Dezember 1046
Die Arbeit'
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Rangierer
I j er Nebel liegt wie Blei über dem
Bahnhof. Schienen lind Weichen
sind glitschig von klebender Feuch¬
tigkeit. Schwarz ist die Nacht.
Weichen- und Signallampen vt»r-
ricseln ein Verdecktes Licht, das die
Ohnmacht der Menschen gegen die
Launen der Natur lähmend in Glie¬
der und Nervenstränge legt. Un¬
sichtbare Schotterhaufen, Weichen¬
drähte und Signalkästen sind schlim¬
mer als Fußangeln. Selbst das Fal¬
kenauge des Rangierers versagt bei
diesem gefürchteten Wetter. Das Öhr
wird umso stärker angespannt. Das
Ohr ersetzt heute Nacht sozusagen
alle Sinne.
Aufmerksam starren die Männer
im kurzen naßschweren Mantel nach
dem Ablaufberg. Ein fernes Rum¬
peln kommt näher, wird lauter. Die
Faust greift nach dem Hemmschuh.
Er ist kein Federhalter. Ein dunkles
Ungeheuer wächst aus der Finster¬
nis. Der erste Wagen. Ein Hemm¬
schuh klingt auf. Ein dumpfes Knal¬
len, Stampfen, ein langgezogenes
Quietschen,-. der Hemmschuh faßt
schlecht bei der Nässe. Und nun
kommt Wagen auf Wagen. Die
Weichen rasseln. Keiner geht fehl.
In dem Getöse steht ruhig und fest,
die Nerven gespannt zum Zerreißen,
der Rangiermeister und ruft seine
Befehle. Hin und her in dem Gewirr
von Schienen, Weichen und rollen¬
den Rädern springen seine Männer.
Er kann sich auf sie verlassen. Zwar
sieht er sie nicht. Nur Schatten
huschen vorbei, und wie trübselige
Irrlichter glühen die Brustlaternen.
Jeder ist auf sich gestellt. Mit ver¬
bissener Gewissenhaftigkeit tun sie
ihren schweren,v gefährlichen Dienst.
Der Rangierer hat zu seiner eigenen
Sicherheit die Unfallverhütungsvor-
schriften zu beachten, die ihm gro¬
ßen Schutz gewähren bei der Aus¬
führung seines gefahrvollen Berufes.
Diese Vorschriften bringen ihn pft
in starke Gewissenskonflikte, wenn
seine Vorbereitungen durch Witte¬
rungseinflüsse nutzlös geworden sind,
wenn die ausgelegten und bereitge-
hallenen Hemmschuhe abspringen.
Hier kommt ein rollendes Ungetüm
in zu schneller Fahrt. Es wird zu
hart auf die andern aufkomrnen und
muß gehemmt werden. Es braucht
kaum eines Befehls. Schon hat sich
einer der Männer, im Dunkeln auf
den fahrenden Wagen geschwungen,
in der Faust den schweren Hemm¬
schuh, springt in voller Fahrt ab,
rast über Schotter und Gestein dem
Wagen voraus und legt den Hemm¬
schuh auf. Er faßt! Der Aufprall
ist verhindert. Wertvolles Volksgut
ist erhalten.
Immer dichter wird der Nebel. Die
Mütze trieft. Mit den Aermcl des
nassen, öligen Mantels werden Regen
und Schweiß ab und zu "aus dem Ge¬
sicht gewischt. Kein Mantelkragen
schützt. Das Wasser rinnt unbarm¬
herzig die blanke Haut hinab. Regen,
Schmutz und Schweiß. Weiter und
Nacht kennen keine Rücksicht, und
manchmal rinnt durch die Menschen
ein Schauder. Sie haben keine Zeit,
dessen zu achten. Ein beladener
Vierachser läuft schwach, bleibl in
sen alle, was zu tun ist, die Fäuste
packen zu, die Schultern stemmen
sich in das Eisen und es gelingt. Die
schwere Ladung rollt. Die Weiche
ist frei. Unglück und Schaden an
Gut und vielleicht an Blut sind ver¬
hütet. Keiner spricht davon. Kein
Logbuch erzählt es. Kein Dienst¬
befehl erwähnt die Tat. Sie ist ja
selbstverständlich, nicht des Er-
wähnens wert Das feind Rangierer.
Solche Bilder könnte ich noch viele,
viele zeichnen. Sie sind uns bekannt.
Deswegen sehen wir sie nicht mehr.
Denn nichls stumpft ja so ab wie
die Gewohnheit. Diese Dinge be¬
wegen das Innere dos Menschen
nicht mehr. Sie stehen nicht mehr
in Beziehung zu ihm. Erst wenn
das Gewohnte unvorhergesehen un¬
terbrochen wird, nehmen wir es
wahr. Die plötzliche Ruhe stört,
schreckt auf, und gibt erst Raum
zur Beachtung.
Wer hat sich jemals um den All¬
tag unserer Rangierer Gedanken ge¬
macht? Und wenn er es doch ein¬
mal tat, wo konnte er seine Ge¬
danken anbnngen. wo wurde er an¬
gehört, und war es ihm überhaupt
möglich, alle Eindrücke und alles
Erleben, das sich in im ballte und
nach Ausdruck verlangte, auch nur
andeutungsweise zu zeichnen? Von
unseren Rangierern singt kein Lied.
Aul den Bergarbeitern lastet gegen¬
wärtig ehre große Verantwortung. Die
Wiederankurbelung der durch den
Krieg zerrütteten Wirtschaft, der Wie¬
deraufbau der Ruinen und die Ver¬
besserung der Lebens- und Ernäh¬
rungsbedingungen der Bevölkerung ist
der Entwicklung und Steigerung
Kohlenproduktion abhängig.
Der Winter hat bereits seinen Ein¬
zug gehalten. Viele Menschen frieren,
weil es an Heizmaterial fehlt. Um die
allergrößte Not zu mildern und auch
der Bevölkerung eine Zuerieilung von
Kohle zu sichern, blieb kein anderer
Weg als an das Solidaritätsgefühl der
Bergarbeiter zu appellieren, übrig.
Es muß auch lobend anerkannt wer¬
den, daß die Saarbergarbeiter bewie¬
sen haben, daß sie sich ihrer großen
Verantwortung bewußt sind, indem sie
sich der von ihnen geforderten Mehr¬
arbeit durch Ueberschichten nicht
wklersetzten. Auch die Produklions¬
kurve, die sic h in zufriedenstellendet
Weise in aufsleigender Linie entwik-
kelt, leg! vom Aibeitsgeist der Sanr-
Keine Poesie spinnt sich um ihr
hartes Tagewerk. Kein Dichter hat
den Weg zu ihnen gefunden. Unge-
hört verhallen die brausenden Ak¬
korde ihres Arbeitsliedes. Und dieses
Lied wahrhafter Männerarbeit tönt
in einem fort. Pausenlos. Zu ailen
Jahreszeiten. Tag und Nacht. Ob
die Sonne brennt und die Luft über
den Schienen flimmert und tanzt, ob
Regen und Nebel, Schnee und Eis
die Arbeit des Rangierers zu einer
Qual machen und zu einer Leistung,
wie sie kaum ein anderer Beruf ver¬
langt, diese Männer müssen immer
auf dem Posten sein. Wir meinen
hier alle, Arbeiter sowohl wie Bc-
bergarbeiter Zeugnis ab, wofür ihnen
volle Anerkennung gebührt.
Die Bedürfnisse der Saarwirtschaft
und des Wiederaufbaues erforderten,
daß ein weiterer Hochofen in Tätig¬
keit gesetzt wurde. Hierzu braucht
man Kohlen und nochmals Kohlen. Es
ist nur möglich, daß für die Industrie
vorgesehene Programm durchzuführen
und die Zuteilung von Kohle an die
Bevölkerung sicherzustellen, wenn wir
auch weiterhin auf den Opfergeist und
die Unterstützung der Bergarbeiter
zählen können.
Für die Bergarbeiter ist das Wort
„Solidarität" kein leerer Begriff und
ich bin daher überzeugt, daß sie auch
in Zukunft ihre volle Arbeitskraft ;m
Interesse der Allgemeinheit einsetzen
werden. Durch ihre Hingabe und ihr
Pflichtgefühl tragen sie nicht zuletzt
nur dazu bei, die Saarwirtschaft zu
beleben und die Ruinen rasch4 wieder
aufzubauen, sondern sie werden auch
die Arbeit derjenigen wesentlich er¬
leichtern, die mit der Vertretung ihrer-
eigenen Interessen beauftragt sind.
' A. R.
Der Gruben¬
schlosser
Es dürfte bekannt sein, daß ge*-
rade die Handwerker in den Gru-
benvverkstätten ein viel größere^
handwerkliches Können besitzen
müssen, als irgend ein Handwerker
einer Fabrik. Der HandwerkeV in
der Grubemverkstättc muß verlraut
sein mil den Reparaturen an Schräm¬
maschinen, Bandmaschinen, maschi-
neüen Fördereinrichtungen aller Art
und sonstiger Untertagemaschinen
wie Pumpen, Ventilatoren usvv. Fer¬
ner muß er verlraut sein mit den
Reparaturen an Fördermaschinen,
Hoch- und’ Niederdruckkompres¬
soren, Kesselhausrcparalur, I lei—
zungsanlagen usw.
Diese Vielseitigkeit in der Ver¬
wendung eines Grubenhandwerkers,
wird bei allen aus fremden Betrie¬
ben kommenden und angefahrenen
Handwerkern vermißt, da sie zu ein¬
seitig ansgebildet sind. Daher kommt
es auch, daß der Handwerker in der
Grubenwerkstälte im Austauschver¬
fahren z. B. beim Fehlen der nor¬
malen Kugellager durch Kenntnis
der einzelnen Maschinen, bei dieser
oder jener Maschine Kugellager aus¬
bauen muß, um eine dringend be¬
nötigte Untertagemaschine fertigzu¬
stellen und Förderausfälle zu ver¬
meiden.
Bei der Ausführung dieser Arbei¬
ten muß der Handwerker selbständig
handeln, da die Aufsicht bei der
Vielseitigkeit der anfallenden Arbei¬
ten sich nicht um alle Kleinigkeiten
kümmern kann.
Ein anderes Beispiel. An Ostern
sollten unter anderen Arbeiten in
einer Fördermaschine unter Anlei¬
tung eines Monteurs die Kolben¬
stange im Kreuzkopf gelöst und aus¬
gebaut werden. Durch Schlagen,
Stoßen, Rammen usw. versuchte
-man den Kreuzkopfkeil zu lösen.
Nachdem man eine Schicht erfolglos
daran gearbeitet hatte, wurde diese
Arbeit eingestellt. In der darauffol¬
genden ' Woche konstruierte ein
Handwerker sich eine Abzugsvorrich¬
tung und hatte an dem folgenden
Sonntag in zwei Stunden den Kreuz-
kopfkeil gelöst.
Das Ein- und Ausbauen von Ven¬
tilen an Fördermaschinen und Kom¬
pressoren oder gar eine Generälüber¬
holung an diesen Maschinen und die
Neueinstellung nach beendeter Re¬
paratur werden oft nur durch Hand¬
werker der Grubenwerkstätte aus¬
geführt und dadurch die teuren
Montagestunden für Monteure der
Spezialfirmen eingespart. (Siehe
Geisheckschächte,Generalüberholung
des 10 000 m3 ND-Kompressors, des
Dampf-HD-Kompressors und der
Antriebsmaschine des Dnmpfventi-
lators.)
Durch diese Fachkenntnisse der
Handwerker sind schon oft bei Stö¬
rung an solchen Maschinen größere
Förderausfälle vermieden worden,
die unweigerlich durch Mangel an
Hoch- oder Niederdruckluft einge¬
treten wären.
Ferner werden auch noch eine
Menge Spezialarbeiten von Gruben¬
handwerkern ausgeführt wie z. B.
das Herrichten der Waggonwaagen
zur Eichung, das Spleisen der Hanf¬
seile bei Kompressor- und Ventila¬
torantrieben, das Schweißen in
Dampfkesseln usw., die unter Her¬
anziehung von Monteuren der Spe¬
zialfirmen die Gruben eine Menge
Geld kosten würden.
Obige Beispiele könnten noch be¬
liebig vermehrt werden und es ist
daraus ersichtlich, x daß die Hand¬
werker in den Grubenwerkstätten
über ein reiches handwerkliches
Wissen und Können verfügen müs¬
sen und somit zu den besten Fnch-
liandwerkern gehören, die auch
dementsprechend entlohnt werden
müßten. N
Jakob Jost.
von
der Weiche stehen. Es ist keine Zeit. • der
zu verlieren, denn schon rumpein
die nächsten Wagen heran. Sie wis-
amle.
An alSe Mitglieder der Einheitsgewerkschaft!
ACHTUNG! * ' ACHTUNG!
Preisausschreiben !
Die Hauptverwaltung der Einheitsgewerkschaft der Arbeiter,
Angestellten und Beamten, Abteilung Hauptkasse, beabsichtigt ab
1. Januar 1917 neue Beitragsmarken herauszugeben.
Zti diesem Zwecke werden alle Mitglieder aufgerufen, an der.
künstlerischen Gestaltung dieser Beitragsmarken mitzuarbeiten.
Durch Erstellung eines Entwurfes, der als Klischeeform gedacht,
Verwendung findet, soll auf dieser Beitragsmarke bildlich die ge¬
werkschaftliche Einheit aller Hand- und Kopfarbeiter dargestellt
werden.
Der Entwurf ist an die Ilauplkassc der Einheitsgewerkschaft,
Saarbrücken 3, Brauerstraße G - 8, einzusenden.
Fiir die besten Einsendungen sind folgende Geldpreise vorge¬
sehen:
S. Preis: KM. 200.—
2. Preis: RM. 100.—
3. Preis: RM. 50.—
Außerdem werden die Preisträger im nächsten Verbandsorgan
bekannt gegeben.
Bedingungen sind:
1. Die Entwürfe müssen bis spätestens 20. Dezember 1946
an die Hauptkasse eingesandt werden.
2. Größe des Entwurfes IG X 8 cm, Längsform, entsprechend
den in den Mitgliedskarten vorgesehenen Bcitrags-
feldern.
3. Raüm fiir den Beitragswert der Marke muß vorgesehen
und die. Bezeichnung — Einheitsgewerkschaft Saarland
--iniill eingezeichnet sein .
D i e II a u p t v e r vv a 1 t u n g :
Heinrich Wacker Gottfried Bouillon
Vorsitzender Jlauptliassierer
Steigerung tier Kohleuproduktion
becleiidet Gesundung der Wirtschaft