— 232 —
Und eins ist noch festzuhalten: das Saargebiet hat
keinerlei Grund, nachdem es von Frankreich so
gut wie als Währungsausland behandelt wird,
etwander französischen Regierung zuliebeMaß—⸗
nahmengegen sdie Flucht aus dem Franken zu er—⸗
greifen. “Wir können eigentlich nicht annehmen, daß sich die
Regierungskommission dieses ganzen Zusammenhangs richtig be—
wußt ist, denn sonst hätte sie unseres Erachtens unterlassen, eine
derartige Maßnahme, wie die Einführung des Devisenumsatß—
stempels ins Äuge zu fassen. Ein besanderes Wort ist noch zu
sagen über die Besteuerung des Geldwechsels.
ELL
Eine Belastung und Belästigung des Publilums und der be—
rufsenen Geldwechselstellen, nämlich der Banken, eine Erschwe⸗
rüung des Reiseverkehtrs mit dem übrigen
Deutschland, eine Erschwerung insbesondere auch des ge⸗
samten Grenzverkehrs, eine untragbare Belästigung
für die Tausenden von Arbeitern, die außer—
halb des Saargebietes wohnen und im Saarge⸗—
biet ihrer Arbeit nachgehen, kurz ein völlig un⸗—
möglicher Zustand.
Abschließend faßt der Verfasser des Artikels in der „Saar⸗
brücker Zeitung“ seine Ansicht über die neuen Steuergesetz-
entwürfe der Saarregierung dahtn zusammen, daß in erster Linie
die Frage des Finanzbedarfs geprüft werden muß, ehe überhaupf
über die Zulassung neuer Steuern geredet werden kann. Hin—
sichtlich der Umsatzstener muß daran festgehalten werden, daß nur
im alleräußersten Notfalle, d. h. wenn alle andern Be—
helfe erschöpft sind, von diesem Aushilfsmittel für eine zeitlich
vbegrenzte Uebergangszeit Gebrauch gemacht werden darf. Ueber
die Frage der Benzin⸗ und Benzolsteuer könnte bei unabweis—
barem Finanzbedarf gesprochen werden. Dasselbe gilt hinsichtlich
einer in Gold festzulegenden Fixierung der Feststempel, aber auch
der Wertgrenzen und ferner hinsichtlich einer Angleichung des
Landesstempelsteuergesetzes an das preußische Stempelsteuergesetz.
Ganz abzulehnen ist die Devisenumsatzsteuer und die Erhöhung
der Habenzinssteuer. Endlich ist Bedingung für die Erschließung
der genannten Quellen. daß nun endlich auch das ge⸗
jamte Steuerwesen des Saargebietes eine Re—
bisionerfährt, und daß die Umstellung auf Wert—
bdeständigkeit sofort in Angriffgenommen wird,
damit rechtzeitig die Erhebung der Steuern auf der Wertbestän⸗
digkeit erfolgen kann. Man unterlasse das Herumdoktern mit
kleinen und kleinsten Steuerchen, deren Erhebungskosten auch
regelmäßig viel zu hoch sind; man entschließe sich, dem Gebot der
Stunde folgend, zu durchgreifenden Maßnahmen.
Wie wiederholt betont, hat die Regierungskom—
misjfion auch den bisherigen Haushaltsplan des Saargebietes
ohne vorheriges Befragen und Mitwirkung des
Landesratis zum Beschluß erhoben. Erst zwei Monate
später wurde der Landesrat von dem neuen Etat in Kenntnis ge—
setzt, so daß also der unwürdige Zustand fortbesteht, daß im Völ—
kerbundsgebiet das Volk von der Mitbestimmung seiner Steuer—
lasten ausgeschlossen bleibt, wie es sonst nur in Kolonien noch der
Fall ist. Der alten Forderung nach Vorlegung des
Ist-Haushalts, der über die taksächlichen Einnahmen und
Ausgaben unterrichtet, ist die Regierungskommission auch noch
nicht nachgekommen. Die außerordentliche Bedeutung einer Kon—
trolle dieses Ist-Haushalts erhellt aus der soeben bekannt wer—
denden Tatsache, daß trotz der infolge der Franken—
inflation ungewöhnlichen Steigerung der Aus—
gaben die Regierungskommission im vergan—
genen Etatsjahr einen Einnahmeüberschuß von
41 Millionen Franken erzie! Ehat. Dieser über 2Mpro—
zentige Einnahmeüberschuß stellt bei der Geldknappheit im Saar⸗
gebiet eine sinnlose Belastung der Steuerzahler dar, die um so
schärfere Kritik veranlaßt, als die Regierungskommission bei ihrer
Vorliebe für Frankreich diese Gelder nicht wertbeständig angelegt
hat. So verschleudert die „Treuhandregierung“ planlos die
Steuergroschen ihrer „Untertanen.“
Während in dem bisherigen Haushaltsplan für alle Spezial—
etats die Bruttozahlen angegeben sind, figuriert der HaAushalt
der Zölle bezeichnenderweise nur in Netto. Die Einnahmen
werden mit 49.22 Mill. Franken angegeben, obwohl sie mindestens
25 Mill. Franken höher sind. Dieser Mehrbetrag, der 35 Prozent
der gesamten Zolleinnahmen ausmacht, wird unter stillschwei—
gender Duldung der Regierungskommission von der fran—
zäösischen Zollbehörde für Erhebungskosten zu—⸗
rückbehalten, obwohl diese Kosten dreimal () so hoch als
in Deutschland sind.
Der Etat sieht eine Gesamtbelastung des Saar—⸗
gebietes mit Steuern und Zöllen von 331336 Mill.
Franken vor, von denen die Regierungskom—
mission auf die Grubenverwaltung nur 28 Mill
Franken, also rund 7.,Prozent umlegt, obwohl der
Anteil der Grubenverwaltung an dem Haushalt des Saargebiets
nach dem Versailler Vertrag mindestens das Vierfache
(1) betragen müßte. Die von der Regierungskommission
eit Jahren betriebene vertragswidrige Begünstigung des fran—
zösischen Fiskus hat naturgemäß zu einer ungeheuerlichen steuer—
lichen Belastung der Bevölkerung geführt. Die steuerfreie Grenze
ür Lohnsteuerpflichtige beträgt beispielsweise im Saargebiet nur
110 Franken, d. h. 19 Mark, in Deutschland aber 100 Mark. Die
Anpassung des Steuersystems an dasjenige Frankreichs zeigt sich
darin, daß auf die direkten Steuern im Saargebiet 22 Prozent
auf indirekte Steuern 78 Prozent des Steueraufkommens ent—
fallen, während in Deutschland die entsprechenden Zahlen 5807
bzw. 49.33 Prozent lauten.
der Landesrat
fordert Einschreiten des Vvolkerbundes.
Der Landesrat hat in seiner Sitzung vom 26. Juli mit erfreu⸗
licher Einmütigkeit gegen die neuen Steuerprojekte der
Regierungskommission Stellung genommen. Er lehnte es über—⸗
haupt ab, in eine Einzelberatung der Vorlagen der Regierungs⸗
kommission einzutreten. Wie von dem Sprecher der Zentrums—
fraktion, Abg. Richard Becker, nochmals festgestellt wurde, be⸗
zahlt die Saarbevölkerung im Verhältnis zu ihrem Einkommen
die höchsten Steuern der Welt, obwohl das Saargebiet keine
Ztaatsschulden habe, keine Kriege führe, keine Rüstungen betreibe
uind vor allem auch keine Daweslasten zu tragen habe. Verant⸗
vortlich macht man für diese Zustände, die den sogenannten
‚Aktivposten des Völkerbundes“ — wie der englische Völkerbunds⸗
delegierte das Saargebiet einmal nannte — in einem derartigen
Lichte erscheinen lassen, die kostspielige, viel zu groß
aufgezogene Saarverwaltung, die sortgesetzte ver⸗
tragswidrige Begünstigung der französischen
Saargruben bei ihren Steuerzahlungen, die mangel⸗
hafte Verwaltung der Vermögenswerte des
Saargebiets und schließlich die verhängnisvolle
Inflation des gegen das Votumdes Landesrats
eingeführtenfranzösischen Franken. Hinzu kommt,
daß die Regierungskommission ungeachtet ihrer im Saarstatuf
indentig festgelegten Verpflichtung dem Landesrat den tathäch—
lichen Haushalt (Isthaushalt) des Gebiets trotz wiederholter Auf—
orderung nicht vorgelegt, so daß jede Kontrolle über die Berech—
tigung und Notwendigkeit, — die vom Landesrat einstimmig ver⸗
neint wird, — der neuen Steuerlalten fehlt.
In welchem Geist die Regierungskommission bei dem Mange
jeder wirksamen Kontrolle durch die Vevölkerung mit ihren Aus—
gaben verfährt, dafür ist das heute von dem sozialdemokratischen
Abgeordneten Hoffmann angeführte Beispiel typisch, demzufolge
die Regierungskommission trotz erheblichen
Defizits der Saarbahnen selbst französischer
Offizieren der Rheinarmee Freifahrtschein«
auf dem Saarnetz gewährt. Um das Saargebiet an—
gesichts der Frankenkatastrophe aus seiner mißlichen Lage zu
reilen, wurde vom Landesrat unverzügliches Ein—
schreiten des Völkerbundes gefordert, wobei auf 8 18
des Völkerbundsstatuts verwiesen wurde, der bestimmt, daß un—
haltbare Zustände vor den Völkerbund gebracht und deren Abhilfe
ron ihm beschlossen werden kann. Die Sorge der Regierungs—
kommission für eine stabile Währung und die möglichst baldige
Rückkehr des Saargebiets zur deutschen Reichswährung und zum
deutschen Zollgebiet bildeten die dringendsten Forderungen des
Landesrats. Der sozialdemokratische Sprecher erklärte, entweder
solle man die unerträgliche Belastung der Bevölkerung mi