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Im deutschen Saargebiet.
Wer nach einer dreis bis vierjährigen Abwesenheit
Saarbrücken kommt, der ist pieiiihhin den großen 8
schwung, der sich in dieser kurzen Spanne Zeit dort vollzogen
hat. 1928 konnte den Ein⸗- oder Durchreisenden diese gute, alte
o Stadt geradezu französisch anmuten, jedenfalls die ganze
Aufmachung“.“ Da war jeder dritte Mann auf der ingg
französischer Soldat, da zog die srgraece Militärmusik m
klingendem Spiel durch die Straßen, da standen e se Posten
uberall vom Bahnhof bis zur historischen „Bellevue“, da prang—
ten an allen Ecken der Stadt ungeheure Straßenschilder in fran—
zösischher Sprache hauptsächlich Wegebezeichnungen, wie „ Trèves
nach Trier), Mayence (nach Mainz), „à Haguenau“, à Stras
bourgẽ uswe; da flutete durch die Straßen der Stadt halb Frank—
reich um das in der Inflation begriffene arme Deutschland aus—
Jutcgufen, auszusaugen bis aufs Blut. All das sah mit Groll und
* und Keid der flüchtig Durchreisende. Aber der im
aarland Veheimatete sah — trotzdem er selber am ingrimmigsten
die Faust baute (und nicht nur „im Sac“, wie es da heißt) —
schon damals die ganze Franzosenwirtschaft als einen Teufels⸗
sjpuk an den ein gut deutscher kräftiger Sturmwind über kurz
oder lang hinwegfegen würde.
Daß dieser Sturmwind inzwischen — — und gefegt
hat, das sieht man heute, sobald man die alte aarheimat wieder
vbeitiii. Wo ist das französische Militär? Ist das alles? Das
ist das erste, was man fragt. Wo sind die XRX Straßen⸗
ine Wo ist das jranzoͤsische Gewäsch auf Straßen, in Läden?
o sind die zierlichen, trippeinden Französinnen jeder Art und
Guüte die einem in den Weg liefen? Wo ist ihr französisches
Parfüm? Wo find die stolzen Frankenbesitzer, die für ihr voll⸗
wertiges Gesd die letzten deutschen Waren einkauften, voll Ver⸗
achlund für unsere gelunkene Voluta?
Von all diesen Herrlichkeiten ist das meiste
verschwunden. Geblieben ist ein che Rest der franzö—
sischen Besatzung. Die französischen Soldaten werden ihrer schlech—
len Frankenbesoldung wegen von der gutmütigen Bevölkerung
bemiile idet Selbsft das vblauweißrote Fähnlein, das vor vier
Jahren noch so siegesfrendig auf dem Regierungsgebäude wehte
hat der Saarbrücker Fahne Platz machen müssen. Und in dem
schönen stolzen Haus (dem ehemaligen Landgericht) drinnen finde!
man nur deutsche Bezeichnungen; nicht einmal Paßbureau“
sondern Paßbüer o“ steht da, und man fucht vergebens nach der
Gendarmerie“ hier steht „Dienstzimmer der Land—
Juger. Sogar die noch vor dem Kriege so zahlreich an den
reni pefindlichen Plakate „Jei on parle francdis“ sind
fast ganz verschwunden; in dem größten Restaurant fand ich auf
der Speisenkarte nicht Bouillon“, sondern „Kraftbrühe“ das
Rumpfteak“ war ein Rundstück“ geworden — ethymologisch
7 ganz einwandfrei, aber was schert das den Saarbrücker?
Undb als ich mir im althistorischen Rathause die Bilder ansah
oeeee Gemälde von Anton v. Werner Geschenk des alten
ssers an die Stadt) und nach dem Namen eines franzöfsischen
Fenerals fragte da sagte mir die Gonst sehr bewanderte) er—
klärende Saarbrückerin halb verlegen: „Ich kann den Namen nit
gut ausiprechen ich hab‘ nit Franaösiich gelernt
So 'ist es überall. Die Saarbrücker haben, „nit
Jenndee gesernt“ Und sie wollen es auch nicht lernen
Za, dirser Trotz greift hinüber tiefins Lothrin—
gißche Die letzte Straße auf deutscher Seile nach Lothringen
zu helßt Rathenauftraße. das erste Wirtshaus auf lothringischer
also französischer Seite ist noch ebenso deutsch wie früher; man
lächelt wenn man liest. wie da Elsässer. Kothringer und franzö⸗
—5 — Wein empfohlen wird — die Assimilierung von Elsaß—
oihringen scheint also noch nicht ganz „perfekt“ zu sein. Wohl
kündet ein neuer Grenzstein an, daß das aute. alte Großblittexs—
borf fich umgewandelt habe in ein Gros-Blieterstroff““ — aber
kommt man in die Kirche. so predigt der Pfarrer deutsch, und die
Leute sagen: Das ist doch idsteean dtich Wir
haben doch nit Französisch gelerntl“. . . Und man
hört, wie gedrüct die Slimmung in Lothringen sei, hauptsächlich
wegen der starken Steuerbelastung, und wie gereizt die Bevölke—
rung gegen ihre Retter“ die Franzosen; man seibitterent—
täu sihi. Eine siebzigjöhrige Frau aus Saarburg in Lothringen
—X——
lLothringischen Soldaten nach Marokkoschickten,
und fügte hinzu: „Da könne se Lüs fange!“ (Da können sie
Läuse fangen!)
Und die vielen leerstehenden Kasernen in Saarbrücken!
„Warum sind sie nicht zu Wohnungen hergexichtet?“ frage ich.
Habt ibt im ae equeten Saarland denn keine Wohnungsnoi?“ —
h ja“. in es da, viel Wehnungsnot gibt es auch hier, aber
die sfasernen müssen erst mal gründlich aus—
gewanzt werden.“ Und es fällt ein liebliches, echt boden⸗
sandiges Schimpfwort auf die Vertreter der rande votion“.
Rleine Tageschronik.
Saarbrugen. Der evangelische Kir hengesangvere
Ur das Rheinland hielt in Saarbrücken in Verbindung mit d
Mjährigen eg, des evangelischen Kirchenchors der G
meinde Alt⸗Saarbrücken seine 36. Tagung ab. Die Tagun
pielte sich pornehmlich im Rahmen kirchen musibalischer Veran
taltungen ab. Eine ohe geistliche Musikaufführung in de
Ludwirkskirche bildete den Hoͤhepunkt der Tagung mit einer
Programm, das fast ausschlicßlich J. S. Bachs Schöpfungen g⸗
widmet war. In dem ebenfalls in der Ludwigskirche abgehaltene
Festgottesdienst hielt Superintendent Kungemann (Kodlenz) d
Predigt. Ein Festabend im Städtischen Saalbau vereinigie d
auswärtigen Teilnehmer und die Mitglieder der hiesigen evange
lischen Gemeinde zu geselligen Stunden. Hier rühmte Superinie
dent Klingemann den sympathischen herzlichen Empfang, den
wieder im Saargebiet die treue Pflege de
sßeimatgedankens, der man hier so sichtlich begegnen
treuer deutscher und evangelischer Gefinnung, die den Tag de
Wiedervereinigungemit dem Vaterlaud uünd de
wiedererstandenen Jiiet begrüßen werde. JIn
Namen der Stadt entbot Beigeordneter Dr. Werle den Gäste
aus dem Rheinlond einen herzlichen Willkommgruß. Ihre
würdigen Abschluß fand die Tagung in einer eindrucksvole
vaterländischen Kundgebung die in unserm Chrentat. der
Kriegerfriedbof von 1871 abgehalten wurde.
Das 75jährige Gründungsjubiläum konntent
diesen Wochen das Versorgungshaus Saarbrüsce
begehen. Das Haus wurde im Jahre 1850 von dem Ehepaa
Heorg Philipp Korn dem damals gegründeten Vorftand ein«
Versorgungshauses geschenkt und im darauffolgenden Jahr ein
Jeweiht. Da das alle Haus im Laufe der Jahre zu klein wurde
mußzte 1905 zu einem Reubau geschritten werden, der am 4 Jul
1906 seiner Bestimmung übergeben wurde. Zurzeit befinden sie
45 Pfleglinge, zwei Schwestern der Diakonissenanstalt Kaiser⸗
werth und vier Dienstpersonen im Versorgungshaus. Die rei
epangelische Anstalt steht allen Armen, alten Leulen ohne Unie—
ichied der Konfession und des Geschlechis offen.
Ueber die Errichtung eines Denkmals für die in
Weltkriege ne Kanieraden des Infanterie⸗Regiment
Nr. 70 soll eine Zusammenkunft aller ehemgligen er aus Trie
und Umgebung Beschluß fassen, die demüchst in Triet stattfinde,
wird. In der Nacht vom 24. auf 25. Okiober wurde das Soa
gebiet von einem schweren Unwettet heimgesucht. Ei
dichter Hagelschauer begleitet von einem sehr starken Ge
witter mit orkanartigem Sturm und Schneegestöber richtet
auf den Fluren und in den Waldungen beträchtlichen Schaden ar
Auch umfangreicher Fümenschaden ist zu venRne,
Völklingen. Unsere Gemeinde zählte Ende September ins
Jesamt 34 964 Einwohner, was gegenüber dem Vormonat ein
Zunahme um 60 Köpfe bedeutel. VNuf dem hlefigen Hüttenwer
geriet das elektrische Magazin, in dem reichliche werivolle Vor
täte lagern. in Brand. Der Feuerwehr getang es. das Feue
auf den Dachstußl zu beschränken.
Fischbach. Für die hziesige evangelische Kirche wurde an
24. Oktober in e Welse der Grundstein gelegt. Nad
Verlesung der Urkunde, die späteren Salecuer gaei übe
die gegenwärtigen Verhältnisse geben soll, wurde diese in der
Frundstein neben Gelsdmünzen. Briefmarken, einer Zeitung—
nummer der „Saarbrücker Zeitung“ vom betreffenden Tage un'
einer Sondernummer von der Rheinischen Jahrtausendfeier. ein
zemauert. Kernige Worte und fromme Wünsche, dem Gedehe
des begonnenen Werkes gewidmet. begleiteten die übliche
Hammerschläge.
JIllingen. Die Einwohnerzahl unseres Ortes ist von 189
azu Anfang auf 18326 zu Ende des Monats September gestiege
Neunkirchen. Für den Bau der Straßenbahn Neunkirchen-
Elversberg Spiesen ist von Elversberg her mit der Gleisverle
qung begonnen worden. In der Saabrücker Straße mußte an de
hochsfen des Eifenwerkes eine Verbreiterung des Siraßenprofil
borgenommen werden Auch am sogenannten Stummsche!
Herrenhaus ist eine Straßenerweiterung erforderlich. — Der
die Stelle des in den Ruhestand getretenen Pfarrer Riehn
wächlte Pfarrer Bick wurde am 24. Oklober in sein neues Ap
eingeführt. Hierbei hielt Pfarrer Graf von Lüttichau die *
formationspredigt, während Superintendent Immig aus Sul
bach die Einführung vornahm — Nach einer, Mitteilung de
Saur⸗ und Blies⸗Zeitung soll der Hammergraben verschwinde
und einer neuen großzügigen Geschäflstrahe Platz machen. Ar
geblich soll zu diesem Zweck demnächst zwischen der Stadt, un
dem Eisenwerk ein Geländeaustausch siattfinden, der geeigne
wäre, das Stadtbild grundlegend zu veründern. Der Hammet
graben und der angrenzende Weg durch die Allee, beides Eigen
bum des Neukirchener Eijenwerks, ollen degen dos Dreie