Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

vorbexeitelen Jahresversammlung vornimmt, zumal nichh, wenn 
diese Veranstalkungen mit großen Masseunkundgehungen verdunden 
ind, wie dies bei den Jahrestagungen des Vundes der Suar— 
— 
werden; denn jeder, der bei den Vorbereitungsärbeiten größerer 
Kundgebungen schon einmal mitgewirkt hal, weiß, wie unendlich 
piel Arbeit und Mühe vergeblich gewesen sind — ganz abgesehen 
hon den erhöhten Kosten —, wenn eine Verlegung des Veranstal— 
ungstages notwendig wird. 
Besonders unangenehm empfindet man es in solchen Fällen, 
wenn der Grund für die Verlegung mit der Sache selber eigentlich 
nichts zu tun hat, vielleicht auf Ursachen zurückzufichren ist, die für 
den einen oder anderen unter Umständen nicht dringlech oder be— 
deutsain genug erscheinen, um die Verschiebung einer lang- und 
sorgfältig vorbereiteten Veranstaltung zu rechtfertigen. Auch für 
den vorliegenden Fall kann ich mir z. B. sehr wohl denken, daß 
Mitglieder des Bundes der Saarvereine, die grundsötlich einen 
anderen Standpunkt in der Frage der Fürstenabfindung einneh— 
men, als die Veranlasser der Abstimmung und ihr nahetehenden 
Kreise, dann, weun sie zu der Angelegenheit rein parteimäßig 
Stellung denen zu der Ansicht kommen können, daß eine Ver— 
legung des Termines der Saartagung der Volksabstimmung un— 
nötig sei, weil ein großer Teil, vielleicht sogar der größte Teil der 
ptimmungsbenentigten— grundsätzlich nicht an dieser Abstimmung 
teilnehmen würden und für die, die abstimmen wollen, auch die 
Möglichkeit hierzu selbst dann gegeben wäre, wenn sie sich an der 
Saarveranstaltung beteiligten, da das Abstimmen für die in Köln 
wohnenden Kundgebungsteilnehmer gar keine Schwierigkeit mache 
Auswärtige sich Wahlscheine besorgen und in Köln abstimmen 
onnten. 
Man mag zu solchen Erwägungen stehen wie man will, zu— 
geben wird man müssen, daß sie angestellt werden können, ohne 
daß an sich darin irgend ein Verstoß gegen die Ueberparteilichkeit 
des Bundes zu liegen braucht. Allerdings können solche Erwägun— 
gen nur theoretischer Art sein. Praktisch liegen die Dinge so, daß 
überparteiliche Organijationen bei uns in Deutschland mehr als 
alle anderen auf die große Empfindlichkeit ihrer Mitglieder und 
der für sie in Betracht kommenden Kreise des politischen, kultu— 
tellen und berufsständischen Lebens in allen Angelegenheiten, die 
unmittelbat oder auch nur mittelbar mit solchen Fragen in Ver— 
bindung stehen. Rücksicht nehmen müssen. 
Wer in einer überparteilichen Vereinigung nicht gewillt oder 
in der Lage ist, diese, wenn auch oft unwögbaren Strömungen zu 
beachtenn, wird sich nicht zur Führung eignen; denn es wird ihim 
nicht nur nicht gelingen das Vertrauen derer zu gewinnen, die an 
und für sich guien Willens sind und gerne mitärbeiten möchten, 
ondern er wird einen Teil der mehr parteimäßig eingestellten 
Kreise geradezu vor den Kopf stoßen, und selbst bei den mehr über⸗ 
Rꝛ eingestellten Freunden meistens Mißtrauen hervor⸗ 
ufen. 
Auch der Bund der Saarvereine, insbesondere seine Leitung, 
hat, was gar nicht weite verwunderlich ist, gegen solches Miß— 
ltauen kämpfen müssen — und muß dies bis auf den heutigen 
Tag — obschon fich die führenden Personen — das weiß ich auf 
ßrund meiner langen Mitarbeit — von Anfong an darüber klar 
varen, daß in den Saarvereinen völlige Ueberparteilichteit herr⸗ 
chen miisse und sie sich auch dementsprechend verhalten haben. Be— 
oußt ist sicherlich von den leitenden Personen die politische oder 
onfessionelle Reutralität niemals, weder in Worlt noch in der 
Schrift verletzt worden. Nie ist der Bund der Saarvereine. oder 
eine Zeitschrift „Der Saarfreund“, im Geiste einzelner Parteien 
oder Richtungen geleitel worden, sondern die geleifiee Arbeil be— 
wegte sich stets in Rahmen der UÜeberparteilichkeit und war immer 
darauf gerichtet, unseren Vollsgenossen an der Saar in ihrem 
ichweren Kampfe gegen die mit allen Mitteln belriebene Ver— 
velschungspolitik zu helsen Dabei waren Vundesfeitung, Ge— 
häftsstelle und Schriftleitung dauernd bemüht, möglichst jeden 
deutschen, ganz gleich welcher politischen Partei er angehörte, für 
die Saarftage zu interessieren Uund womöglich als Mitglied zu ge— 
pinnen, immer in der klaren Erkenntnis, daßz der Kampisum die 
Deutscherhaltung und baldige Befreiung unseres deutschen Saca— 
gebietes nicht Sache einzelner Parteien oder Stände ist, sondern 
eine Angelegenheit des ganzen deutschen Volkes. Die Führung des 
Abwehr- und Befreiungskampfes hat der Bund dabei bewußt 
den deutschen Parteien im Saargebiet und den zuständigen 
Reichs- und Landesstellen überlassen. Eine selbständige Politik 
hat der Bund nie treiben wollen und nie getrieben Das schließt 
jedoch nicht aus, daß er Anregungen gibt, auf Mißstünde hinweist 
und mit allem Nachdruck deren Beseitigung verlangt, an das Ge— 
wissen der Weltmächte appelliert uswp. Ja, längere Zeit, als det 
ranzösische Militarismus und Chauvinismus ini Saargehbiet jede 
deutsche Regung gewaltsam unterdrückte, wat der Saar— 
verein fast gusschließlich das Sprachrohr un-— 
serer bedrückten und geknechteten Landsleute 
an der Saar ohne Ruͤcksicht auf ihre partei— 
politische oder weltanschaäuliche Einstellung. 
Gekämpft hat der Bünd auch gegen Verschwommenheit bei 
der Behandlung von Saarfragen und besonders geegn alle sepa— 
ratistischen oder gar frankophilen Bestrebungen im Saargebiet, 
ganz gleich in welchem Lager sich solche zeiglken. In dieser Hin— 
icht gibt es bei ihm keinerlei Rücksichtnahme. Der Bund der 
Saarvereine kann und wird z. B. nicht stillschweigend zusehen, 
wenn neuerdings an der Saar Propaganda für einen autonomen 
Staat gemacht wird, sondern wird gemeinsam mit den deuischen 
Parteien des Saargebiets daraufhin arbeiten, daß auch diese Be— 
mühungen ebensowenig Erfolg haben werden, wie es die anderen 
bon Frankreich offen oder geheim angeregten und betriebenen 
Abtrennungsbestrebungen gehabt haben. Hier hat die Ueber— 
parteilichkest des Bundes eine Grenze, die unverrückbar fesi— 
teht. Seine Grundlage ist die nationale und wird es 
bleiben. Die Leitung des Bundes ist sich durchaus bewußt, daß 
von der Einheit des Reiches und der inneren Geschlossenheit des 
guanzen deutschen Volfes die Zukunft unseres Vaterlandes — ein—⸗ 
schließlich des Saaargebietes — abhängt. So entlschieden sie jede 
nationale Ueberspannung oder Ueberheblichkeit ablehnt, muh 
und wird sie daher in ihrem gemeinsam mit der Bevölkerung des 
Zaargebietes füt die Erhaltung des Deutschtums geführten 
Kampfe darauf bedacht sein, die nationalen Werke möglichst 
stark zu betoönen und herauszustellen. 
Die Erregung in der saarländischen Beamtenschast. 
Die Veamtenschaft des Saargebiets hatte angesichts ihrer 
X durch die Arbeitsgemeinschaft der Beamtenverbände 
eine Versammlung nach Saarbrücken einberufen, um die Besol⸗ 
dungsfrage auf Grund der bestehenden Bestimmungen bzw. der 
den Beamten gemachten Zusscherungen u behandeln. Das 
hauptreferat hiell Landgerichtsdireltor Prüfner. Et wies 
auf die Kabinetisordet hin. die den Saarbeamten einen gesetz⸗ 
lichen Anspruch auf Gleichstellung mit den Reichs und Stagts— 
beamten auf Einstellung, Beförderung und Zahlung garantiert 
Erst als auch die Regierungskommissson im Jahre 1920 die Zu— 
sherung gab, die in hren Dienst übe rnom menen Beamten, nicht 
chlechter du stellen als ihre Kollegen im Reich, hätten diese fich 
damals zum Uebertritt in den Dienst der Saarregierung bereit 
klärt. Der Reichsregierung wurde von dem Vorlragenden der 
Vorwurf gemacht, daß man zunächst den Saarbeamten erklärt 
habe, die Gelder zum Ausgleich der Gehälter mit den Reichs— 
beamten stuͤnden bereit. Später habe man aber nur noch von 
tinem Reallohn gesprochen, der die Lebensunkerhaltskosten 
wischen Reich und Saaorgebiet in Rücksicht zu ziehen habe. Nach 
eutschem Recht gaäbe es für Beamnte aberkehne Inber methode. 
Wenn die Sagarlander auf kurze Zeit sich vorübergehend mit den 
Jrankengehaͤltern die sie gar nicht gefordert hatten. besser ge— 
tanden hat ten so sel das ndch kein Gennde dafur, sie gun auf 
Jahre schlechter sellen zu wollen. Heute lägen die Dinge so, 
deß niemand im Saurgebüet seine Kinder, auf 
höheren, Schulenenach Deutschland schüden 
adn e, daßz er sich in Deutschland erhole usn. Bei den Baden⸗ 
adener Verhandlüngen zwischen Saartegietung und Verkretern 
der Reichsregierung habe man sich zwar die Hände gedrückt, dabei 
aber die Rechte der Saarbeamten zerdrückt. Die 
Rechtsgültigkeit der Kabinettsbeschlüsse sei seinerzeit von dem 
Ministerpräsidenten Braun ausdrücklich anerkannt worden. 
Jetzt hätten sich drei höhere Saarbeamte entschlossen, den Heimat⸗ 
staat Preußen auf Erfüllung des en Anspruchs nach 
gleichen Gehältern zu verklagen. Der erste Verhandlungstermin 
sttehe auf den 21. Juni an. 
Das zweite Referat über die Rotlage in den unteren 
Besoldungsgruppen hielt Verbandsgeschäftsführer J. P. 
Sschmitt. Auch er volemisierte gegen das Baden-Badener Ab— 
onmimen, da es darauf hinausgehe, das früher den Beanten ge⸗ 
zebene Versprechen rechtsunwirksam zu machen. Als Grund⸗ 
übel der ietzigen ungünstigen Gehaltsverhältnisse für die 
Saarbeamten erblickt er die Abtrennung des Sagr— 
zebiets vom Reiche. Das Saargebiet sei jetzt ein Aus⸗ 
deutungsgebiet, aus welchem Reparationen herausgepreßt 
wvürden. Die Bevölkerung dieses Gebietes werde dabei immer 
ärmer. Die jetzigen Bezüge der Unterbeamten und — 8— 
reichen nicht mehr aus, das nackte Leben zu erhalten. Irgend⸗ 
welche unvorhergesehene Unglücksfälle brächten den vollständigen 
Ruin der, betreffenden Familien Damit, wochse die Ver⸗ 
bitterung immer mehr. Die Schuld dafür könne niemand 
anders als der Regierungskommisfion zugeschrieben 
werden, die alle Eingaäben und alle Hinweise auf die steigende 
Rot bei den Unterbeamten und Angestellten unbeantwortet und 
unberüchichtigt gelassen habe. Nachdem alle Versuche, der Be—⸗ 
dinenschäft ein drträgliches Einkommen zu sichern, fehlgeschlagen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.