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Die Arbeit
Juli 1946
Arbeitsamt und Lohnpolitik
Von Andreas Hub, Präsident des Landesarbeitsamtes Saar
Zu den wichtigsten Aufgaben des
Landesarbeitsamtes bzw. der Arbeits¬
ämter gehört die Durchführung und
Ueberwachung einer Lohnpolitik, die
unter dem Namen „Lohnstop“
allgemein bekannt geworden ist. Die
Auswirkungen der Wirtschaftspolitik
(Aufrüstung um jeden Preis) der ver¬
gangenen Jahre und die katastro¬
phalen wirtschaftlichen Folgen des
hinter uns liegenden Krieges machen
es erforderlich, die Löhne einer stän¬
digen Kontrolle zu unterziehen und
gewisse Begrenzungen nach oben
und nach unten festzulegen.
Nach dem Zusammenbruch wurde
durch die Bekanntmachung des Re¬
gierungspräsidiums Saar vom 25. 10.
1945 über das Verbot von Lohn-
und Gehaltserhöhungen sowie Lohn-
und Gehaltssenkungen die Oeffent-
lichkeit darauf hingewiesen, daß es
verboten ist, Lohn- und Gehalts¬
änderungen eigenmächtig, d. h. ohne
Genehmigung cles Arbeitsamtes
durchzuführen. Die Arbeitsämter
bzw. die übergeordneten Dienststel¬
len erhielten darin die Ermächtigung,
in Einzelfällen Ausnahmegenehmi¬
gungen zu erteilen. Die bisher erlas¬
senen Tarifordnungen wurden ferner
vorläufig als bis auf weiteres in
Kraft befindlich bezeichnet. Diese
Bekanntmachung hat den Zweck,
willkürliche, durch die derzeitige
wirtschaftliche Lage bedingte Lohn-
und Gehaltssenkungen zu verhindern.
Auf der anderen Seite soll dadurch
ein ungesundes konjunkturbedingtes
Hochschnellen der Löhne, vor allem
in den Mangelberufen, mit den für
die allgemeine Wirtschaft schwer¬
wiegenden Folgen verhindert werden.
Es erscheint oft verständlich, wenn
der Arbeiter bei den derzeitigen
schwierigen Lebensverhältnissen
einen höheren Lohn verlangt. Die
Verkehrsverhältnisse sind nicht wie
in normalen Zeiten. Der Arbeiter
muß, um auf seine Arbeitsstätte zu
gelangen, oft viel Mühe und Zeit ver¬
wenden. Die geringe Anzahl von ein¬
gesetzten Personenzügen hat ein
langes Warten vor und nach der Ar¬
beit zur Folge. Oft fehlen alle Ver¬
kehrsmittel und der Weg muß, da
ein intaktes Fahrrad nicht zur Ver¬
fügung steht, unter Einbuße einer
entsprechenden Zeit zu Fuß zurück¬
gelegt werden. Es kommen hinzu die
Nöte um das Schuhzeug und die
Kleidung. Anschaffungen für die Fa¬
milie und den Haushalt verursachen
größere Geldausgaben.
Die genannten Schwierigkeiten und
Härten, die sich aus den besonderen
wirtschaftlichen Verhältnissen usw.
ergeben, sind den Arbeitsämtern
bzw. übergeordneten Dienststellen
bekannt. Diese stehen den Dingen
nicht tatenlos gegenüber. Da, wo es
aus besonderen Gründen notwendig
erscheint, Angleichungen in den
Löhnen durchzuführen, ward alles
getan, um die berechtigten Forde¬
rungen der Arbeiter im Rahmen der
tariflichen und gesetzlichen Bestim¬
mungen zu befriedigen, wobei sich
die Zusammenarbeit mit den Ein-
Saarbergmann und Knappschaft (Fortsetzuvn0gn Seite 5)
es erforderlich wird, ärztliche
Behandlung,
b) ein einmaliger Beitrag zu den
sonstigen Kosten der Entbin¬
dung und bei Schwanger¬
schaftsbeschwerden in Höhe von
10,— RM.;
c) Wochengeld,
d) Stillgeld, solange die Neugebo¬
renen von der Mutter gestillt
werden.
Es kann aufgrund ärztlicher Ver¬
ordnung auch Kur und Verpflegung
in einem Wöchner innenheim oder
einer Entbindungsanstalt (allerdings
nur in ganz besonders begründeten
Ausnahmefällen) gewährt werden;
für diese Zeit wird das Wochengeld
bis zur Höhe des Krankengeldes
nicht gezahlt.
Für die erwerbstätigen weiblichen
Versicherten (Ziffer 1) wird Wochen¬
geld in Höhe des Krankengeldes,
mindestens aber 0,50 RM., während
der letzten vier Wochen vor und
während der ersten sechs Wochen
nach der Niederkunft gewährt. Wenn
keine Beschäftigung gegen Entgelt
ausgeübt wird, beträgt das Wochen¬
geld für vier Wochen vor der Nie¬
derkunft 3/i des Grundlohnes. Das
Stillgeld beträgt das halbe Kranken¬
geld, mindestens aber 0,25 RM. täg¬
lich bis zum Ablauf der 12. Woche
nach der Niederkunft. Alle Leistun¬
gen nach dem Mutterschutzgesetz
sind weggefallen.
Das Wochengeld für die an¬
spruchsberechtigten Familien¬
angehörigen (Ziffer 2) beträgt
0,50 RM. täglich für vier Wochen
vor und sechs zusammenhängende
Wochen unmittelbar nach der Nie¬
derkunft und das Stillgeld 0,25 RM.
täglich für längstens 26 Wochen.
Der Krankenschein
In allen Krankheitsfällen, auch
bei Krankheit der Angehörigen, ist
vor Inanspruchnahme ärztlicher
Behandlung bei der Werksver¬
waltung ein Krankenschein (Be-
handlungs- oder Kurschein) zu neh¬
men und dem Arzt bei der ersten
Inanspruchnahme vorzulegen. In
dringenden Fällen, insbesondere bei
Unfällen, ist der Arzt aiuf die
Knappschafts-Zugehörigkeit hinzu¬
weisen und der Krankenschein spä¬
testens am dritten Tage nachzubrin¬
gen.
Wie hoch ist das Sterbegeld?
Sterbegeld wird gewährt für die
Versicherten (auch für die
Rentner, Witwen und Waisen) und
für die Familienangehöri¬
gen, die mit dem Versicherten bis
zum Todestage in häuslicher Ge¬
meinschaft gelebt haben und von
ihm ganz oder überwiegend unter¬
halten worden sind.
Das Sterbegeld für die aktiven
Versicherten und Weiter- und Selbst¬
versicherten beträgt das 3 0 f a c h e
des Grundlohnes, höchstens
300,— RM., mindestens 50,— RM.;
für den Ehegatten zwei Drittel, für
jedes Kind ein Drittel des 20fachen
Grundlohnes, bei Totgeburten 10,—
RM.
Über das Sterbegeld aus der
knappschaftlichen Rentenver¬
sicherung werden wir in einer
späteren Abhandlung nähere Einzel¬
heiten mitteilen.
Wir haben mit vorstehenden Aus¬
führungen erst einmal im wesent¬
lichen den Stand der Krankenver¬
sicherung der Saarknappschaft auf¬
gezeigt und beabsichtigen, in den
späteren Folgen unserer Gewerk¬
schaftszeitung weitere Einzelheiten
aus der knappschaftlichen Versiche¬
rung mitzuteilen. Wir können nicht
umhin, bei dieser Gelegenheit die
Bergarbeiter zu bitten, nicht die
Schwierigkeiten zu verkennen, die
durch die Lage eingetreten sind und
die erst überwunden werden müs¬
sen. Wir werden alles daran setzen,
dem Bergmann sein Recht auf eine
besondere knappschaftliche Ver¬
sicherung zu erhalten, müssen aber
andererseits an ihn appellieren, dem
infolge der Lage eingetretenen Ab¬
sinken der finanziellen Leistungs¬
fähigkeit Rechnung zu tragen und
gerade jetzt zu vermeiden, daß die
Kassenleistungen ohne berechtigten
Grund in Anspruch genommen wer¬
den. Er schädigt sonst die Gesamt¬
heit der Bergleute, insbesondere
auch die Arbeitskameraden, die mit
ihrer Arbeit die Beiträge aufbringen
müssen und auf deren Schultern die
für ihn entstehenden Ausgaben ent¬
fallen.
heitsgewerkschaften als unerläßlich
erweist. ^
Unser Hauptziel muß heute
sein: Besserung der Lebenslage un¬
seres Volkes! Eine allgemeine Er¬
höhung der Löhne hätte, wenn mit
ihr nicht eine Steigerung der Pro¬
duktion einherginge, zur Folge, daß
die Notwendigkeit entstände, die
Preise für die Fertigwaren zu er¬
höhen, da der Lohnkostenanteil am
Fertigprodukt in der Regel einen
beträchtlichen Umfang annimmt.
Damit wären die durch die Lohn¬
erhöhung dem Arbeiter zugestande¬
nen Vorteile wieder beseitigt. Der
Kampf um eine nochmalige Lohn¬
erhöhung würde abermals beginnen
und auf diese Weise die Frage der
Preise bei der engen Verflechtung
von Löhnen und Preisen für die Fer¬
tigwaren erneut entstehen. Wie je¬
dem vernünftigen Menschen ein¬
leuchtet, würde nun ein Wettrennen
zwischen Löhnen und Preisen be¬
ginnen. Eine der wichtigsten Grund¬
lagen einer stabilen Währung bilden
die Löhne und Preise. Geraten diese
in Unordnung, dann wankt das Ge¬
füge der Währung und es entsteht
die Gefahr der Inflation, von der die
schaffende Bevölkerung am schwer¬
sten getroffen würde. Um dies zu
verhindern und dadurch ein weitere
Verarmung der breiten Schichten
des Volkes zu verhüten, darum die
Forderung: Löhne und Gehälter
müssen stabil bleiben, wobei freilich
für die während des Krieges über¬
setzten Spitzengehälter keine Be¬
rechtigung besteht.
- Der Lebensstand des schaffenden
Menschen kommt jedoch am sicht-
Kollege Weiß 7S Jahre
Es sind gewiß nicht mehr viele, die,
wie er, mit stolzem Bewußtsein auf
eine nahezu fünfzigjährige Tätigkeit
im Dienste der Gewerkschaftsbewe¬
gung zurückblicken können. Kollege
August Weiß, Saarbrücken, Groß-
herzog-Friedrich-Straße 140, dem wir
in diesen Tagen die herzlichsten
Glückwünsche zu seinem 75. Geburts¬
tage übermitteln durften, ist einer
dieser wenigen noch lebenden „Al¬
ten", die einst aktiv und führend an
der Entwicklung der Arbeiterorgani¬
sation teilgenommen haben. Speyer
ist seine Heimat. Kurz vor der Jahr¬
hundertwende gründete Weiß den
Verband der Bäcker und Berufsgenos¬
sen in Freiburg i. B., rief bereits 1899
die Ortsgruppe Saarbrücken dieses
Verbandes ins Leben und blieb deren
Vorsitzender bis zu seiner Verschmel¬
zung mit dem Nahrungsmittel- u. Ge-
tränkearbeiterverband. Auch diesen
Verband führte und vertrat er als
Vorsitzender und Kartelldelegierter
bis das Jahr 1935 seiner Tätigkeit ein
Ende setzte. Möge uns dieser ehrwür¬
dige Zeuga einer stolzen und kampf¬
erfüllten Tradition noch lange erhal¬
ten bleiben.
barsten in einem gesunden Verhält¬
nis des Lohnes zum Preis für die
Verbrauchsgüter zum Ausdruck. Es
erscheint daher notwendig, wenn die
z. Z. durchgeführte Lohnpolitik zu
einem endgültigen Erfolg führen soll,
die Preise in einem gesunden Ver¬
hältnis zu den Löhnen zu halten; da¬
zu macht bekanntlich die Preisbe¬
hörde alle Anstrengungen.
Was geschieht mit den Mitglieds-Beiträgen?
Unsere Einheitsgewerkschaft ist
in erster Linie eine Bewegung
mit wirtschaftlicher und so¬
zialer Zielsetzung, die als Kampf¬
organisation von den gegenwärtigen
und künftigen wirtschaftlichen und
sozialen Zeitverhältnissen aus eine
wirtschaftliche und soziale Höher¬
führung und Besserstellung der Mit¬
glieder erstrebt. Zur Erfüllung dieser
Aufgaben bedarf der Verband einer
gesunden Finanzgebarung. Sie ist das
Rückgrat unserer gewerkschaftlichen
Arbeit. Eine Organisation ohne ge¬
sunde Finanzen ist auf die Dauer un¬
möglich und steht auf verlorenem
Posten.
Notwendig ist daher die Ausrichtung
des gesamten Kassenwesens auf
eine einheitliche Kassenführung
für sämtliche Industrieverbände, in
engster Zusammenarbeit mit der
Hauptkasse der Einheitsgewerkschaft.
Die Hauptverwaltung erläßt
daher folgende Richtlinien, die für
alle Industrieverbände maßgebend
sind und unter allen Umständen von
den Vorständen und verantwortlichen
Vertrauensleuten beachtet werden
müssen:
1. Satzungsgemäße Einstufung der
Mitglieder in die vorgeschrie¬
benen Beitragsstufen. Hierzu ist er¬
forderlich, daß bei Ausfüllung des
Aufnahmescheines die richtige An¬
gabe des Brutto-Einkommens sei¬
tens des Antragstellers auf dem
Aufnahmeschein vermerkt ist. Die
Klasseneinteilung ist auf jedem
Aufnahmeschein ersichtlich.
2. Monatliche Einkassierung der
Beiträge, um eine unnötige
finanzielle Belastung der Mitglieder
— durch Zusammentreffen und Kas¬
sierung mehrerer Monatsbeiträge —
zu vermeiden.
3. Schnellste Abführung der ein¬
kassierten Verbandsbeiträge und
Einsendung von Vorschüssen an die
Verbandskassierer, damit von dort
aus die für die Hauptkasse be¬
stimmten Beitragsanteile rechtzeitig
überwiesen werden können.
Der alte gewerkschaftliche Grund¬
satz, daß monatliche Abrechnung
erfolgen muß, kann «uch heute nicht
außer acht gelassen werden. Die
Einsendung von *V orschüssen
im Laufe des Monats entlastet die
Kassierer und steigert den Zinssatz
des Verbandsvermögens,
4. Um die Einheitlichkeit in
der prozentualen Beitragsabführung
für sämtliche Verbände sicherzu¬
stellen, werden die in den Satzun¬
gen festgelegten Richtlinien allen
Vertrauensleuten und Kassierern
bekanntgegeben: .
, 5 %> der Beiträge erhält der Unter¬
kassierer als Aufwandsentschädi¬
gung,
10 a/o die Ortsverwaltung,
35 ®/o die Verwaltung der Industrie¬
verbände und
50 °/o die Hauptkasse der Einheits¬
gewerkschaft.
Diese vorläufige Regelung muß
von allen Verbänden streng durch¬
geführt werden. Die endgültige
Verteilung der Beitragsanteile
wird der kommenden Generalver¬
sammlung Vorbehalten.
❖
„Wie sieht es mit unserer
Altersinvalidenpension und
Gewerkschaftsrente
aus?" Diesen Kollegen, die durch jahr¬
zehntelange Opferbereitschaft und
Mitgliedschaft in den durch die Nazis
zerschlagenen früheren stolzen Ge¬
werkschaften sich Anrechte erworben
haben, sei von dieser Stelle aus mit¬
geteilt, daß der Hauptvorstand diese
berechtigten Wünsche der
alten Kollegen schon von sich aus be¬
sprochen hat und auch weiterhin im
Auge behält. Vorerst kann aus
finanziellen Gründen noch nicht an
die Verwirklichung dieses Zieles her¬
angegangen werden. Aber sobald die
Vermögensausemandersetzung über
das frühere — von der D A F den.
Gewerkschaften gestohlene und so¬
weit heute noch vorhandene — Ge-
werkschaftsvermögen beendet ist,
wird sich der Hauptvofstand mit die¬
ser Angelegenheit eingehend be¬
fassen und eine zufriedenstel¬
lende Lösung im Sinne dieser
Kollegen herbeizuführen suchen.
Es würde zu weit führen, auch nur
andeutungsweise im Rahmen dieses
Artikels auf alle die Aufgaben ein¬
zugehen, die uns organisatorisch und
verwaltungstechnisch in der nächsten
Zukunft gestellt werden und ihm
Durchführung fordern. Wir werden
zu gegebener Zeit darüber berichten.