirtschaft sein. Sie 
werden einen Teil der Funktionen 
der Wirtschaft selbst übernehmen. 
Es versteht sich von selbst, daß 
eine Gewerkschaft auch betriebliche 
Vorteile aisszu werten vermag, die 
nicht nur darin bestehen, Betriebs¬ 
versammlungen abzuhalten, sondern 
aus Zweckmässigkeitsgründen sich 
auch des Lohnbüros zur kassentech¬ 
nischen Erfassung seiner Mitglieder 
bedienen wird. Darin eine Methode 
der Arbeitsfront zu sehen, beweist 
nur mangelnde gewerkschaftliche 
Weitsicht. 
Selbstverständlich kann die Sa¬ 
nierung der Wirtschaft auch mit 
kapitalistischen Mitteln versucht 
werden. Damit wären die . wirt¬ 
schaftlichen und sozialen Probleme 
aber nicht gelöst. Eine wirkliche 
Gesundung wäre nur hinausgezö¬ 
gert und die Gefahr einer neuen 
Katastrophe wäre gegeben. 
" Die Gewerkschaften stehen in 
dieser Hinsicht vor außergewöhn¬ 
lichen Aufgaben. Die Voraussetzung 
hierzu ist die Einigung der gesam¬ 
ten Arbeitnehmerschaft. Nur die 
Ge w erk sch a f t sei nh’eit ver¬ 
mag entscheidenden Ein¬ 
fluß auf die soziale Neu¬ 
ordnung der Wirtschaft 
zu nehmen. Jeder Versuch der 
, Spaltung der Arbeitnehmerschaft 
muß nicht nur als ein Verbrechen 
Praktische Wirtschaftsdemokratie 
gebrandmarkt, er muß auch ener¬ 
gisch bekämpft werden, Spalter ist 
nicht nur der, welcher den Tren¬ 
nungsstrich zieht, sondern auch 
der, welcher die Ursache 
dazu gibt. Die Einigung der Ar¬ 
beiterschaft in der Einheitsgewerk¬ 
schaft muß die religiöse und 
parteipolitische Neutra¬ 
lität als unantastbare 
Grundlage haben. Gelingt uns 
das nicht, dann ist es um die Volks¬ 
und Wirtschafts-Demokratie ge¬ 
schehen. '■ V 
Der Industrieverband Bergbau 
der Einheitsgewerkschaft hat be¬ 
wiesen, daß er den Anforderungen 
der saarländischen Wirtschaft ge¬ 
recht wurde. Mag eine kluge und 
zielbewußte Politik der Saargruben¬ 
verwaltung auf dem Sektor der 
Verpflegung im Interesse der Lei¬ 
stungssteigerung - zu einem Erfolg 
geführt haben, so hat die in aller 
Verantwortung geführte Gewerk¬ 
schaftsarbeit einen mindest eben so 
großen Anteil daran. Der Einsatz 
aller Funktionäre zur Erzielung 
eines reibungslosen Betriebsablaufs, 
so wie der gewerkschaftliche Ein¬ 
fluß auf Verhandlungen zum Besten 
der Saarbergarbeiter hat die Lei¬ 
stung entscheidend beeinflußt. 
Der Außenminister Frankreichs 
hat auf der Moskauer Konferenz 
die Auffassung vertreten, daß die 
gegenwärtigen Bemühungen zu 
Gunsten der Bergarbeiter fortge¬ 
setzt werden müssen. Darunter ver¬ 
stehen wir auch eine noch bessere 
Berücksichtigung wohlüberlegter, 
verantwortlicher gewerkschaftlicher 
Forderungen. Wenn die Verzöge¬ 
rung der Betriebsrätewahlen uns 
bis zur Stunde noch eine gesetzliche 
Grundlage versagt, so vertreten wir 
die Auffassung, daß eine Zusam¬ 
menarbeit zum Besten der Werte 
schaffenden Menschen und zum 
Nutzen der saarländischen Wirt¬ 
schaft nicht von einem Gesetz ab-' 
hängig gemacht werden darf. Wenn 
der kommende Betriebsrat der ver¬ 
längerte Arm der Gewerkschaft ist, 
um den gewerkschaftlichen Einfluß 
im Betrieb noch besser zu veran¬ 
kern, so muß den heutigen Betriebs¬ 
vertretungen auch ohne Betriebs¬ 
rätegesetz jetzt schon entsprechende 
Rechte eingeräumt werden. Unter 
keinen Umständen darf es Vorkom¬ 
men, daß Betriebe schon monate-^ 
lang um einen Betriebs Vertreter* 
kämpfen müssen. Nicht auf allen 
Saargruben, trägt man den Erfor¬ 
dernissen der Zeit Rechnung. 
Eine allgemeine Ablehnung findet 
die monatliche Fettzuteilung ge¬ 
messen nach dem Verdienst. Wir 
freuen uns, daß der Kreis der Be¬ 
zugsberechtigten nicht nur wie vor¬ 
gesehen auf die Gedingehauer be¬ 
schränkt, sondern die Schicht¬ 
löhner von Unter- und 
Übertage mit hereinbezo¬ 
gen wurden. Darüber hinaus 
aber warnen wir vor der Anwen¬ 
dung eines Prämiensystems zur Er¬ 
reichung bestimmter Fettmengen. 
Der Bergbau im allgemeinen und 
. der Saarbergbau im besonderen ist 
empfindlich genug, auf ungerechte 
und unsolidarische Maßnahmen zu 
reagieren. 
Berechtigten Anlaß zur Kritik hat 
auch die Einrichtung der Zwangs- 
küchenbenutzung gegeben. Die 
durchgeführten Abstimmungen auf 
y den Gruben von Gruppe Ost haben 
gezeigt, daß durchschnittlich 97 •/* 
der Belegschaft die zwangsweise 
Küchenbenützung - ablehnen. Wir 
wenden uns damit nicht gegen die 
Werksküchen als soziale Einrich¬ 
tung. 
Dieser Hinweis auf dem Sektor 
der Verpflegung der -Saarbergleute 
möge zeigen, daß der Industriever¬ 
band Bergbau in aller Verantwor¬ 
tung seine Forderungen vertritt 
Wir wünschen^ auch, daß man uns 
als Gewerkschaft nicht vor vollen¬ 
dete Tatsachen stellt, sondern bei 
allen betrieblichen Maßnahmen so 
’verfährt, als ob das Betriebsräte¬ 
gesetz schon Tatsache wäre. 
Aloys SchmitD* 
Fachgruppe der Bergbauangestellten 
Am . 28. April ds. J. fand unter 
dem Vorsitz der Kollegen Stiefken, 
Gruppe Ost, im Lokale Theobald 
Saarbrücken die Gründung der 
Fachgruppe der Bergbauangestell¬ 
ten des Saarbergbaues statt. Aus 
diesem Grunde erschienen die Dele¬ 
gierten von sämtlichen Schachtan¬ 
lagen, Nebenbetrieben, Grubenver¬ 
waltungen und Hauptverwaltung. 
Abwesend waren 41 Delegierte und 
der Vorsitzende des tIndustriever¬ 
bandes Bergbau,. Kollege Alois 
Schmitt. 
Auf der Tagesordnung stand als 
Hauptpunkt die Bildung der Fach¬ 
gruppe der... Bergbauangestellten. 
' In einem kurzen Referat legte 
Kollege Stiefken Ziel und Zweck 
der Delegierten-Tagung dar und 
führte dabei aus, daß, nachdem der 
äußere, Aufbau des Industriever¬ 
bandes Bergbau vollzogen worden 
ist, die nächste Aufgabe des Ver¬ 
bandes sei, die innere Struktur der 
Gewerkschaft einer Revision zu un¬ 
terziehen. Die' Bergbauangestellten 
wünschten die Bildung der „Fach¬ 
gruppe der Bergbauangestellten'' 
mit selbständigem Sekretariat, eige¬ 
ner Leitung und Geschäftsführung. 
Die Fachgruppe hat in Zukunft die 
Aufgabe, die speziellen Belange der 
Angestellten in arbeitsrechtlicher 
wie in sozialpolitischer Hinsicht 
wirksam zu vertreten und die be¬ 
ruflichen wie wirtschaftlichen In¬ 
teressen der Angestellten wahrzu¬ 
nehmen. 
Eine weitere Aufgabe der Fach¬ 
gruppe wird es sein, der geistigen 
und technischen Arbeit der kauf¬ 
männischen, wie technischen Ange¬ 
stellten die Bewertung zu erkämp¬ 
fen, die ihr nach ihrer großen 
volkswirtschaftlichen Bedeutung zu¬ 
kommt. Sie verleugnen damit kei¬ 
neswegs den Gedanken der Solida¬ 
rität aller Arbeitnehmer und haken 
fest an den Prinzipien der Einheits- 
' gewerkschaft der Arbeiter, Ange¬ 
stellten und Beamten. 
Nach eingehender Aussprache 
wurde folgende Resolution ein¬ 
stimmig angenommen: 
1. Bildung der' Fachgruppe der 
Bergbauangestellten im Rahmen des 
Industrieverbandes Bergbau der 
Einheitsgewerkschaft. 
2. Bildung eines selbständigen 
Sekretariats mit eigener Geschäfts¬ 
führung und Leitung und den da¬ 
zugehörigen technischen Hilfskräf¬ 
ten. 
3. Als Vorsitzender der „Fach¬ 
gruppe der Bergbauangestellten“ 
wurde der Kollege Theodor Stiefken 
einstimmig gewählt. 
4. Wahl eines Fachgruppen-Sek- 
retariats aus den verschiedensten 
Angestellten-Kategorien des Berg¬ 
baues. 
In das Fachgruppen - Sekretariat 
wurden folgende Kollegen gewählt: 
die Kollegen Aloys Biese],, Stgr. u. 
Tage, Grube Reden; Robert Jost, 
Magazinsteiger, Grube Viktoria 
Griesborn; Emil Gerhard, Kokerei¬ 
steiger, Grube Reden; Heinrich 
, Wendel, Elektrosteiger - Anwärter, 
Grube Heirütz; Johann Wahrheit, 
Fördermaschinist, Grube Hirsch¬ 
bach; Rieh. Kaufmann, Bau- und 
Vermessungswesen, Verwalt. Neun¬ 
kirchen; Fritz Hollinger, Lohnbuch¬ 
haltung, Grube Heinitz; Robert 
Dörr, Hauptverwalt. Saarbrücken. 
Ferner gehören dem Sekretariat 
die beiden Angestelltenvertreter der 
Gruppe Mitte und West, die Kol¬ 
legen Heinrich Braun und Johann 
Schlichter, an. . - - .• .. 
Ab 1. Mai 1947.-hat die „Fach¬ 
gruppe der • Bergbauangestellten** 
die Tätigkeit aufgenommen. 
Stiefken. 
VERBANDSMITTEILUNGEN 
Rechtsschutz und Sozialabtellung 
Sprechstunden: 
St. Wendel 7 Betriebsamt der 
Eisenbahn. Montags von 9—12 Uhr.' 
Neunkirchen / Lokal Müller, 
Wellesweilerstr., Montags von 14 
bis 17 Uhr. 
Saarlouis 7 Bierstraße* Diens¬ 
tags von 9 bis 12 Uhr. 
Völklingen / Poststraße 21. 
Dienstags von 14 bis 17 Uhr. 
Homburg 7 Am Bahnhof. Mitt¬ 
wochs von 9 bis 12 Uhr. 
St. Ingbert / Kaiserstraße. Mitt¬ 
woch von 14 bis 17 Uhr. 
Dudweiler / Büchelstr-, Lokal 
Kopp. Donnerstag von 9—12 Uhr. 
Sulzbach / Volkshaus. Donners¬ 
tag von 14 bis 17 Uhr. ' .s 
Riegelsberg / Lokal Gabriel. 
Samstags von 9 bis 12 Uhr. 
Saarbrücken / Brauerstr. 6—8. 
Täglich von 8 bis 12 Uhr und von 
14 bis 16 Uhr. 
• Wir bitten alle. Verbandsmitglie- 
der, gewerkschaftliche Hilfe und 
Auskunft bei den zuständigen Ge¬ 
schäfts- und Beratungsstellen ein¬ 
zuholen; - . 
Sprechstunden der Verbandsleitung 
Saarbrücken, Brauerstr. 6—8. 
Telefon Nr. 62 20. 
Montags geschlossen, 
Dienstags von 9 bis 12 Uhr und 
von 14 bis 16 Uhr. 
Mittwochs von 9 bis 12 Uhr und 
von 14 bis 16 Uhr. 
Donnerstags von 9 bis 12 Uhr und 
von 14 bis 16 Uhr. 
Freitags geschlossen, ~" 
Samstags geschlossen. 
Geschäftsstelle Sulzbach, Volks haus, 
, Hauptstraße 116. 
Dienstags von 9 bis 12 Uhr und 
von 14 bis 17 Uhr. 
* Freitags von 9 bis 12 Uhr und 
von 14 bis 17 Uhr. 
Geschäftsstelle Luisenthal, 
Provhizialstr. 9. 
Dienstags von 8 bis 12 Uhr und 
von 13 bis 17 Uhr, 
Mittwochs von 8 bis 12 Uhr und 
von 13 bis 17 Uhr,. . 
Donnerstags von 8 bis 12 Uhr" und 
von 13 bis 17 Uhr.
	        
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