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Dichter ging und ein Kommerzienrat
Im Bergeswalde einen Felsenpfad.
Ins Cal hinab in Regenbogenfarben
ergoß ein Sturzbach seine Wassergarben,
Und meilenweit im Kreise war ein Wogen
Don Tannenwipfeln, die die Winde bogen.
Mittsommerabendschein lag drüber her,
Und aufwärts stieg von Tannenduft ein Meer.
Der Dichter sprach:
„PVermag wohl Menschenmühen
„Das Berz zu heben wie das Bergeglühen?
Wo wird es sonst als zwischen Berg und Cal
Im Menschen still von seiner Arbeitsqual?
Schau hier in dieses Sturzbachs Pracht hinein
„Hier schaust du die Natur verklärt und rein!
Nur daß die Steine gelb von Farbe sind,
Darüber demantklar das Wasser rinnt.
Schüf' es sich nicht die häßlich gelbe Spur, —
Hier säng' ihr Hoheslied sich die Natur.“
Dder andre drauf:
„Das Gelb am grünen Mos
Birgt seltnes Glück vielleicht in seinem Schoß.
Wer weiß, obs nicht im Grund nur ruht versteckt
Und auf den Menschen wartet, der es weckt?
Fürwahr, mein Freund, wär diese Stätte mein,
Sie sollt' ein Beim für tausend Glücke sein!“
Ein Jahr verging. Ein andres rollte nach.
der Dichter sang sein Lied von Baum und Bach.
Ddoch der Kommerzienrat saß still zu Haus
Und zählte emsig seine Schätze aus.
dann ging er hin und kaufte sich die Halde,
den Sturzßach und das Flußtal tief im Walde
Und sandte Männer, welche Axte trugen
UInd jeden Baum im Talgrund niederschlugen,
Den Sturzbach fingen, daß das windzerwehte
Hewässer donnernd nun Turbinen drehte,
UInd aus der Wildnis an des Flusses Bette
für Menschenkinder schufen eine Stätte.
Zergleute sandt' er, welche Stollen trieben
And aus dem Felsengrund die Erze hieben,
Indes der Dampfzug auf des Tales Sohle
Don fern auf Schienen brachte schwarze Kohle,
Und Maurer, welche Arbeitshallen bauten,
Die hundertfenstrig auf die Berge schauten,
Und Hüttenleute, die nie müßig irrten,
Sis Essen rauchten, zahnige Räder schwirrten,
Jochöfen ihre flammenglutenroten
Srandsäulen durch die Sommernächte lohten,
Dampfhämmer schlugen bis zumHimmel droben
Hom Stahlblock tausend lichte Funken stoben,
Die Riemen sausten und die Walzen wallten,
Aus glühem Stahl das Nutzwerk zu gestalten,
Und Tausende von nimmer müden Händen
Sich regten, um ihr Tagwerk zu vollenden.
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Wie nun das Werk, von kluger Hand bestellt,
Bedieh, da wuchs bald eine zweite Welt.“
Im ganzen Bergwald wurde es lebendig
Und baute Menschenstätten tausendhändig.
And Dörfer stiegen auf aus roten Steinen,
)Jarin der Bergmann wohnte mit den Seinen,
der Büttenmann, der Former und der Schmied,
And der am Walzenwege pfiff sein Lied: —
Dder Grund, der einst nur Cannen trug und Mose.
Aer trug bald tausend frohe Menschenlose.
fern scheuchte Menschenarbeit alle Not:
Zehntausend Menschen gab das Werk ihr Brot.
Jahr kam auf Jahr, und Jahr auf Jahr verrann;
Da zog der Dichter wieder durch den Cann.
Don fern schon hörte er des Sturzbachs Stöhnen,
)as Räderächzen und Maschinendröhnen
And schaute staunend zwischen Busch und Strauch
zinunter in das Meer von Ruß und Rauch.
)ann stieg er niederwärts auf leichten Füßen,
Den alten Freund und Werkherrn zu begrüßen.
Er fand ihn just, das Aug mit Glas bewehrt.
den Stahlguß probend heiß am Glutenherd,
And schaute eifrig, wie der Guß gelang
Und aus der Glut das neue Werkstück sprang.
Der Abend nahte, und es ging ans Scheiden.
Den Dorfpfad aufwärts zogen stumm die beiden,
Wo, halbversteckt, am grünen Tannenhag
kin ganzes Heer von roten Bäuschen lag,
Ind hinter ihnen zog zur Abendruh
zin müder Männerhauf dem Dorfe zu.
UInd wie der Männer harter Sschritt erklang,
)a ging ein Jubelruf das Dorf entlang,
And Kinder kamen rings herangelaufen
Ind holten sich den PVater aus dem Haufen
And führten ihn zum Haus, wo, an der Hand
Das Jüngste, schon die Mutter harrend stand.
Der Dichter schritt, als sei sein Herz beschwert.
zum Boden hielt er seinen Blick gekehrt.
der Werkherr aber sah das Treiben an
Und wandte sich zu seinem Freunde dann:
„Zürnst du, daß ich das Tannenparadies
„Zum Menschenarbeitseden modeln ließ?
.Wohl endete der stumme Tannenfrieden,
„Doch ist darum das Glück von hier geschieden?
„Der Wurzelboden eines Bergwaldstückes
Crägt jetzt ein neues Reich des Menschen⸗
glückes.“
Der Dichter hatte schweigend sich gewandt
And drückte stumm dem Freunde nur die Hand.
Im Herzen aber tönte, als er schied.
Hom Glück aus Eisen ihm das Hohelied.
Alerander Tille.
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