Full text: Der Saar-Freund (13.1932)

55 F 3* 7 
Nachrichten aus dem 
ab getrennten 
Saar- und Pfalzgebiet 
— —— 
Rummer 7 13. gahrgang 
& J 3 8 8 FA 
Müuteilungsblait 
des 
Bundes der Saar Vereine 
— 
Berlin den 1. Apri 1933 
Wo sind die 150 000 Gaarfrunzosen 
und die Gunruusonomisten? 
Von Dr. Hüttebräucker Saarbrücken 
Das Saargebiet wurde bekanntlich von Deutschland ab— 
getrennt mit der Begründung, es lebten dort 150 000 Saar— 
franzosen, die gebieterisch ihren Wiederanschluß an Frankreich 
forderten. 150 06000 Maun unter damals etwa 700 000 Einwoh— 
nern — immerhin eine beachtliche Minderheit. Allerdings hat 
man bisher diese Saarfranzosen mit der Laterne gesucht, ohne 
sie zu finden. Diese sollen Augst haben vor dem berüchtigten 
preußischen Terror“ und deshalb sich nicht hervorwagen. Das 
wäre allerdings nicht gerade ein Zeichen besonderen Mutes; auch 
müßte die Sdarregierung ihr Regiment nur schwach ausüben, 
wenn sie diesen Schutz nicht übernehmen könnte. Uebrigens 
muß dieser Terror ja etwas ganz Furchtbares sein, wenn diese 
Franzosen es nicht einmal wagen können, bei geheimen Wahlen 
ihrer Ueberzeugung Ausdruck zu verleihen. Die beste Ge— 
legenheit, ihr Dasein zu beweisen, hatten 
die Franzosen jedesmal bei einer Ländes— 
ratswahl. 150 000 würden henute noch 13 Landes— 
atsmandate von 30, erobern fönnen! Nur einmal 
hat man einen solchen schwachen Versuch unternommen. Im 
—* 1924 wurde unter demn Naneu „Saarländische Arbeits— 
gemeinschaft“ eine besondere SaRarbundsliste aufgestellt. 
Sie erhielt damals FRnapp 6000 Stimmen, trotzdem die 
ganzen Franzosen, die bei Regierungskommission, Bergwerfs— 
direktion und Zollverwaltung beschäftigt sind, mit ihren Au— 
gehörigen auch wahlberechtigt sind. Tas sind bereits einige 
Tausend; zieht nian nun noch die geflüchteten rheinischen Se— 
paratisten und sonstige Glücksritter, die vor dem Zugriff der 
Staatsanwaltschaft geflüchtet sind, ab, so bleibt noch ein ganz 
kümmerliches eehe armseliger Kreatu— 
ven übrig. Es zeigte sich also damals schon, daß die einst so 
berühmten Saarfranzosen so ziemlich restlos ausgestorben 
waren. Sie müssen anscheinend ciner Epidentie zum Opfer ge— 
fallen sein! 
Seitdem sieht man es in Frankreich am liebsten, wenn 
dieses dunkle Kapitel der Saarfraͤnzosen uüͤberhaupt nicht mehr 
angeschnitten wird; nur einige Neberchanvinisten kommen ab und 
zu noch einmal darauf zurück, weil sie von den Dingen absolut 
keine Ahnung haben und daher nicht wissen, wie sehr sie sich damit 
blamieren. Statt dessen hät man heute einen auderen Begriff 
geprägt, nämlich die „Saarländischen Autonomisten“. Der Be— 
riff „Autonomisten“ ist in Frankreich vieldeutig. Handelt es 
ich um Autonomisten in Elsaß-Lothringen, dann ist dies sozu— 
jagen die Ausgeburt der Hölle, dann sind es von Deutschland 
ezahlte Friedensstörer. Handelt es sich aber um Saarlkänder, 
dann sind Autonomisten ganz besonders feine Kerle, die um der 
re des Friedens und der Völkerverständigung willen 
pher scheuen usp. Daß die Dinge gerade umgekehrt 
liegen, braucht an dieser Stelle nicht besonders hexvorgehoben 
zu werden. Denn was sind in Wirklichkeit die 
'aarländischen Autonomisten für klägliche 
BSestalten! — Man kann zwar feststellen, daß die wenigen 
Kreatureu, die man sich gekauft oder gepreßt hat, sehr vielseitig 
organisiert sind. Da gibt es Saarbund, Warndidund, Verband 
aarländischer Bergarbeiter, Bedsab, Verein naturalisierter 
Saarjranzosen. Verein der Elsaß-Lothringer, Elternvereinigung 
franzöfischer Schulen usw. Und über allem schwebt die Arbeits— 
gemeinschaft zur Wahrung saarläudischer Interessen. Das hört 
ich alles sehr großartig an, nur darf man nicht einmal hinter 
zie Kulissen sehen. Es ist Ehrensache eines jeden Anhängers, 
möglichst all diesen Orgauisationen auzugehören; an der Höhe 
der Beiträge braucht die Mitgliedschaft gewiß nicht zu scheitern. 
Auf diese Weise kanu man wenigstens in der Statistik jeden 
Unhänger drei- bis viermal zählen. Solches Verfahren versagt 
zatürlich bei einer Wahl, bei der nur eine Stimme in die Wog- 
chale geworfen werden kann. Also muß nian eine derartige 
Beneralprobe unter allen Umständen vermeiden! 
Nun hat man auch sein eigenes Berbandsorgan 
die „Chronik“, nachdem die frühere Saarchronik den be— 
saunten Betriebsunfall erlitten hat; denn man muß der Berg⸗ 
»erwaltung für ihr Geld doch auch schwarz auf weiß etwas 
— VV0 
mal einen Deutschen gefnuden hat, der seinen Namen 
ür die Schriftleitund hergibt. WMian hat sich eer 
einen in Forbach wohnenden Schriftsetzer ausgesucht; auch hat 
nan für alle Fälle den Verlagssitz nach Forbach verlegt, um vor 
veiteren Betriebsunfällen bewahrt zu bleiben, — In diesem 
Blättchen hat man in letzter Zeit den Mund recht voll ge⸗ 
ommen, Da kounnte man immer wieder lesen, die Saarbevölke⸗ 
rung wolle von den deutschen Parteien nichts mehr wissen, sie 
habe für die Rückgliederungspropaganda nicht das geringste 
nehr übrig. Aus wirtschaftlichen Gründen sei mehr als die 
hälfte der Saarbevölkernig dafür, daß das Saargebiet in seiner 
isherigen Verwaltungsform für alle Zeiten bestehen bleiben 
olle ujw. Man ging sogar so weit, eine sofortige Volfsabstim— 
mung zu fordern, weil man allexdings nur zu genau wußte. 
daß diese Forderung doch nicht in Erfüllung gehen werde. Wäh⸗ 
reud vor allem in den letzten zwei Jahren die Bergverwoltung 
erfucht, durch unerhörte wirischaftliche Druckmittel die Saar⸗ 
bebblkorung mürbe zu machen, schrieb dieses Blättchen dazu den 
Begleittext; unter Hinweis auf die wirtschaftlich und politisch 
chuͤchte Lage im Reich suchte man der ZSaarbevölkerung ein- 
zireden, daß ihr wirtschaäftlicher Vorteil die Beibehaltung des 
etzigen Zustandes sei. 
ann ander aus dem Reich, der das Ve rin 
zu Gesicht bekam, gab seiner Besorguis darüber Ausdru —J 
nicht eine solche Propaganda in den Zeiten höchster agte 
icher Not doch ihre Fruͤchte tragen könne, zumal im Sgargebte 
ssich ve etbeblich beffer seials im Reich. Man
	        
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