— daß kein Stückchen te Land Kauf—⸗
preis für eine kürzere Besetzung sein kann.
Stresemann sprach ferner von der Vergangenheit des
Saargebiets und von der Idee der Volksgemeinschaft, die er
laum anderwärts so durchgeführt gefunden habe wie an
der Saar in einem einmütigen VBekenntnis zum Deutschtum
des Einzelnen.
Wir sind überzeugt, daß die Worte Strescmanns, die
einen so stürmischen Widerhall bei den Saarsängern ge—
junden haben, auch im Saargebiet gehört und verstönden
werden. Wenn trotzdem an den Ausführungen Stresemanns
in einem Teil der Saarpresse Kritik geübt worden ist, so
erklärt sich das aus mißverständlichen Aujfassungen. Ein
Gerücht muß deshalb nicht eine tatsächliche Grundlage haben,
weil es trotß Richtigstellung wiederholt wird, und weil man
zuf Grund von Bestrebungen auf sranzösischer Seite Anlaß
hat, anzunehmen, daß solche Bestrebungen trotz Zurück
weisung auf deutscher Seite noch nicht aufgesteckt ind. Wir
wissen sehr wohl, daß im französischen Auswärtigen Amt
unter Poincarés Zeiten und selbst während Herriots Regie⸗
rung Pläne theoretischer Betrachtung unterlagen, die die
Abtretung des Gebietes, das links der Saar an Lothringen
grenzt, zum Ziele hatten. Es sind das jene Bestrebungen,
die Weihnachten 1924 zu der bekannten Erklärung der Saar—
louiser Stadtverordneten führten, die von Herriot berichtigt
wurde und von dem damaligen Reichskanzler Marrx in einem
Telegramm an die Saarlouiser eine Gegenerklärung aus—
löste Tatsache ist aber, daß diese französischen Be—
sttrebungen zu keiner Zeitirgendeinedipho—
matische Behandlung zwischen Paris und
Berlin erfahren haben. Nach der Erklärung des
Reichsaußenministers Dr. Stresemann am 26. Mai dürfte
man französischerfeits auch kaum noch den Mut aufbringen,
die Möglichkeit einer Abtretung von deutschem Saargebiets—
boden an Frankreich in den Kreis diplomatischer Erörte⸗
rungen zu ziehen.
Eigentlich ist es das erste Mal, daß ein deutscher Reichs—
minister in so bestimmter Form von deren gen Verbun—
denheit des Saargebiets mit dem übrigen
Deutschen Reiche gesprochen hat. Die außenpoli—
tische Lage ließ es die Reichsregierung angebracht erscheinen,
in der Saarfrage Zurückhaltung zu beobachten. Nach der bis—
herigen Einstellung der Völkerbunds- und alliierten Mächte
wurde von diesen jede amtliche deutsche Erklärung über das
Saargebiet als eine Einmischung in die Völkerbundsverwal⸗
tung an der Saar ausgelegt, ungeachtet der Tatsache, dah
französischerseits eine solche Einmischung tatsächlich währen
der ganzen bjährigen Verwaltungsarbeit im Saargebiet
offen betrieben wurde. Wenn jetzt der Reichsaußenminister
aus dieser Zurückhaltung herausgetreten ist, so kann man
wohl auch daraus die Renderung der außenpoli—
tischen Lage erkennen, wie sie sich durch Locarno ergeben
hat. Trotzdem kann sich selbstverständlich weder die Reichs⸗
regierung noch das Saargebiet mit dem augenblicklichen
Schwebezustand zufrieden geben. Locarno erfordert
eine Aenderung der Methoden, wie sie bis—
her von den Allitierten zur Schädigung der
deutschen Interessenzur An e runganen—
verlangteine Politit, die dem Grundgedan—
kender Völkerbundsidee entspricht, nämlich
das Selbstbestimmungsrecht überhaupt in
den Vordergrund aller politischen Erwä—
gungen und Maßnahmenzustellen. Wenn daher
1638 —
der Reichsaußenminister erklärte, daß die ganze Politik der
Reichsregierung darauf eingestellt sei, nicht nur für das
Saargebset, sondern für das ganze besetzte Gebiet die Zeit,
in der es uoch fremde Besatzung zu ertragen hat, auf das
Mindestmaß herabzusetzen, so liegt darin schon die Erklärung,
daß in dieser Richtung Verhandlungen zwischen Deutschland
und den Vertragsmächten schweben. Wenn er in diesem Zu—
sammenhang ertlärte, daß kein Stückchen deutsches Land
Kaufpreis für eine kürzere Besetzung sein könne, so hat er
damit nicht nur für sich, sondern auch für die Reichs—
regierung die bindende Ertlärung abgegeben, daß Grenz—
berichtigungen, wie sie verschiedene Gerüchte auch nn Saar—
gebiet betonten, unter keinen Umständen im Rabmen dieser
Verhandlungen liegen können.
Die Ausführugen Stresemanns vor den Saarbrücken
Sängern gewinnen noch dadurch eine besondere Bedeutung
weil die Frage des deutschen Völkerbundseintritts im Herbs
aktuell wesden dürfte. Die Beratungen der Studien—
kommission des Völkerbundes und vor allem die dabei statt—
gefundene Fühlungnahme zwischen dem deutschen und
brasilianischen Delegierten lassen es als ziemlich sicher er⸗
cheinen, daß Deutschland vom Herbst ab Mitglied de—
Völkerbundes sein wird. Daß die Mitgliedschaft Deutsch—
lands im Völkerbund und im Völkerbundsrat auch einen
deutschen Einfluß auf die Gestaltung der Völkerbundsverwal⸗
tung an der Saar bringen wird, darf um so mehr ange—⸗
nommen werden, als dort tatsächlich noch manche Dinge zu
bereinigen sind, die sich während der Raultschen Regierungs⸗
zeit im Sinne französischer Annexionsbestrebungen heraus—
gebildet haben. Auch hierfür geben die Ausführungen
Stresemanns einen gewissen Anhalt, wenn er hervorhob,
„daß sich an dem einheitlich deutschen Empfinden diejenigen
die Zähne ausgebissen hätten, die geglaubt haben, den Sinn
des Saarlandes irgendwie nach einer anderen Front wen—
den zu können.“
Für das Saargebiet bedeutet die Erklärung Stresemanns
eine Stärkung ihres Mutes, eine rückhaltlose Anerkennung
ihrer treudeutschen Haltung. Die Worte Pfarrer Reichards,
daß der Kampf bereits gewonnen sei, daß das Saargebie!
innerlich frei ist und daß es jetzt nur noch darum gehen
könne, auch die politische und wirtschaftliche Freiheit wieder—
zuerlangen, zeichnen die Lage, knapp und wahr. Daß der
Kampf um die Wiedererlangung der politischen und wirt—⸗
schaftlichen Freiheit ebenfalls fiegreich beendet wird, dafür
lassen die Erklärungen Stresemanns einen guten Ausbli
zu. Für das deutsche Saarvolk liegt eine desondere An—
erkennung seiner Haltung darin, daß er sich in seiner Saar⸗
Erklärung auf das von den Saarsängern unter stürmischer
Zegeisterung der Zuhörer vorgetragene Trutzlied bezog, das
esagt:
Und bricht die Welt in Scherben
Uns follt ihr nit verderben,
Uns nit ...
Lug du nach Ost,
Ich stan gen West,
Die Tratsche vor,
Den Flamberg fest,
Nun kommt,
Und schafft mir starken Mut,
Wir stahen gut.
Und bricht die Welt in Scherben
Uns sollt ihr nit verderben.
Uns nit.
Einige Gedanken zur Verlegung der Kölner Bundestagung.
Von Karl OllImert, Frankfurt a. M.
Rachdem die erste Besjatzungszone endlich frei geworden war,
beschloß die Leitung des Bundes der Saarvereine die diesjährige
Bundestagung gemeinsam mit den dem Westausschuß ange—
schlossenen Spitzenorganisationen (Reichsverband der Rheinländer,
Landsmannschaften für die Pfalz und Eupen-Malmedy) am 19. und
20. Juni in Köln am Rhein abzuhalten. Schon wäten die Vor—
bereitungsarbeiten für die Tagung recht weit gediehen, als die
Reichsregierung den 20. Juni als Äbstimmungstag für den Volks—
entscheid über die Fsutenenurun festsetzte. Dies veranlaßte die
Bundesleitung sofort zu einer Verlegung der Tagung. Nach Lage
der örtlichen Verhältnisse mußte eine Verschiebung auf den 14 und
16. August erfolgen. Die zeitliche Verichetung üt jedoch ziemlich
nebenfächlich. Was ich hervorheben möchte. ist, daß die Bundes
leitung sich VR einig in der Ansicht war, daß die Bundestagunt
auf keĩnen Fall am Tage der Voiksabstimmung stattfinden dürfe
schon deswegen nicht, weil die Abhaltung der Tagung am 20. Jun
falsch ausgelegt werden könnte. Es bestand auch volle Einmütig
keit darüber, daß der überparteiliche Charakter des Bundes dit
Verlegung der geplanten Veranstaliung erfordere. Damit hat die
Bundesleitung erneut bewiesen, daß sie es wirklich ernst meint mit
der oft gegehenen Versicherung und statutarischen Bestimmung, da
der Bund und die ihm angeschlossenen Orts⸗ und Landesgruppen
parteipolitilch und religiös neutral sein sollen. Daß eine Organb
fationsleituig nicht gern eine Verschlebung ihrer von langer Hand