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Verlorene durchaus wiedergewiunnen, während seine Mit—
spieler ihrerseits alles daran setzten, ihn noch weiter
hineinzutreiben.
So wurde das Spiel immer hitziger. Mam zankte,
man fluchte, Faustschläge fielen dröhnend auf den Tisch
nieder, daß die Gläser klirrten; und der Lärm stieg zu
einem solchen Höhegrade, daß der Wirt, welcher fonst
nie seine Ruhe verlor, schon mehrmals ängstlich zu dem
Spieltische hinübergeblickt hatte, vb da auch alles gut
euden werde.
Da wurde plötzlich die Thür aufgerissen. Herein
stürzte Robert, des Bauer Jürgen Sohn. Er miachte
den Eindruck eines Wahnsinnigen. Seine roten, struppi—
gen Haare sträubten sich, die Kugeln seiner weit auf—
gerissenen Augen rollten wild hin und her, die Arme
hatte er weit von sich gestreckt, als wolle er ein Ge—
spenst abwehren.
Im ersten Angenblicke vermochte er sich in dem
Qualm der Wirtsstube nicht zurechtzufinden. Suchend
blickte er umher. Dann seinen Vater an dem Spiel—
tische bemertend, lief er auf denselben zu und schrie mit
heiserer Stimme: „Vater, unser Hof brennt! — Feuer
Feuer!“ Damit stürzte er wieder auf die Straße.
Totenstille trat für einen Augenblick in der Wirts—
stube ein. Der Bauer saß da wie vom Schlage ge—
troffen, sein Gesicht war erdfahl geworden, die Karten,
die er noch in der Hand hielt, fielen einzeln zur Erde.
Dann sprangen sämtliche Anwesende auf, um der
Brandstätte zuzueilen.
Unterwegs hörten sie schon die Sturmglocke; un—
heimlicher Feuerschein rötete den Himmel der stillen
Mainacht; das ganze Torf war auf den Beinen.
Am Epritzenhause kommandierte der Schulze mit
weithin schallender Stimme; von der schlecht eingeübten
Löschmannschaft war aber immer Einer dem Andern
im Wege.
Als man endlich soweit war, den ersten Wasserstrahl
abgeben zu können, mußte man sich zu gleicher Zeit
überzeugen, daß nichts mehr zu thun sei. Das Ge—
höfte brannte an vier Stellen; fämtliche Strohdächer
standen in Flammen, ja waren zumteil bereits herab—
gesackt und hatten mit ihren Feuergarben die Zugänge
gesperrt, so daß selbst nur wenige Stücke Vieh gerettet
werden konnten. Auch die von den Nachbardörfern
herbeieilenden Spritzen waren machtlos. Sie gingen
zwar rüstig an die Arbeit, aber mit wenig Erfolg.
Jürgen Buchholz stand vor seinem brennenden Ge—
höfte, raufte sich die Haare und schrie unaufhörlich:
„Helft, helft!“ Aber hier war jede Hülfe umsonst, es
war nichts mehr zu retten. Frau Ursel lag in Krämpfen
abseits auf einem Sandhaufen. Sie hatte das Feuer
erst bemerkt, als das Haus über ihr bereits lichterloh
brannte. Robert sah sich kaum noch ähnlich; die Kniee
schlotterten ihm, und die Zähne schlugen hörbar auf
einander, trotz der Glut, die das Feuer verbreitete; er
lief bald hierhin, bald dorthin, vermied aber sichtlich
die Nähe seines Vaters.
Da bei der Stille des Windes ein Weiterumsich—
greifsen des Feuers nicht zu fürchten war, beschränkte
man sich darauf, das zusammengestürzte brennende Ge—
bälk mit Wasser zu überschütten, um wenigstens noch
etliche Stücke, die sich wieder brauchen ließen, zu erhalten.
Jürgen war nach und nach ganz still geworden, er
stand da wie eine Salzsäule und schaute ftieren Blicks
in Flamme und Qualm.
Der Schulze trat zu ihm, berührte ihn an der Schulter
und sagte: „Jürgen, wer das augelegt hat, der hats
beinahe zu gründlich besorgt! Das Feuer ist an vier
Stellen zu gleicher Zeit ausgebrochen.“ Der Sprecher
ichlug eine heisere, häßliche Lache auf.
Der Bauer erwachte wie aus einem tiefen Traume.
Es zuckte wie ein Blitz durch sein Gehirn, er sah sich
rund um nach allen Seiten, dann stieß er heftig her—
vor: „Wo ist mein Robert?“
„Ha, der Robert!“ lachte der Schulze weiter, „rich—
tig, der hat Euch ja die erste Meldung gebracht. Viel—
eicht weiß der Genaueres über die Sache. Seht, da
drüben steht er! Wie er rot aussieht in dem Feuer—
chein, wie ein richtiger Feuerwerker aus der Hölle!“
Der Bauer hörte nicht weiter. Stürmenden Laufes
eilte er um die Braudstätte herum. Robert aber hatte
ihn früh genug konmen sehen, um noch zu rechter Zeit
in die Tunkelheit hinaus entschlüpfen zu können, und
der Bauer mußte seine Verfolgung bald als nutzlos
aufgeben.
Jürgen war in einer Aufregung, die ihn einen
Mord hätte begehen lassen. Es war ihm, als müsse
er den roten Feuerwerker in seine eigenen Flammen
werfen.
(Fortsetzung folgt.)
—AR
legen uns unsere Kolonieen auf?
Nach der gleichnamigen Schrist von Dr. Warneck.)
III. Die Eingeborenen und ihr Recht.
Wir fragen: was bringen uns die Kolonieen für
Vorteil? Diese Frage hat ihr Recht. Der Handel will
verdienen. Aber ebenso haben die Gingeborenen
ein Recht, zu fragen: Welchen Segen bringt eure Kolo—
nisation denn uns? — Ihr kommt hierher, setzt euch
in den Besitz unseres Landes, bereichert euch durch seine
Schätze und unterwerft uns eurer Oberherrschaft —
was gebt ihr uns dafür? Denn das ist doch
offenbar, daß die paar hundert oder tausend Mark,
welche als Kaufpreis gezahlt werden, keine wirkliche
Hegenleistung für die abgetretenen großen Gebiete sind,
ind die abgeschlossenen Verträge keine Ablaßbriefe, welche
ins von den Pflichten gegen die Eingeborenen entbinden
oder gar für Unrechtsakte absolvieren. Wir können die
Rechtstitel aller dieser Landerwerbungen nicht uunter—
uchen, aber wenn auch äußerlich alles rechtmäßig zu—
zegangen, so beruht die ganze Erwerbung doch lediglich
auf dem Recht des Stärkeren und Klügeren
dem Schwachen und Ungebildeten gegenüber. Wußten
denn diese Eingeborenen wirklich, was sie thaten, als
sie ihr Land dahingaben und sich unter deutsche Schutz-
herrschaft stellten, selbbst wenn sie um diese baten? —
Sind die Vermittler, namentlich die Dolmetscher, immer
ganz zuverlässige Leute? Gaben sie sich die Mühe, den
Eingeborenen in ihrer Sprache die Sache wirklich klar
zu machen? Hatten die Häuptlinge wirklich immer das
Recht, auf diese Weise über ihre Unterthanen zu ver—
fügen? Doch lassen wir das. Nur dann gibt es für
jenes Recht, das der Stärkere sich nimmt, eine zur
Entschuldigung dienende Ausgleichung, wenn der Stärkere
sich auch als der Bessere erweist und der wirkliche
Wohlthäter der Eingeborenen wird. Die Ein—