Full text: Der Bergmannsfreund (29.1899)

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Wilhelm wandte, nachdem er salutiert hatte, sich zu den 
Veteranen, Offizieren und Mannschaften mit folgender An— 
sprache, die weithin vernehmlich über die geweibte blutgetränkte 
Stätte hinschallte: 
„Ernste und weihevolle Erinnerungen umgeben den 
heutigen Festtag und lassen unsere Herzen höher schlagen. Mein 
erstes Garderegiment zu Fuß, vertreten durch meine Leibkom— 
pagnie, seine ruhmreichen Fahnen und viele alte Kameraden, 
die einstmals an dieser Stelle gefochten und geblutet haben, 
wird heute das Denkmal für seine Gefallenen enthüllen. Es 
geschieht dies unter Teilnahme meines jüngsten Regiments und 
gleichsam der gesamten deutschen Armee, vertreten durch die 
Truppen des 16. Armeekorps. Es ist fast das einzige Regiment 
zewesen, welches an dieser blutgetränkten Stelle durch ein 
Denkmal bisher noch unvertreten war, und doch hat es den 
dollen Anspruch darauf. Obwohl es durch die Geschichte eng 
an mein Haus gegliedert, zur Erziehung der Prinzen und 
Könige desselben berufen, sodaß es mit Recht als ein Familien— 
und Haus-Regiment angesehen werden darf, hat doch meines 
Großvaters Kaiserliche Majestät keinen Augenblick gezaudert, 
die ihm so teure Truppe voll für des Vaterlandes Wohl ein— 
zusetzen. Wie das Regiment gekämpft und geblutet und seinen 
Fohneneid gelöst, wie sein Verhalten des großen Kaisers Lob, 
seine Leiden und seine Verluste seine Thränen ihm verdient 
haben, lehrt die Geschichte. Seinen unter dem grünen Rasen 
ruhenden Helden setzt das Regiment mit mir, als seinem ältesten 
stameraden, den Erinnerungsstein. Die gewählte Form des 
Denkmals ist abweichend von der sonst auf dem Schlachtfelde 
üblichen. Der gepanzerte Erzengel stützt sich, fried— 
lich ruhend, auf sein Schwert, geziert mit dem stolzen Motto des 
Negiments: „Semper talis“. Ich will daher, daß dieser Figur 
auch eine allgemeine Bedeutung verliehen werde. Sie steht auf 
diesem blutgetränkten Felde gleichsam als Wächter für alle hier 
Jgefallenen braben Soldaten beider Heere, sowohl desfranzö— 
sischen wie unseres; denn tapfer und heldenmütig für 
hren Kaiser und ihr Vaterland sind auch die französischen Sol— 
daten in ihr ruhmvolles Grab gesunken. Und wenn unsere 
Fahnen sich grüßend vor dem erzenen Standbilde neigen werden 
und wehmutsvoll über den Gräbern unserer lieben Kameraden 
rauschen, so mögen sie auch über den Gräbern unserer Gegner 
wehen, ihnen raunen, daß wir der tapfern Toten in wehmuts— 
holler Achtung gedenken. Mit tiefem Danke und Aufblick gegen 
den Herrn der Heerscharen für seine unserm großen Kaiser 
zuädig bewährte Führung wollen wir uns vergegenwärtigen, 
daß auf den heutigen Tag die um des höchsten Richters Thron 
gescharten Seelen aller derer, die einst in heißem Ringen sich auf 
diesein Felde gegenüberstanden, im ewigen Gottesfrieden vereint 
auf uns herabsehen.“ 
Auf Befehl des kommandierten Generals Grafen 
Häseler präsentierten nun die Truppen und brachten dem 
obersten Landesherrn, ergriffen von des Kaisers Worten ein 
dreimaliges Hurrah. Aus dem ehernen Munde der seitwärts 
der Truppen aufgestellten Feld- und schweren Artillerie donner— 
sen 101 Schüfse über die weite Ebene, davon Kunde 
zebend, wie Kaiser Wilhelm die gefallenen Helden seines 
Elite-Regiments ehrte, aber nicht minder auch der tapfern Geg— 
ier, der hier in heißem Streite gefallenen französischen Krieger 
rnerkennend in wehmutsvoller Achtung gedachte. Der Kaiser 
ließ dann die Veteranen des Regiments kompagnieweise 
zufammentreten und ritt die Front ab, manchen alten Bekann— 
en herzlich begrüßend, diesem und jenem die Hand reichend, 
ind hier und dort sich nach dem Verlauf jener schweren Schlach 
zei Dekorierten erkundigend. Der Kaiser, der in bester 
froher Laune war, entzückte die alten Veteranen durch seine 
Herzlichkeit und sein gewinnendes Wesen. Mit herzlichen 
Worten verabschiedete er sich von den alten Kriegern und gab 
seiner Freude Ausdruck, daß sie in so großer Zahl an dem heu— 
jaen bedeutungspollen Erinnerunastage teilgenommen hätten 
Von den vielen Tausend Zuschauern mit hellem Jubel begrüßt, 
ritt der Kaiser zum Gehöft Jerusalem auf der Chaussee 
nach Amanweiler. Hier nahm er die Parade über die 
Truppen ab und ritt dann nach Saulny, wo er sich 
in die Spitze der Leibkompagnie und der vom Königs-Infan— 
terie-Regiment gestellten Fahnenkompagnie setzte und die Fah— 
nen durch das Französische Thor zum Bezirkspräsidium in 
Menz brachte. In den festlich geschmückten Straßen brachte 
das dicht gedrängt stehende Publikum dem Kaiser bei seinem 
Finzug in die Stadt Mesz begeisterte Ovationen. Nachdem 
der Kaiser sich im Bezirkspräsidium umgekleidet und eine kleint 
Erfrischung genommen hatte, fuhr er zu Wagen durch die Palast— 
und Römerstraße an der Esplanade vorbei nach Sablon 
und folgte der Einladung des Offizierkorps seines Königs— 
Infanterie-Regiments zum Frühstück im Kasino. 
Um 83 Uhr traf der Kaiser zu der von ihm gegebenen 
nilitärischen Galatafel ein. Zur besonderen Ehrung waren 
auch sechs-Veteranen des 1. Garde-Regiments z. F. jetzt könig— 
liche Schloßgardisten, des Kaisers Tafelgäste, denen S. M. in 
ziner mit einem Toast auf das Regiment schließenden An— 
prache, als den tapferen Mitkämpfern von 1870, eine alle 
Anwesenden ergreifende Ehrung bezeigte. — Daß der kaiserliche 
Festgeber sich unter seinen Gästen wohlbefand, beweist sich wohl 
*utlich damit, daß S. M. erst um Mitternacht nach dem 
Bezirkspräsidium zurückfuhr. Hier übernachtete er 
in denselben Räumen, die 1877 und 1879 sein kaiserlicher 
Broßvater bewohnt hatte. 
Ein ganz sachter, nur willkommener Regen hinderte nicht, 
daß die Straßen bis zum Bahnhof und die Fenster in ersteren 
vieder zahlreiches Publikum zeigte, das dem punkt 8. Uhr am 
Samstag Morgen nach Diedenhofen abreisenden Kaisser 
schallendes Geleite gab. S. M. fuhr, von einem Adjutanten 
»egleitet, in offener Kalesche, ohne jede sonstige Begleitung zur 
Bahn. 
In Diedenhofen traf der Kaiser um 9,85 Uhr 
ein. General Graf von Haeseler und der Stadtkommandant 
Beneralmajor Wissener bestiegen am Bahnhofe den Wagen des 
Kaisers, an dessen Seite sich der Statthalter befand. Der 
Kaisser fuhr sodann in die Stadt ein, die überaus reich ge— 
schmückt war. Vom frühen Morgen an hatten die Züge 
Tausende aus der Umgegend gebracht. An den Straßen bildeten 
die Schulkinder und Vereine Spalier. Es waren Tausende 
von Bergleuten in ihrer einfachen Tracht und Ar-— 
beitern aus den benachbarten Gruben und Eisen— 
werken eingetroffen. Der Kaiser hielt durch das Saar— 
louiser Thor seinen Einzug in die Stadt zum Marktplatz, der 
besonders reich geschmückt war. Der Kaiser verließ den 
Wagen nicht. Kreisdirektor Graf Villers hielt eine kurze 
Ansprache an den Monarchen; ihm folgte der Bürgermeister, 
der in seiner Rede namens der Skadt die Bitte vortrug, die 
Festungs-Einschränkungen zu erleichtern. Hierauf wurden dem 
sohen Gaste von jungen Mädchen Blumen überreicht. Der 
Kaiser dankte für den freundlichen Empfang und sprachk 
sein Bedauern aus, daß er nur so kurze Zeit bleiben könne. 
Die Rayon-Frage werde geprüft werden. Hierauf wurde den 
sohen Besucher der Ehrentrunk angeboten. Se. Majestät nahm 
ihn an und reichte dann den Becher dem Statthalter. Hierauf 
erfolgte die Weiterfahrt durch die Stadt zum Luxemburger 
Thor hinaus nach der Gentringer Höhe, wo ein Fort im Bau 
begriffen ist. Hier wurde Se. Majestät vom Generalinspekteur 
der Festungen, General v. d. Goltz, empfangen. Der Kaiser 
wurde auf dem ganzen Wege von nicht enden wollenden Jubel— 
rufen begrüßt. Auf der Geniringer Höhe nahm der Kaiser die 
Erläuterungen, die General v. d. Goltz gab. Hierauf wurde 
kurze Rast gemacht und das Frühstück eingenommen. Um 
10 Uhr 30 Min. fuhr der Kaiser durch das Metzer Thor wiedern 
in die Stadt ein und begab sich unter dem Jubel der Be— 
oölkerung zZum Bahnhof. Um 10 Uhr 40 Min. erfolate di—
	        
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