Full text: 1946 (0001)

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Die Arbeit 
September 1946 
Fen für die im Saarland wohnhaf¬ 
ten Rentner wieder aufzunehmen. 
•Von einzelnen Versicherungsträgem 
wird die Existenzberechtigung der 
neuen saarländischen Unfall ver¬ 
sicherungsträger in Zweifel gezogen. . 
Es ist zu hoffen, daß unter diesem 
Streit über die Zuständigkeit nicht 
die mittellosen Unfallrentner auch 
weiterhin die Leidtragenden sein 
werden. 
Kriegsopfer 
Auf Grund von Verhandlungen 
einiger Vertreter der Kriegsopfer 
und Sozialrentner mit Herrn Regie¬ 
rungspräsident Dr. Neureuter wird 
zur Zeit die Frage der Wiederzah¬ 
lung der Renten tür die Kriegsbe¬ 
schädigten von 30 und 40 Prozent, 
sowie der Versehrtenstufe I einer 
Prüfung unterzogen. Ferner wird 
die Wied erg evvährung der Kinderzu¬ 
lagen an Kriegsbeschädigte und der 
Zusatzrente an arbeitlose oder 
erwerbsunfähige Schwerbeschädigte, 
die sich in einer Notlage befinden, 
geprüft. Es wäre zu wünschen, daß 
baldigst diese Zahlungen aufgenom¬ 
men werden, damit der Not dieser 
vom Kriege Betroffenen baldigst ab¬ 
gehoben wird. 
Der Ausbau der sozialen Fürsorge 
für Kriegsbeschädigte und Hinter¬ 
bliebene soll baldigst in die Wege 
geleitet und finanziert werden, um 
in Notfällen helfend eingreifen zu 
können 
Wir wünschen und hoffen, daß 
die Nachprüfung baldigst zu einem 
günstigen Ergebnis führt und die 
Kriegsopfer diese ihnen zustehenden 
Renten wieder erhalten. 
Kriegsbeschädigte und Hinter¬ 
bliebene, beachtet die Sprechstun¬ 
den des Kriegsversehrten-Fürsorge- 
amtes in Saarbrücken 1, Talslraße 
Nr. 45—47, Montags, Mittwochs und 
Freitags von 8—12 Uhr. Wer außer¬ 
halb dieser Sprechstunden vor¬ 
spricht. handelt unkameradschaft- 
lich und verzögert unnütz die 
Antragsbearbeitung. 
Auch die Sprechstunden der Be¬ 
ratungsstelle für Kriegsopfer und 
Sozialrentner nur an den ange¬ 
gebenen Sprechtagen besuchen. Es 
gilt eine erhebliche Arbeit zu lei¬ 
sten, damil schnell und durchgrei¬ 
fend geholfen werden kann. 
Die Sprechstunden der Beratungs¬ 
stelle in Saarbrücken 3, Brauer¬ 
straße 6—8, (Gewerkschaftshaus) 
finden nur Montags. Mittwochs und 
Freitags von 8—12 Uhr und von. 
14—16 Uhr statt. M. F. 
Grulte Kohlwalt] berichtet 
Das für die Grube angelieferte Brot 
gibt bei der täglichen Ausgabe im¬ 
mer mehr zu berechtigter Kritik An¬ 
laß. Der Betriebsausschuß hat Un¬ 
tersuchungen eingeleitet und kam zu 
folgender Feststellung: 
1. Angelicferte Brote hatten über 
das. normale Maß hinaus Min¬ 
dergewichte. 
2. Ein Teil des angelieferten Brotes 
war von schlechter Qualität. 
Nach fachmännischem Gutach¬ 
ten war das Brot noch zu jung. 
Die Vertretung der Belegschaft 
geht von der Voraussetzung aus, daß 
die Belieferung des Brotes so statt¬ 
zufinden hat, wie die Militärregie¬ 
rung des Saarlandes es zum Besten 
der Saarbergarbeiter angeordnet hat. 
Um solche Vorkommnisse so weit 
als möglich zu unterbinden, wird ge¬ 
fordert: 
1. Die Lieferung von Brot an 
die Saar-Gruben geschieht nur 
durch solche Bäckereien, die 
von dem zivilen Sektor ausge¬ 
schlossen sind. 
2. Bäckereien, die für die Saar- 
Gruben Brot anliefern, einer 
schärferen Kontrolle des Lan¬ 
desernährungsamtes zu unter¬ 
werfen. 
* 
Wir haben die Beschwerden dem 
Landesernährungsamt vorgetragen, 
das durch eigene Landesprüfer sich 
der Angelegenheit annehmen wird. 
Die Red. 
Von den Arbeiterausschüssen 
zu den Betriebsräten 
In einigen Wochen werden auch 
wir hier an der Saar zu den Wahlen 
der Betriebsräte »schreiten. Heute 
schon müssen die Vorbereitungs¬ 
arbeiten zu diesen Wahlen in Angriff 
genommen und unsere Gewerk¬ 
schaftsfunktionäre müssen sich mit 
den Aufgaben der Betriebsräte im 
Wiederaufbau unserer Wirtschaft 
vertraut machen. 
Die Betriebsräte sind aus der mo¬ 
dernen Geschichte der deutschen 
Arbeiterbewegung nicht mehr hin¬ 
wegzudenken. Die Arbeileraus- 
schüsse, als anerkannte Einrichtun¬ 
gen im ersten Weltkrieg in den 
Großbetrieben entstanden, waren 
ihre Vorläufer. In den ersten Jahren 
nach der Revolution von 1918 spiel¬ 
ten die Arbeiterräte nicht nur eine 
große wirtschaftliche, sondern auch 
eine wichtige politische Rolle (Nie¬ 
derwerfung des Kapp-Putsches 1920). 
Die gesetzliche Anerkennung der Be¬ 
triebsräte in der Reichsverfassung 
von 1919 und das Betriebsrätegesetz 
1920 waren ein großer Fortschritt für 
die Werktätigen. Der Kampf um 
seine Verwirklichung aber belehrt 
uns auch darüber, welche starke 
Positionen die Reaktion in Deutsch¬ 
land vom Ausbruch der Revolution 
im November 1918 bis zum Inkraft- 
reten des neuen Gesetzes am 4. Fe¬ 
bruar 1920 wiederzuerlangen ver¬ 
mochte. Die Erfahrungen der Ver¬ 
gangenheit zeigen uns, daß alle Ge¬ 
setze, auch bis ins kleinste ausgear¬ 
beitet. nur auf dem Papier stehen, 
wenn nicht die Kraft vorhanden ist, 
die diese Rechte Tag für Tag er¬ 
kämpft. Die «Uneinigkeit und der 
Bruderkampf gaben unserer Arbei¬ 
terschaft nicht die Kraft, das Be¬ 
triebsrätegesetz zu einem fortschritt¬ 
lichen Instrument gegen Reaktion 
und Faschismus weiter auszubauen. 
Trotz vieler Fehler und Schwä¬ 
chen unserer Betriebsräte vor Hitlers 
Machtergreifung war der Betriebs¬ 
rätegedanken tief in den Herzen und 
Hirnen der Werktätigen verankert. 
Nach der Niederwerfung des Faschis¬ 
mus durch die Alliierten gingen die 
Arbeiter und Angestellten sofort da¬ 
zu über, aus ihrer Mitte heraus Be- 
triebsausschüsse zu bilden, die sie 
mit ihrer Interessenvertretung be¬ 
auftragten. Der Mangel einer recht¬ 
lichen Grundlage hat die Tätigkeit 
unserer Betriebsausschüsse bisher 
erschwert. Es ist erfreulich, . daß 
durch die Besatzungsmächte mit der 
Veröffentlichung des Gesetzes Nr. 22 
vom 10. 4. 40 {Betriebsrätegesetz) die 
Basis für die Wiedereinführung der 
Betriebsräte geschaffen worden ist. 
In Kürze werden wir dank der vor¬ 
bereitenden Maßnahmen unserer Mi¬ 
litärregierung auch im Saai'gebiet 
mit der praktischen Durchführung 
des Betriebsrätegesetzes rechnen 
können. Es liegt dann an uns, diesen 
Organen jene Wirksamkeit zu ver¬ 
leihen, die dem Sinn des Gesetzes 
entspricht und die Durchführung der 
gewerkschaftlichen Aufgaben inner¬ 
halb des Betriebes gewährleistet. 
Gewerkschaftschronik 
Japan 
(AEP) Die, japanischen Ge- 
werkschäftsverbände ver¬ 
fügen jetzt über zwei Millionen Mit¬ 
glieder, was bedeutet, daß sie weit 
mehr als doppelt so stark sind wie 
in der Vorkriegszeit. Die Entwick¬ 
lung der Gewerkschaften wird aber 
durch die Tatsache gehemmt, daß 
die Arbeitslosigkeit im Lande außer¬ 
ordentlich groß ist. Amerikanische 
Gewerkschaftler, die kürzlich eine 
Studienreise nach Japan unternah¬ 
men, sprechen von einer Arbeits- 
losenzitlcr von sechs bis acht Mil¬ 
lionen (Gesamtbevölkerungsziffer ca. 
73 Millionen). — Prinzipiell wird der 
Neuaufbau der Gewerkschaften von 
den amerikanischen Militärbehörden 
gefördert, und zwar nach den in den 
USA. gültigen Gesichtspunkten. — 
Außerdem hat das japanische Par¬ 
lament ein Gesetz angenommen, das 
die Gewerkschaitsfreiheit garantiert 
und das Streikrecht unter gesetz¬ 
lichen Schutz stellt. 
Demokratische Handelskammern 
Die Demokratisierung der Wirt¬ 
schaft ist ein wichtiges Erfordernis 
zur Sicherung einer friedlichen Ent¬ 
wicklung. Sie gibt dem Ausland die 
beste Garantie dalür, daß ein neuer 
Vorstoß der deutschen Imperialisten, 
deren stärkste Positionen immer an 
Rhein und Ruhr gelegen haben, für 
unser Gebiet in Zukunft unwirksam 
bleibt. In diesem Zusammenhang sp,is- 
Jen die Induslrie- und Handelskam¬ 
mern eine nicht unerhebliche Rolle. 
4 
Das Hitlerregime übernahm die 
Organisation der Industrie- und Han¬ 
delskammern und machte die Wirt- 
schaltsverbände zu staatlichen Korpo¬ 
rationen. Erst später, im Jahre 1942, 
wurden Gauwirtschaftskammern ge¬ 
schaffen, mit Fachgruppen, die den 
Charakter wirtschaitspolitischerKriegs- 
und Lenkungsinstrumente erhielten. 
Im Zuge der Demokratisierung der 
Wirtschaft müssen daher Sicherungen 
getroffen werden, die eine nochmalige 
Entwicklung der Vereinigungen der 
Wirtschaft zu kriegswirtschaftlichen 
Organisationen verhindern. Die Neu¬ 
organisation der Wirtschaft kann 
weder anknüpfen an den komplizier- 
ten faschistischen Machtapparat halb¬ 
staatlicher und staatlicher Natur mit 
einer Vielzahl nebeneinander und 
nacheinander geschalteter Organe, 
noch darf der alte Wirtschaftsapparat 
der Zeit von vor 1933 wieder auf- 
leben. 
■ Man hat in jener Epoche besonde¬ 
ren 'Wert darauf gelegt, daß die Lei¬ 
tung der Wirtschaftsorganisationen 
allein in den Händen der Unter¬ 
nehmer lag. In der neuen Organisa¬ 
tion der Wirtschaft muß daher den 
Gewoikschaften als den wichtigsten 
Trägern der demokratischen Ordnung 
das volle Mitbestimmungsrecht ein¬ 
deutig gesichert werden. Die Demo¬ 
kratisierung der Industrie- und Han¬ 
delskammern kann daher neben d°r • 
Säuberung von Nationalsozialisten 
und Reaktionären nur durch eine 
paritätische Besetzung ihrer Organe 
durch die Vertreter der freien Unter¬ 
nehmer und der Gewerkschaften 
durchgeführt werden. Damit wird ein 
entscheidender Schritt zur Förderung 
einer lebendigen Anteilnahme aller 
demokratischen Kräfte am Neuaufbau.» 
der deutschen Wirtschaft getan. 
Schule des Sozialismus 
Wir hören aus A m e r i k a , daß sich 
dort in den letzten zehn Jahren die 
Genossenschaftsbevvegung durchgesetzt 
und größte Bedeutung gewonnen hat. 
Mehr als 30 000 genossenschaftliche Or¬ 
ganisationen aller Art haben auf allen 
Gebieten des wirtschaftlichen Lebens 
Fuß gefaßt und bieten ihren Mitglie¬ 
dern Vorteile, die diese als einzelne 
niemals hätten erreichen können. Ban¬ 
ken, Oelquellen nebst Raffinerien und 
Oelleitungen, landwirtschaftliche Ma¬ 
schinenfabriken, Sägewerke, Drucke¬ 
reien, Buchhandlungen, Käsereien, Ge¬ 
treidesilos, Schlachlhöfe, um nur einige 
Gruppen zu nennen, werden neben 
einer riesigen Zahl von Einzelhandels¬ 
geschäften erfolgreich von Genossen¬ 
schaften betrieben. Dies ist nur im 
ersten Augenblick erstaunlich für uns, 
die wir geneigt waren, die Vereinigten 
Staaten als ausschließliche Domäne 
des Privatkapitalismus anzusehen. Tat¬ 
sächlich wäre es viel verwunderlicher, 
wenn ausgerechnet die praktischen 
Amerikaner sich die vielen Vorteile 
der genossenschaftlichen Betriebsform 
nicht dienstbar machen würden. 
Man braucht kein Prophet zu sein, 
um auch für uns eine gewaltige Aus¬ 
dehnung des Genossenschaftswesens in 
den kommenden Jahren vorauszusagen. 
Fußend auf ihrer alten Tradition, wer¬ 
den die Konsumgenossenschaften, die 
der Nationalsozialismus zerschlagen 
hat, neu erstehen; werden die land¬ 
wirlschaftlichen Genossenschaften und 
die sonstigen genossenschaftlichen Un¬ 
ternehmen aller Art ihre bewährte Ar¬ 
beit in neuer Freiheit großzügig neu 
ausbauen. Aber auch auf vielen neuen 
Gebieten wird die Not der Zeit und 
die Erkenntnis der Vorteile, die diese 
Wirtschaftsform bietet, Einzelpersonen 
und Einzelunternehmen durch Vereini¬ 
gung ihrer Kräfte und Kapitalien zu 
wirtschaftlichen Erfolgen führen, die 
dem einzelnen unerreichbar sind. Durch 
gemeinschaftlichen Einkauf, gemein¬ 
same Benutzung von Kapitalien, Ma¬ 
schinen, Verkaufseinrichtungen usw. 
oder durch gemeinschaftliche Produk¬ 
tion wird vielfach die Rationalisierung 
unseres wirtschaftlichen Lebens durch¬ 
geführt werden können, die uns die 
Existenz auch in den vor uns liegen¬ 
den schweren Jahren ermöglichen wird. 
Selbstverständlich ist die Genossen¬ 
schaft kein Allheilmittel. Ge¬ 
rade die alten Fachleute des Genossen¬ 
schaftswesen kennen seine Grenzen 
und werden vor vpreiligen Neugrün- 
dungen auf ungeeigneten Gebieten oder 
beim Fehlen sonstiger Voraussetzungen 
warnen. 
Es liegt im Wesen der Genossen¬ 
schaft, daß sie sich nicht allein tech¬ 
nisch - finanziell, sondern vor allem 
auch sittlich und sozial auswirkt. Ge¬ 
meinsame Inleressen veranlassen den 
freiwilligen Zusammenschluß. Entge¬ 
genwirkende fremde Interessen erzie¬ 
hen zur Prüfung und Achtung der 
Rechte anderer. Die Einordnung in 
einen größeren Rahmen regt an und 
zwingt zu wirtschaftlichem Denken. 
Die gemeinsame Verantwortlichkeit 
stellt, eine ständige Uebung in Selbst¬ 
verwaltung und Unterordnung dar. 
Förderung des Sparsinns und ange¬ 
messenere Einkommensverteilung sind 
weitere soziale Elemente der Genos¬ 
senschaft. Dazu kommt die Schulung 
in der Verwaltung für die, die durch 
das Vertrauen der Mitglieder in die 
Leitung berufen werden und die da¬ 
mit verbundenen Aufstiegsmöglichkei¬ 
ten bis in die höchsten Stellen. 
Dadurch ist die Praxis des genos¬ 
senschaftlichen Lebens doch eine 
andauernde Betätigung und Entwick¬ 
lung derjenigen’Eigenschaften, die die 
Voraussetzung für die Demokratisie¬ 
rung unseres öffentlichen Lebens im 
weitesten Sinne sind. Es muß nur ver¬ 
mieden werden, daß Genossenschaften 
an einzelne politische Parteien ge- , 
bunden werden — soweit es sich nicht 
um Einrichtungen für Parteizwecke 
handelt — und es ist anzustreben, daß 
sie auf möglichst breiter Grundlage 
ihre Ziele verfolgen. Dann wäre jede 
Genossenschaft eine erzieherisch wir¬ 
kende und keine öffentlichen Zu¬ 
schüsse erfordernde „Schule des 
Sozialismus“.
	        
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