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Kleine politische Umschau
Die Strafe des Verräters.
Durch Urteil des Reichsdisziplinarhofes vom 16. Juni 1931
hat eine Denunziation eines deutschen Eisenbahnbeamten, der
einen Berufskollegen an die französischen Zollbehörden im
Saargebiet verraten hat, die gerechte Sühne gefunden. Der
Disziplinarhof hat die erstinstanzliche Verurteilung des Ange⸗
schuldigten zur Strafe der Dienstentlassung bestätigt. Der Ent⸗
scheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Angeschüldigte wohnte mit dem Reservelokomotiv⸗
führer N. in deimselben Hause. Seit längerer Zeit leben beide
in Feindschaft. Beide hatten Züge nach dem Saargebiet zu be⸗
gleilen. Tie Züge passierten in Serrig den deutschen, in Mett⸗
lach den französischen Zolldienst. Der Angeschuldigte hatte den
N. in Verdacht, daß dieser Pakete in das Saargebiet mitnehme,
ohne sie in Mettlach verzollen zu lassen. Er teilte seinen Ver⸗
dacht zunächst der deutschen Zollbehörde in Serrig mit. Sie
wies ihn ab. Darauf faßte er den Entschluß, den R. der fran⸗
zösischen Zollbehörde in Mettlach anzuzeigen. Das tat er. Die
Franzosen forderten ihn auf, ihnen den R. gelegentlich zu be⸗
zeichnen. Am 31. August 1930 begleiteten nun der Angeschuldigte
und N. denselben Zug nach Saarbrücken, jener als Schaffner,
dieser als Heizer auf der Lokomotive. In Mettlach fand die
übliche französische Zollrevision statt. Als der Zollbeamte die
Lokomotive nach flüchtiger Prüfung bereits verlassen hatte,
ohne etwas zu finden, machte der Angeschuldigte ihn auf N.
aufmertsam und forderte ihn auf, nochmals auf die Maschine zu
gehen und bei dem Heizer nachzusehen. Daraufhin gingen vier
französische Zollbeamte auf die Lokomotive und fanden im
Kleiderkasten des Tenders ein verpacktes Jagdgewehr, das N.
einem Freunde in Saarbrücken mitbringen wollte. Die Loko—⸗
motive wurde von den Franzosen beschlagnahmt, der Zugführer
und der Heizer festgehalten. Erst nach Verhandlungen der
Reichsbahn mit der französischen Zollkommission wurden
Maschine und Personal freigegeben.
Die Reichsdisziplinarkammer hat in dem geschilderten Be⸗—
nehmen des Angeschuldigten ein Dienstvergehen nach 8 10
Reichsbeamtengesetz erblick, ihn durch Entscheidung vom
23. Oktober 1930 mit Dienstentlassung (8 75 Ziffer 2 Reichs⸗
b eamtengesetz) bestraft und ihm dabei die Hälfte seines Ruhe⸗
gehalts auf fünf Jahre belassen. Seiner Berufung hat der
— mit folgender Bearündung den Erfolg ver⸗
agt:
Der Angeschuldigte hat sich der Achtung, die sein Beruf er⸗
fordert, in einem solchen Maße unwürdig gezeigt, daß die Strafe
der Dienstentlassung geboten ist. Auch unter Berücksichtigung
seiner Feindschaft mit N., seines angegriffenen Gesundheits—
zustandes und seiner leichten Erregbarkeit kann seine Tat mit
keiner milderen Strafe geahndet werden. Ein deutscher Beamter,
der seinen deutschen Berufsgenossen zur Befriedigung eines per⸗
sonlichen Rachebedürfnisses planvoll bei einer französischen Be⸗
hörde auf deutschem Boden denunziert, kann nicht im deutschen
Reichsdienst belassen werden. Die deutsche Bevölkerung inner⸗
halb und außerhalb des Saargebietes, die deutsche Beamten⸗
ichaft und wohl auch die französische Behörde im deutschen Lande
würde die weitere Verwendung des Angeschuldigten im deut—
schen Beamtenverhältnis schlechterdings nicht verstehen. Die
Schwere seines Dienstvergehens wird dadurch nicht wesentlich
gemildert, daß ihm sonst von seinen Dienstvorgesetten — ins—
besondere in den Berichten nach der Tat — ein guünstiges Leu⸗
mundszeugnis ausgestellt wird. Seine Verdienste zu Beginn
der Besatzungszeit können unterstellt werden, ohne ihn von der
vollen Verantwortung für die Tat im Augusft 1930 zu entlasten.
Von einer in plötzlicher Erregung begangenen Affekthandlung
kann bei dieser Tat keine Rede sein. Sie ist mit reiflicher Ueber—
legung vorbereitet und durchgeführt worden. Bei der Tat hat
es sich lediglich um einen Racheakt gehandelt, der nicht nur den
N., sondern auch andere deutsche Beamte in Gefahr brachte und
den deutschen Babnbetrieb empfindlich beeinträchtigte. Nach
alledem mußte die Strafe der Dienstentlassung bestehen bleiben.
Förderung des Absatzes von Saarkohlen im Reiche.
Der Verband pfälzischer Industrieller hat an seine Mitglieder
einen Aufruf gerichtet, in dem diese zu einem verstärkten Bezug
jaarländischer Kohle aufgefordert werden. Mit dieser Absatz⸗
propaganda soll versucht werden weitere Entlassungen der saar—
pfälzischen Bergarbeiter und der Saargänger abzuwenden. Es
wäre dringend zu wünschen, daß dieser Aufruf nicht ohne Erfolg
bliebe. Der Absatzrückgang von Kohlen aus dem Reiche V
den letzten Jahren ziemlich erheblich gewesen, verringerte er sich
doch vom Jahre 1928 mit 13 129 330 Dz. im Werte von 33023 000
Mark auf 9342340 Dz. im Werte von 19032 Mark im Jahre
1931. Dieser Absatzrückgang ist eine Folge der Preis- und Ab⸗
atzpolitik der französischen Grubenverwaltung, die nach dem Ve—
sizübergang der Saargruben an Frankreich zwangsmäßig das
natürliche Absatzgebiet der Saarkohlen in Süddeutschland ab⸗
perrte und damit die dortige Industrie zwang, sich auf anderes
Feuerungsmaterial umzustellen, und die auch in der Preisgestal⸗
tung einen Riegel dem Absatz nach dem Reiche vorschob. Wie
oerheerend diese Preispolitik wirken muß, ist allein aus der Tat⸗
oche zu erkennen, daß die Fabrikkohle hier im Saargebiet im
Preise sich gegenwärtig auf 169 Prozent gegenüber 100 Prozent im
Jahre 1913 stellt. Daraus ist auch erkenntlich, in welch schwierige
rdage die Saarindustrie durch die verkehrte Preispolitik der fran⸗
zösischen Grubenverwaltung geraten ist. In der ersten Zeit nach
der gewaltsamen Besitzaneignung der Saargruben konnte Frank⸗
zeich nicht genug an Saarkohlen erhalten; die Entwicklung ist
aber anders gegangen, als man sich in Paris gedacht hat. Absatz—
tockungen, Grubenstillegungen und Brotlosmachung von Tausen⸗
den von Vergleuten sind das Resultat der französischen Wirtschaft
iber die Saargruben und heute schon erweist sich, daß das Ge⸗
chüft, das man mit dem Rückkauf der Saargruben dem Reiche
⁊bzutrotzen hoffte, ein sehr faules werden wird. Noch drei Jahre
wird voraussichtlich die französische Wirtschaft über die Saar⸗
zruben andauern, bis dahin werden die phantasievollen Preise,
die man für den Rückkauf zu erpressen hoffte, wohl ziemlich zu⸗
ammengeschmolzen sein. Auch hier werden die Franzosen ein
Trümmerfeld zurücklassen, das für immer ein Zeugnis französischer
Anmaßung bleiben wird.
* Ueber den Endkampf um die Rückgliederung der Saar
prach auf einem Heimatabend der Burbacher Ortsgruppe der
Deutsch-jaarländischen Volkspartei der Vorsitzende derselben,
Malermeister Schmelzer. Als eine Selbstverständlichkeit be—⸗
zeichnete er es, daß sich die Saarbevölkerung ge⸗
schlossen die Rückgliederung zum Reiche er—⸗
rämpfen werde, ohne Rücsicht darauf, wie sich
die Verhältnisse in Reiche entwickeln würden.
Die nächsten Jahre würden dem Saargebiet zweifellos noch
erhebliche Schwierigkeiten bringen. Auf die Lage der
Saargruben übergehend meinte er, daß die französische Berg⸗
werksdirektion, um die Bevölkerung mürbe zu machen,
etzt zu Grubenstillegungen in größerem Um⸗
ange übergehe, die sich zweifellos hätten vermeiden lafsen,
venn Frankreich seiner Verpflichtung gemäß in größerem Um⸗
fange die Saarkohlen aufnehmen würde. An das saarlän⸗—
dische Mitglied der Regierungs-Kommission
Koßmann habe seine Partei das Verlangen gerichtet, sich
nit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln gegen diese Still⸗
iegungen zu wenden. ESgenüge jedenfalls nicht, daß
sich Koßmann darauf beschränke, bei einer Ab—
stimmung innerhalb der Regierungs-Kom⸗
mission sich überstimmen zu lassen. Nötigen—
falls müßte Koßmann gemeinsam mit den Ver—
tretern der Saarbevölkerung in Genf Schritte
internehmen, um diese Schädigungen abzu⸗
vehren. Der Redner wies auch auf die Druckmaßnahmen
gegen die Bergleute hin. Die Verantwortung für den Schul⸗
terror treffe gewiß das jetzt ausscheidende tschechische Mitglied
der Regierungs-Kommission an erster Stelle, aber Herr Veszensky
habe selbst einmal gesagt, „die Minister kommen und gehen,
was aber bleibt, sfind die Räte, die die eigent⸗
lbiche Politik machen!“ Einer von diesen sei vorzeitig
ausgeschieden, aber ein anderer sei noch da und übe
weiter seinen verhängnisvpollen Einfluß aus.
herr Schmelzer schloß mit dem Hinweis, daß zu befürchten stehe,
daß man in den kommenden Jahren vor dem Abstimmungs⸗
ampf noch weiter unter den Böswilligkeiten der
ssaar⸗-⸗Regierung zu leiden haben werde, aber die Saar⸗
zolterung werde auch diesen Kampf au einem glücklichen Ende
iühren!
* Zur Bergarbeiter⸗Entlassung auf Grube Hostenbach.
Aus Anlaß der Bergarbeiterentlassungen auf Grube Hosienbach
jand in Schaffhausen eine Belegschaftsversammlung statt. Lehn—⸗
hoff vom Gewerkverein und Schwarz vom Verband kennzeichneten
die Entwicklung der europäischen Kohlenwirtschaft sowie die
Lage des heutigen Bergbaues an der Saar. Es wurde betont,
daß Frankreich ein kohleneinführendes Land ist,
iber lieber englische Kohlen aufnimmt, als daß es seine eigene
Rraduktion. die Prodiktion des Saarberabaues verwendet Sie