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.Die Arbeit"
März 1947
Beteiligung am Reingewinn
Die Frage, ob und in welcher Form
die Belegschaften mittels gesetzlicher
Regelung am Betriebsgewinn eines
Unternehmens beteiligt werden sol¬
len, ist in der jüngsten Zeit mehr¬
fach erörtert worden. Uber die vielen
theoretischen Erörterungen hinaus,
. die auch an anderen Stellen diese
Frage beschäftigt, wurde von dem
Inhaber mehrerer großer Maschinen-
und Metallwarenfabriken des Westens
versucht, durch praktische Ma߬
nahmen, verankert in Bestimmungen,
die der Betriebsordnung bzw. den
Satzungen der Gesellschaft eingefügt
werden, die Frage zu lösen. General¬
konsul Gottwald, der in Hat¬
tingen (bei Bochum) in Lintorf und
in Düsseldorf die oben Erwähnten
Fabriken in Form einer Komman¬
ditgesellschaft führt, hat den
Belegschaften die' folgenden Vor¬
schläge auf Beteiligung am Reinge¬
winn gemacht:
Von den nach Abzug der gesamten
Unkosten und , Abschreibungen bei
der Kommanditgesellschaft, die sämt¬
liche Werke in sich vereint, verblei¬
benden Reingewinn werden zunächst
die Beträge abgezogen, die eine vier¬
prozentige Verzinsung des Komman-
ditkapitals ausmachen. Von dem
restlichen Gewinn sollen vierzig
Prozent zur Verteilung an die
Werksangehörigen gehen, mit
der Maßgabe, daß sie vollständig frei
für die Art der Verwendung ver¬
fügen können... Die Gesamtsumme
wird im übrigen in bar zur Verfü¬
gung gestellt und nicht etwa durch
• Bildung eines Sozialfonds oder ähn¬
liches. Voraussetzung jst, daß tat¬
sächlich nach Deckung etwaiger Ver¬
luste ein Reingewinn vorhanden ist.
Ist dieser nicht erreicht worden —
^die Werke der Gottwald-Gruppe ar¬
beiten wegen unzureichender Aus¬
nutzungsmöglichkeit der Kapazität
zurzeit noch mit Verlusten — so ent¬
fällt auch die Beteiligung der Beleg¬
schaft am Ertrag.
* Damit ist wohl der erste prak-
✓ tische'Vorschlag auf Beteiligung der
Belegschaft am Reingewinn eines
Werkes gemacht worden. Er kann
natürlich nur dann in Kraft treten,
wenn eine gesetzliche Regelung keine
andere Lösung vorsieht. In der rhei¬
nisch-westfälischen Industrie wurde
die gleiche i’rage übrigens bereits im
Jahre 1919 gelegentlich der großen
Sozialisierungswelle nach dem ersten
Weltkrieg aufgeworfen. Man ist aber
über akademische Erörterungen da-'
mais nicht hinausgekommen, der
Hebel der Gesetzgebung wurde nicht
angesetzt und die ganze Bewegung
verlief schließlich im Sande. In der
Zeit des Nationalsozialismus wurde
den Gefolgschaften die Gewinnbetei¬
ligung als eines der ersten Ergeb¬
nisse de/ neuen Zeit in Aussicht
gestellt. Es blieb aber bei diesen
bloßen Versprechungen.
Das Betriebskapital der
Konsumgenossenschaften
Bei der Neugrühdung von Kon*
sumgenossenschaften spielt die Frage
der Höhe des Geschäftsanteils eine
wichtige Rolle. Als um die Jahrhun*
dertwende in Deutschland die kon*
sumgenossenschaftliche Bewegung
einen starken Auftrieb erfuhr, stellte
man sich auf den Standpunkt, die
Höhe des Geschäftsanteils eines Mit*
glieds solle ungefähr dein Wochen*
lohn eines gelernten Arbeiters ent*
sprechen. Der Geschäftsanteil wurde
infolgedessen fast überall auf 20 bis
30 RM. festgesetzt. Bei den zur Zeit
vor sich gehenden Neugründungen
von Konsumgenossenschaften sollte
man einen Geschäftsanteil von 50
RM. als angemessen betrachten; denn
vor 1933 waren Geschäftsanteile in
Höhe von 60 RM. allgemein üblich.
Von großer Wichtigkeit ist, darauf
zu achten, daß die in der Satzung
4er Konsumgenossenschaft für die
Einzahlung der Geschäftsanteile vor*
gesehenen Fristen eingehalten wer¬
den. So wichtig die BeitrittSerklä*
rungen der Mitglieder, sind, nicht
'minder notwendig ist es, dafür, zu
sorgen, daß’ die mit dem Aufbau der
Genossenschaft betrauten Personen
alles daransetzen, um die Geschäfts*
anteile der Mitglieder nach den vor*
geschriebenen Fristen zusammenzu*
bringen. Hierdurch wird der kon*
sumgenossenschaftlichen Bewegung
nicht nur ein starker wirtschaftlicher
Auftrieb verliehen, sondern auch das
Interesse der Mitglieder für sie ent*
wickelt und wachgehalten. Das ln*
teresse der Mitglieder für das Wohl*
ergehen des Unternehmens ist für
die gesunde Entwicklung der Genos¬
senschaft eine' wichtige Voraus*
Aus eigener Kraft
ohne fremde Hilfe hoben sich die
Konsumgenossenschaften
aus kleinen Anfängen entwickelt.
7. Zum Erfolg
führte sie die stete Befolgung der bewährten
genossenschaftlichen Grundsätze.
Gemeinschaftssinn und Gemeinschaftsbestrebungen werden
gefördert durch dre
Konsumgenossenschaften.
Setzung. Die prompte Einzahlung der
Geschäftsanteile soll schließlich auch
allen in Frage kommenden amtlichen
Stellen zeigen, daß die Konsumge*
nossenschaf tler wirklich entschlossen
sind, alles zu tun, um die ihnen- durch'
die Nazis genommenen Einrichtungen
wieder aufzubauen und mit neuem
Leben zu erfüllen. W. P.
Zahlen sprechen
Die allgemeine Arbeitervereini¬
gung (CGT) in Frankreich zählt
über sechs Millionen Mitglieder. In
Italien wurde die Arbeitervereini¬
gung, die über 5 700 000 Arbeiter al¬
ler Strömungen, Sozialisten, Kom¬
munisten, Katholiken, Parteilose, zu¬
sammenfaßt, ziueincm der wichtig¬
sten Faktoren für die Demokratisie¬
rung des Landes. In Polen zählen die
einheitlichen Gewerkschaften etwa
zwei Millionen Mitglieder. Uj^erzwel
Millionen Mitglieder umfaßt die ge¬
einte Gewerkschaftsbewegung in der
Tschechoslowakei. Eine rege Tätig¬
keit entwickeln die Gewerkschaften
Jugoslawiens (800 000 Mitglieder),
Bulgariens (etwa 500 000 Mitglieder),
Rumäniens (1 500 000 .Mitglieder) und
Ungarns mit etwa 1 000 000 Mitglie¬
der. Auch in Belgien, Holland und
den skandinavischen Ländern er¬
starken die gewerkschaftlichen Or¬
ganisationen. . r
Gewerkschaften
und Frieden
Die Rolle der Gewerk¬
schaften für die Entwick¬
lung des Friedens behandelte
der Generalsekretär der UN, Trygve
Lie, in einer in Neuyork gehaltenen
Ansprache. Trygve Lie wies darauf
hin, daß man- die Bedeutung der Ge¬
werkschaften in dieser Frage gar'
nicht überschätzen könne, da sie die
öffentliche Meinung weiter Bevölke-
rungskrefse durch ihr Wirken für
die Verbesserung der wirtschaft¬
lichen und sozialen Lage der arbei¬
tenden Massen stark beeinflussen
und darüber hinaus die organisierte
Arbeiterschaft großen Einfluß auf
internationale Körperschaften habe.
Dcc ¡¿n
gegen Franco - Spanien
Ein Vertreter der spanischen
.Widerstandsbewegung, der dem Vor¬
stand der illegalen Gewerkschafts¬
organisation in einem großen spani¬
schen Industriezentrum angehört, hat
kürzlich während eines Aufenthaltes
in Frankreich einen Bericht über die
augenblickliche Lage in Francos
Diktaturstaat gegeben.
Er schilderte, daß die Not der
spanischen Arbeiterschaft unbe¬
schreiblich ist und täglich anwächst.
Die Lebensmittelpreise und die
Preise der übrigen Bedarfsartikel
haben in der letzten Zeit Steige¬
rungen bis zu ^00 Prozent erfahren,
während die Lohne im gleichen Zeit¬
raum* um bestenfalls 50 Prozent er¬
höht worden sind. Die allgemeine
Situation hat sich dadurch in einem
Maße verschärft, wie es noch nie,
selbst nicht vor den Ausbrüchen der
heftigen Streiks und Kampfe.unter
der Diktatur Primo Rivieras, vorge¬
kommen war.
In allen Industriezentren gewin¬
nen die Gegner Francos immer mehr
an Boden. Streiks ünd Protestaktio¬
nen. stehen trotz dem Polizeiterror
auf der Tagesordnung, und wenn
kürzlich Franco einige Divisionen
seiner Armee von der Pyrenäen¬
grenze zurückgezogen und sie in die
Nähe wichtiger Industriestädte ver-
"legt hat, so ist das ein deutliches
Zeichen dafür, welche Gefahr man
■dem wachsenden Widerstand in
Madrid bereits zumißt. Schärfste
Zensur und Terror können es nicht
.verhindern, daß dem spanischen Volk
die Nachrichten von den anderen
Ländern ■ ergriffenen Maßnahmen
gegen Franco-Spanien zu Ohren ge¬
langen, und die spanischen Arbeiter¬
massen sind von dem Wunsch be¬
seelt, daß sie noch deutlicher und
wirkungsvoller dazu verhelfeii, dem
Unterdrückersystem ein Ende zu be¬
reiten. Mit großem Interesse sind
die von Leon Jouhaux als Vertreter
des Weltgewerkschaftsbundes bei
der-U.N.O. gegen Franco gerichteten
. Schritte - zur Kenntnis genommen
wor-dep, und der Teilerfolg seiner
Forderungen hat die Gegner Francos
im eigenen Land in ihren Hoff¬
nungen und in ihrem Kampfeswillen
bestärkt. ’ 1
Die in langjähriger Kleinarbeit ge¬
formten Widerstandsgruppen der
Gewerkschaftsorganisationen gewin¬
nen immer. mehr an Anhang, und es
bestehen, heute schon Verbindungen
zwischen den Organisationen im
ganzen Land. Die Polizeibehörden
stehen dieser wachsenden Bewegung
machtlos gegenüber. Besondere Be¬
achtungverdienen noch die Angaben
des spanischen Gewerkschaftlers,
wonach die republikanischen Orga¬
nisationen auf spanischem Boden Zu¬
sammenarbeiten und im Hinblick
auf das gemeinsame Ziel, den Sturz
Francos, alle parteipolitischen Dis¬
kussionen zurückgestellt haben.
l/oft dec Rivalität zur Solidarität
Die beiden großen amerikanischen
Gewerkschafts - Organisationen, die
American Federation of Labor und
der'Congreß of Industrial Organiza¬
tion, die sich seit der Spaltung im
Jahre 1936 in einer Rivalität gegen-
überstehen,' die mitunter sehr hef¬
tige Formen angenommen hat, haben
sich zu einem Schritt entschlossen,
„der für die Zukunft der Gewerk¬
schaftsentwicklung in den Vereinig- _
ten Staaten von großer Bedeutung
sein kann. Im- Verlaufe der Streik¬
bewegungen der letzten Zeit war es
immer klarer geworden, daß die Un¬
einigkeit der Gewerkschaften sich,
nur zugunsten der Unternehmer¬
schaft auswirken konnte. Schon Prä¬
sident Roosevelt hatte im Jahre 1938
den führenden Persönlichkeiten der
beiden 'Verbände vorgeschlagen, den
Bruderkampf einzustellen und in
geschlossenem Block dem New-Deal
zum Sieg zu verhelfen. Vo» kurzem
hat nun der Präsident des Congreß
of Industrial • Organization, Philipp
Murray, dem Präsidenten der Ame¬
rican Federation of Labor, Green,
vorgesChlagen, daß künftighin bei
Lohnkonflikten die beiden Organi$a-„
tionen gemeinsam vorgehen sollen.
Green hat nun auf den -Verschlag in ..
günstigem Sinne geantwortet. Wenn
damit auch noch nicht anzunehmen
ist, daß es zu einer Wiederver¬
schmelzung , der beiden Verbände
kommt, so steht doch fest, daß in
Aktionen größeren- Ausmaßes eine
Masse von 15 Millionen organisierter
Arbeiter in geschlossener Front um
gemeinsame Ziele kämpfen wird. An
Versuchen, diesen Erfolg auszubauen
und auf eine Fusion überhaupt hin¬
zuzielen, wird es unter den nunmehr
günstigeren Aspekten für eine solche
Idee sicherlich nicht fehlen.
Die Ursachen dieser Annäherung
sind in den Vorkommnissen bei dem
letzten großen Eisenbahnerstreik in
den USA zu suchen. Damals hatten
die Mitglieder der beiden Gewerk¬
schaftsverbände die Arbeit nieder¬
gelegt, und ers't ünter Androhung
von Sanktionen von seiten der Re¬
gierung, welche den Streik als un¬
gesetzlich und als ein Komplott
gegen die Staatssicherheit bezeichnet
hatte, wurde er abgebrochen. Eine
Reihe 'von Gewerkschaften anderer
Industrien , hatte den Streikenden
ihre Solidarität bekundet, und zwar
handelte es sich um große Gewerk¬
schaftsgruppen, die entweder der
American Federation of Labor oder
dem Congreß of Industrial Organi¬
zation angehörten. Im weiteren Ver¬
lauf sind die Annäherungsbestre-
tfUngen nun so weit gediehen, daß
der. oben . angeführte Briefwechsel
zwischen den Präsidenten der bei-,
den großen Organisationen zustande¬
kam. Im Augenblick handelt es sich
darum, die Forderungen der Arbei¬
ter gemeinsam zu besprechen und
der Unternehmerscnaft gemeinsam
vorzutragen. Auch beim -Kongreß
einzubringende Gesetzesvorschläge,
wovon bei den Vorständen der bei¬
den Organisationen eine ganze Reihe
in Bearbeitung sind, .sollen künftig .
einheitlich abgefaßt werden.