Full text: Evangelisches Wochenblatt (13.1886)

9* 
Verlorene durchaus wiedergewiunnen, während seine Mit— 
spieler ihrerseits alles daran setzten, ihn noch weiter 
hineinzutreiben. 
So wurde das Spiel immer hitziger. Mam zankte, 
man fluchte, Faustschläge fielen dröhnend auf den Tisch 
nieder, daß die Gläser klirrten; und der Lärm stieg zu 
einem solchen Höhegrade, daß der Wirt, welcher fonst 
nie seine Ruhe verlor, schon mehrmals ängstlich zu dem 
Spieltische hinübergeblickt hatte, vb da auch alles gut 
euden werde. 
Da wurde plötzlich die Thür aufgerissen. Herein 
stürzte Robert, des Bauer Jürgen Sohn. Er miachte 
den Eindruck eines Wahnsinnigen. Seine roten, struppi— 
gen Haare sträubten sich, die Kugeln seiner weit auf— 
gerissenen Augen rollten wild hin und her, die Arme 
hatte er weit von sich gestreckt, als wolle er ein Ge— 
spenst abwehren. 
Im ersten Angenblicke vermochte er sich in dem 
Qualm der Wirtsstube nicht zurechtzufinden. Suchend 
blickte er umher. Dann seinen Vater an dem Spiel— 
tische bemertend, lief er auf denselben zu und schrie mit 
heiserer Stimme: „Vater, unser Hof brennt! — Feuer 
Feuer!“ Damit stürzte er wieder auf die Straße. 
Totenstille trat für einen Augenblick in der Wirts— 
stube ein. Der Bauer saß da wie vom Schlage ge— 
troffen, sein Gesicht war erdfahl geworden, die Karten, 
die er noch in der Hand hielt, fielen einzeln zur Erde. 
Dann sprangen sämtliche Anwesende auf, um der 
Brandstätte zuzueilen. 
Unterwegs hörten sie schon die Sturmglocke; un— 
heimlicher Feuerschein rötete den Himmel der stillen 
Mainacht; das ganze Torf war auf den Beinen. 
Am Epritzenhause kommandierte der Schulze mit 
weithin schallender Stimme; von der schlecht eingeübten 
Löschmannschaft war aber immer Einer dem Andern 
im Wege. 
Als man endlich soweit war, den ersten Wasserstrahl 
abgeben zu können, mußte man sich zu gleicher Zeit 
überzeugen, daß nichts mehr zu thun sei. Das Ge— 
höfte brannte an vier Stellen; fämtliche Strohdächer 
standen in Flammen, ja waren zumteil bereits herab— 
gesackt und hatten mit ihren Feuergarben die Zugänge 
gesperrt, so daß selbst nur wenige Stücke Vieh gerettet 
werden konnten. Auch die von den Nachbardörfern 
herbeieilenden Spritzen waren machtlos. Sie gingen 
zwar rüstig an die Arbeit, aber mit wenig Erfolg. 
Jürgen Buchholz stand vor seinem brennenden Ge— 
höfte, raufte sich die Haare und schrie unaufhörlich: 
„Helft, helft!“ Aber hier war jede Hülfe umsonst, es 
war nichts mehr zu retten. Frau Ursel lag in Krämpfen 
abseits auf einem Sandhaufen. Sie hatte das Feuer 
erst bemerkt, als das Haus über ihr bereits lichterloh 
brannte. Robert sah sich kaum noch ähnlich; die Kniee 
schlotterten ihm, und die Zähne schlugen hörbar auf 
einander, trotz der Glut, die das Feuer verbreitete; er 
lief bald hierhin, bald dorthin, vermied aber sichtlich 
die Nähe seines Vaters. 
Da bei der Stille des Windes ein Weiterumsich— 
greifsen des Feuers nicht zu fürchten war, beschränkte 
man sich darauf, das zusammengestürzte brennende Ge— 
bälk mit Wasser zu überschütten, um wenigstens noch 
etliche Stücke, die sich wieder brauchen ließen, zu erhalten. 
Jürgen war nach und nach ganz still geworden, er 
stand da wie eine Salzsäule und schaute ftieren Blicks 
in Flamme und Qualm. 
Der Schulze trat zu ihm, berührte ihn an der Schulter 
und sagte: „Jürgen, wer das augelegt hat, der hats 
beinahe zu gründlich besorgt! Das Feuer ist an vier 
Stellen zu gleicher Zeit ausgebrochen.“ Der Sprecher 
ichlug eine heisere, häßliche Lache auf. 
Der Bauer erwachte wie aus einem tiefen Traume. 
Es zuckte wie ein Blitz durch sein Gehirn, er sah sich 
rund um nach allen Seiten, dann stieß er heftig her— 
vor: „Wo ist mein Robert?“ 
„Ha, der Robert!“ lachte der Schulze weiter, „rich— 
tig, der hat Euch ja die erste Meldung gebracht. Viel— 
eicht weiß der Genaueres über die Sache. Seht, da 
drüben steht er! Wie er rot aussieht in dem Feuer— 
chein, wie ein richtiger Feuerwerker aus der Hölle!“ 
Der Bauer hörte nicht weiter. Stürmenden Laufes 
eilte er um die Braudstätte herum. Robert aber hatte 
ihn früh genug konmen sehen, um noch zu rechter Zeit 
in die Tunkelheit hinaus entschlüpfen zu können, und 
der Bauer mußte seine Verfolgung bald als nutzlos 
aufgeben. 
Jürgen war in einer Aufregung, die ihn einen 
Mord hätte begehen lassen. Es war ihm, als müsse 
er den roten Feuerwerker in seine eigenen Flammen 
werfen. 
(Fortsetzung folgt.) 
—AR 
legen uns unsere Kolonieen auf? 
Nach der gleichnamigen Schrist von Dr. Warneck.) 
III. Die Eingeborenen und ihr Recht. 
Wir fragen: was bringen uns die Kolonieen für 
Vorteil? Diese Frage hat ihr Recht. Der Handel will 
verdienen. Aber ebenso haben die Gingeborenen 
ein Recht, zu fragen: Welchen Segen bringt eure Kolo— 
nisation denn uns? — Ihr kommt hierher, setzt euch 
in den Besitz unseres Landes, bereichert euch durch seine 
Schätze und unterwerft uns eurer Oberherrschaft — 
was gebt ihr uns dafür? Denn das ist doch 
offenbar, daß die paar hundert oder tausend Mark, 
welche als Kaufpreis gezahlt werden, keine wirkliche 
Hegenleistung für die abgetretenen großen Gebiete sind, 
ind die abgeschlossenen Verträge keine Ablaßbriefe, welche 
ins von den Pflichten gegen die Eingeborenen entbinden 
oder gar für Unrechtsakte absolvieren. Wir können die 
Rechtstitel aller dieser Landerwerbungen nicht uunter— 
uchen, aber wenn auch äußerlich alles rechtmäßig zu— 
zegangen, so beruht die ganze Erwerbung doch lediglich 
auf dem Recht des Stärkeren und Klügeren 
dem Schwachen und Ungebildeten gegenüber. Wußten 
denn diese Eingeborenen wirklich, was sie thaten, als 
sie ihr Land dahingaben und sich unter deutsche Schutz- 
herrschaft stellten, selbbst wenn sie um diese baten? — 
Sind die Vermittler, namentlich die Dolmetscher, immer 
ganz zuverlässige Leute? Gaben sie sich die Mühe, den 
Eingeborenen in ihrer Sprache die Sache wirklich klar 
zu machen? Hatten die Häuptlinge wirklich immer das 
Recht, auf diese Weise über ihre Unterthanen zu ver— 
fügen? Doch lassen wir das. Nur dann gibt es für 
jenes Recht, das der Stärkere sich nimmt, eine zur 
Entschuldigung dienende Ausgleichung, wenn der Stärkere 
sich auch als der Bessere erweist und der wirkliche 
Wohlthäter der Eingeborenen wird. Die Ein—
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.