Full text: Der Saar-Freund (7.1926)

— daß kein Stückchen te Land Kauf—⸗ 
preis für eine kürzere Besetzung sein kann. 
Stresemann sprach ferner von der Vergangenheit des 
Saargebiets und von der Idee der Volksgemeinschaft, die er 
laum anderwärts so durchgeführt gefunden habe wie an 
der Saar in einem einmütigen VBekenntnis zum Deutschtum 
des Einzelnen. 
Wir sind überzeugt, daß die Worte Strescmanns, die 
einen so stürmischen Widerhall bei den Saarsängern ge— 
junden haben, auch im Saargebiet gehört und verstönden 
werden. Wenn trotzdem an den Ausführungen Stresemanns 
in einem Teil der Saarpresse Kritik geübt worden ist, so 
erklärt sich das aus mißverständlichen Aujfassungen. Ein 
Gerücht muß deshalb nicht eine tatsächliche Grundlage haben, 
weil es trotß Richtigstellung wiederholt wird, und weil man 
zuf Grund von Bestrebungen auf sranzösischer Seite Anlaß 
hat, anzunehmen, daß solche Bestrebungen trotz Zurück 
weisung auf deutscher Seite noch nicht aufgesteckt ind. Wir 
wissen sehr wohl, daß im französischen Auswärtigen Amt 
unter Poincarés Zeiten und selbst während Herriots Regie⸗ 
rung Pläne theoretischer Betrachtung unterlagen, die die 
Abtretung des Gebietes, das links der Saar an Lothringen 
grenzt, zum Ziele hatten. Es sind das jene Bestrebungen, 
die Weihnachten 1924 zu der bekannten Erklärung der Saar— 
louiser Stadtverordneten führten, die von Herriot berichtigt 
wurde und von dem damaligen Reichskanzler Marrx in einem 
Telegramm an die Saarlouiser eine Gegenerklärung aus— 
löste Tatsache ist aber, daß diese französischen Be— 
sttrebungen zu keiner Zeitirgendeinedipho— 
matische Behandlung zwischen Paris und 
Berlin erfahren haben. Nach der Erklärung des 
Reichsaußenministers Dr. Stresemann am 26. Mai dürfte 
man französischerfeits auch kaum noch den Mut aufbringen, 
die Möglichkeit einer Abtretung von deutschem Saargebiets— 
boden an Frankreich in den Kreis diplomatischer Erörte⸗ 
rungen zu ziehen. 
Eigentlich ist es das erste Mal, daß ein deutscher Reichs— 
minister in so bestimmter Form von deren gen Verbun— 
denheit des Saargebiets mit dem übrigen 
Deutschen Reiche gesprochen hat. Die außenpoli— 
tische Lage ließ es die Reichsregierung angebracht erscheinen, 
in der Saarfrage Zurückhaltung zu beobachten. Nach der bis— 
herigen Einstellung der Völkerbunds- und alliierten Mächte 
wurde von diesen jede amtliche deutsche Erklärung über das 
Saargebiet als eine Einmischung in die Völkerbundsverwal⸗ 
tung an der Saar ausgelegt, ungeachtet der Tatsache, dah 
französischerseits eine solche Einmischung tatsächlich währen 
der ganzen bjährigen Verwaltungsarbeit im Saargebiet 
offen betrieben wurde. Wenn jetzt der Reichsaußenminister 
aus dieser Zurückhaltung herausgetreten ist, so kann man 
wohl auch daraus die Renderung der außenpoli— 
tischen Lage erkennen, wie sie sich durch Locarno ergeben 
hat. Trotzdem kann sich selbstverständlich weder die Reichs⸗ 
regierung noch das Saargebiet mit dem augenblicklichen 
Schwebezustand zufrieden geben. Locarno erfordert 
eine Aenderung der Methoden, wie sie bis— 
her von den Allitierten zur Schädigung der 
deutschen Interessenzur An e runganen— 
verlangteine Politit, die dem Grundgedan— 
kender Völkerbundsidee entspricht, nämlich 
das Selbstbestimmungsrecht überhaupt in 
den Vordergrund aller politischen Erwä— 
gungen und Maßnahmenzustellen. Wenn daher 
1638 — 
der Reichsaußenminister erklärte, daß die ganze Politik der 
Reichsregierung darauf eingestellt sei, nicht nur für das 
Saargebset, sondern für das ganze besetzte Gebiet die Zeit, 
in der es uoch fremde Besatzung zu ertragen hat, auf das 
Mindestmaß herabzusetzen, so liegt darin schon die Erklärung, 
daß in dieser Richtung Verhandlungen zwischen Deutschland 
und den Vertragsmächten schweben. Wenn er in diesem Zu— 
sammenhang ertlärte, daß kein Stückchen deutsches Land 
Kaufpreis für eine kürzere Besetzung sein könne, so hat er 
damit nicht nur für sich, sondern auch für die Reichs— 
regierung die bindende Ertlärung abgegeben, daß Grenz— 
berichtigungen, wie sie verschiedene Gerüchte auch nn Saar— 
gebiet betonten, unter keinen Umständen im Rabmen dieser 
Verhandlungen liegen können. 
Die Ausführugen Stresemanns vor den Saarbrücken 
Sängern gewinnen noch dadurch eine besondere Bedeutung 
weil die Frage des deutschen Völkerbundseintritts im Herbs 
aktuell wesden dürfte. Die Beratungen der Studien— 
kommission des Völkerbundes und vor allem die dabei statt— 
gefundene Fühlungnahme zwischen dem deutschen und 
brasilianischen Delegierten lassen es als ziemlich sicher er⸗ 
cheinen, daß Deutschland vom Herbst ab Mitglied de— 
Völkerbundes sein wird. Daß die Mitgliedschaft Deutsch— 
lands im Völkerbund und im Völkerbundsrat auch einen 
deutschen Einfluß auf die Gestaltung der Völkerbundsverwal⸗ 
tung an der Saar bringen wird, darf um so mehr ange—⸗ 
nommen werden, als dort tatsächlich noch manche Dinge zu 
bereinigen sind, die sich während der Raultschen Regierungs⸗ 
zeit im Sinne französischer Annexionsbestrebungen heraus— 
gebildet haben. Auch hierfür geben die Ausführungen 
Stresemanns einen gewissen Anhalt, wenn er hervorhob, 
„daß sich an dem einheitlich deutschen Empfinden diejenigen 
die Zähne ausgebissen hätten, die geglaubt haben, den Sinn 
des Saarlandes irgendwie nach einer anderen Front wen— 
den zu können.“ 
Für das Saargebiet bedeutet die Erklärung Stresemanns 
eine Stärkung ihres Mutes, eine rückhaltlose Anerkennung 
ihrer treudeutschen Haltung. Die Worte Pfarrer Reichards, 
daß der Kampf bereits gewonnen sei, daß das Saargebie! 
innerlich frei ist und daß es jetzt nur noch darum gehen 
könne, auch die politische und wirtschaftliche Freiheit wieder— 
zuerlangen, zeichnen die Lage, knapp und wahr. Daß der 
Kampf um die Wiedererlangung der politischen und wirt—⸗ 
schaftlichen Freiheit ebenfalls fiegreich beendet wird, dafür 
lassen die Erklärungen Stresemanns einen guten Ausbli 
zu. Für das deutsche Saarvolk liegt eine desondere An— 
erkennung seiner Haltung darin, daß er sich in seiner Saar⸗ 
Erklärung auf das von den Saarsängern unter stürmischer 
Zegeisterung der Zuhörer vorgetragene Trutzlied bezog, das 
esagt: 
Und bricht die Welt in Scherben 
Uns follt ihr nit verderben, 
Uns nit ... 
Lug du nach Ost, 
Ich stan gen West, 
Die Tratsche vor, 
Den Flamberg fest, 
Nun kommt, 
Und schafft mir starken Mut, 
Wir stahen gut. 
Und bricht die Welt in Scherben 
Uns sollt ihr nit verderben. 
Uns nit. 
Einige Gedanken zur Verlegung der Kölner Bundestagung. 
Von Karl OllImert, Frankfurt a. M. 
Rachdem die erste Besjatzungszone endlich frei geworden war, 
beschloß die Leitung des Bundes der Saarvereine die diesjährige 
Bundestagung gemeinsam mit den dem Westausschuß ange— 
schlossenen Spitzenorganisationen (Reichsverband der Rheinländer, 
Landsmannschaften für die Pfalz und Eupen-Malmedy) am 19. und 
20. Juni in Köln am Rhein abzuhalten. Schon wäten die Vor— 
bereitungsarbeiten für die Tagung recht weit gediehen, als die 
Reichsregierung den 20. Juni als Äbstimmungstag für den Volks— 
entscheid über die Fsutenenurun festsetzte. Dies veranlaßte die 
Bundesleitung sofort zu einer Verlegung der Tagung. Nach Lage 
der örtlichen Verhältnisse mußte eine Verschiebung auf den 14 und 
16. August erfolgen. Die zeitliche Verichetung üt jedoch ziemlich 
nebenfächlich. Was ich hervorheben möchte. ist, daß die Bundes 
leitung sich VR einig in der Ansicht war, daß die Bundestagunt 
auf keĩnen Fall am Tage der Voiksabstimmung stattfinden dürfe 
schon deswegen nicht, weil die Abhaltung der Tagung am 20. Jun 
falsch ausgelegt werden könnte. Es bestand auch volle Einmütig 
keit darüber, daß der überparteiliche Charakter des Bundes dit 
Verlegung der geplanten Veranstaliung erfordere. Damit hat die 
Bundesleitung erneut bewiesen, daß sie es wirklich ernst meint mit 
der oft gegehenen Versicherung und statutarischen Bestimmung, da 
der Bund und die ihm angeschlossenen Orts⸗ und Landesgruppen 
parteipolitilch und religiös neutral sein sollen. Daß eine Organb 
fationsleituig nicht gern eine Verschlebung ihrer von langer Hand
	        
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