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Ton, ein unverständlich Geräusch, das in der Behaglich—
eit deiner Sünde dich stört, aber nicht erweckt, weil du
nicht ernstlich darauf achten willst? Ein Schlafender
wird umgaukelt von allerlei lügnerischen Scheingestalten
des Traums: Er ißt und wird nicht satt, er gewinnt
ind wird nicht reich, er freut sich und wird nicht froh.
O, hast du deine Frende auch noch an den trügerischen
GHütern und Freuden der Erde, die doch so schnell ver—
einnen, an der vergänglichen Freude in Wollust und
Vergnügen der Zeit, das doch nicht wirklich froh, an
dem Reichtum und der Arbeit dieser Welt, die doch nicht
wirklich reich machen? Was kann den Schlafenden nicht
überfallen an Unheil und Not! Wenn nun in deinem
SZündentraum der Tod kommt, der zu den Hänsern der
Menschen eingeht wie ein Dieb, und es überfällt dich
die Ewigkeit mit ihren Schrecken! Steh auf; die Nacht
ist zu Ende und der Tag ist da, die Stunde ernster
und heiliger Arbeit für dein Seelenheil und das Gottes—
reich. Steh auf und lege ab die Werke der Finsternis
und lege an die Waffen des Lichts, — die Werke, die
aus der Nacht stammen und der Nacht Art an sich
tragen und in die Nacht führen, — den irdischen Sinn
des Unglaubens, der nur für diese Erde lebt und nur
an dieses Leben denkt, es sei an die Arbeit oder den Ge—
winn oder die Ehre oder die Liebe dieser Zeit, — den
Sinn, dem kein Gedanke ferner und unbequemer ist,
als der an Tod und Ewigkeit und an Gericht. Leg
in dafür die Waffen des Lichts, dies ernste, dringende
Fragen: Was muß ich thun, daß ich selig werde? —
das heilige, weise Gedenken an den Weg, der von der
Erde in den Himmel und zu Gott führt, — den stillen
Glauben au die Gnade, die in Christo auch den Ver—
orensten selig zu machen im stande ist. Leg ab das
alte Sündenleben, die Friedlosigkeit und Sorgenfülle
deines beladenen Herzens, — den Neid und die Eifer—
sucht gegen deinen Nächsten, der mehr hat als du, dem
es besser geht, als dir, — die Streitsucht und den Haß
und die Unversöhnlichteit und Weltlust — das sind
Werke der Finsternis, selbst am Heiden sündhaft, aber
entschuldbar, — sündhaft auch bei dir und unentschuld—
dar in der Adventszeit des Gnadenlichts. Leg an die
Wafsen des Lichts: Friede, Freude, Geduld, Demut
Sanftmut, Keuschheit, mit denen du den Feind in dir
ind die Versuchungen um dich überwindest.
Es sind noch viele Schlafende in der Welt, die den
hellen Tag mißbrauchen und die Gnade des Lichts auf
Mutwillen ziehen. Wachet auf! ruft die Adventsstimme.
Aber sie ruft die Schlafenden nicht allein, die Wachen—
den auch. Mehr bange fast wäre mir um die Seele,
die da meinte, sie brauche das nicht zu hören, noch zu
Herzen zu nehmen, als um die, welche sich eigenwillig
und böswillig dagegen verschlösse. Die Sünde lohnt
ihren Dienern doch so schlecht, daß man immer noch
hoffen kann, sie kündigen ihr den Dienst: aber wer sich
zerecht dünkt, wie soll dem Gnade helfen? Was an
dir, Menscheuherz, noch von den Werken der Finsternis
hängt, und wären es die letzten Reste des alten Menschen
nur, die dich entstellen, — wo einer ist, der dies oder
jsenes Stück heidnischen Wandels, unreiner Gesinnung,
ungläubigen Wesens an sich entdeckt, — die Stunde ist
da. Lasset uns Advent, Rüstzeit anf das Kommen des
Herrn halten im Geist und in der Wahrheit! Machet
eure Kleider hell und haltet eure Lampen brennend,
denn so gewiß, wie Weihnachten das alte Testament,
gewiß schliekt die Wiederkunft des Herrn das neue
Testament ab. Daß die erste Adventszeit endete, ip
Bürgschaft, daß auch die zweite und letzte ein Ende hat.
Und zwar, unser Heil, eben Jesu Zukunft, ist näher
als je, — näher als da wir gläubig wurden. Wenig—
stens, da das neue Kirchenjahr anhebt, um ein Jahr
wieder näher, als da das verflossene begann. Ist es
nicht, als zählte der Apostel die Tage, da er schon, da—
mals inn Morgenrot des Christentums, von einem
Nähersein redete, wo es noch so fern war? Kannst du
das auch nicht, mein Christ, das sollst du wissen, daß
auch der Tag, da es möglich ist aufzustehen und die Waffen
des Lichts anzuthun, sein Ende hat, und eine Nacht ihw
folgt, da niemand wirken kann.
Advent ists! Jedes Glück, das einem widersährt
legt auch Pflichten auf. Ist dir der Advent eine fröh
liche Zeit, weil er die Gnade des Herrn dir aufs neue
bringt, so vergiß nicht der ernsten Pflicht, die er dir
ins Gewissen schiebt, und weil es denn Tag geworden
ist und noch Tagnist, so stehe auf! Amen.
Zurch tiefe Wasser.
Eine Familiengeschichte.
(Fortsetzung.)
Minder war stolz, einen Stammhalter zu besitzen
und manche Flasche Wein ward von ihm mit seinen
Wirtshausfreunden auf dies frohe Ereignis getrunken.
Die Bedenklichkeit wegen des Rückgangs im Geschäft
machte einer frohen Laune Platz; es schien ein rechter
Glücksstern über dem Hause aufgegangen. Auch Elise
schöpfte neue Hoffnungen. Sie hatte mit Schmerz und
Schrecken nach und nach wahrgenommen, wie ihr Mann
doch einen gar starken Hang zur Genußfucht habe und
immer in erster Linie an sich und sein Behagen denke
Sie hoffte von der Geburt eines Kindleins eine Aende—
rung in dieser Richtung: sie dachte, die Liebe zu einem
Kinde werde gewiß seine Selbstsucht niederhalten, mit
der Vaterliebe werden edlere Gefühle in sein Herz ein—
ziehen. Sie unterließ es auch nie, im Gebet für ihren
Mann um ein neues Herz zu bitten, weil sie nicht mit
ihm beten konnte. Die größere Freundlichkeit und
Heiterkeit ihres Mannes erschien ihr als ein gutes
Zeichen. Sie ahnte in ihrer Wochenstube nicht, daß
diese größere Heiterkeit eine Folge stärkeren Wirtshaus—
besuches war. Ja die Sache wurde von der Geburt
der Kinder an im Minderschen Hause bedenklicher als
bisher. Elise war sehr geschwächt: es dauerte Monate,
bis sie ihr Bett verlassen konnte, und auch dann noch
war sie der größten Schonung bedürftig. Da wurde
ihr die Mutter eine große Hilfe; konnte sie ihr auch
nicht viel geistigen Trost und Stärkung bieten; sie
konnte doch der Kinder sich annehmen und das nötigste
im Haushalt besorgen helfen. Aber es fehlte eben doch
die Aufsicht der Hausfrau über das ganze Hauswesen,
die bis dahin die fremden Leute im Hause von den
zröbsten Ausschreituugen in der Untreue zurückgehalten
hatte. Jetzt war das ganze Haus preisgegeben. Die
Magd plünderte nachgerade in der frechsten Weise den
Laden aus, und was das schlimmste war, Klagen dar—
über vonseiten der Ladendiener wurden von dem
Hausherrn nicht beachtet oder als Verleumdung zurück
gewiesen. Bald dämmerte den jungen Leuten der Ge—
danke des Verdachts auf, daß ihr Herr gegen die Frech—
heiten der Magd am Ende nichts mehr sagen dürfe
uͤnd der Respekt vor ihm sank vollends dahin. Es bo