Full text: Der Bergmannsfreund (29.1899)

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hatte sie nun davon, daß sie vor mehr denn zwanzig Jahren den 
aUs reich geltenden Einödbauer um seines Geldes willen ge— 
heiratet hatte — sie war jetzt vielleicht ärmer dran, außerdem 
—ä0— 
sie so große Hoffnungen gesetzt, dahin — als arme Wiwe bekam 
sie sicher keinen Mann mehr, der ihr ein angenehmes Leben 
dieten konnte — der, auf den sie damals ihre Hoffnungen gesetzt 
hatte, lag unten tot — ihr Leben war verpfuscht — unter dem 
Bered der Leute, die ihr so wie so niemals recht das Glück ge— 
zönnt hatten, mußte sie vielleicht mit ihrem Wilibald den Hof 
derlassen und sich wieder verdingen! 
Gab es keinen Ausweg? Ein häßlicher Zug huschte über 
das volle, runde und noch immer anziehende Gesicht der Witwe 
und gestattete einen Einblick in die Sinnesart des Weibes. Ein 
wunderliches Feuer flackerte in ihren Augen, daß einem Grauen 
und Entsetzen vor ihr erfassen konnte. 
„Es muß einen geben!“ murmelte sie vor sich hin. 
Der Sturm hatte etwas nachgelassen, nur der Regen 
plätscherte noch. Der Schrei eines Vogels, eines Käuzchens, 
ertönte von ferne; die Bäuerin fährt unwillkürlich zusammen 
— im Volksmunde heißt dieser Vogel der Totenvogel und sie ist 
nicht frei von Aberglauben. Galt dieser Schrei des Toten— 
oogels dem Verstorbenen der unten in der Stube lag, oder galt 
er jemand, der ihm bald folgen sollte! 
2. Kapitel. 
Gab das ein Gerede im Dorfe, als der Unfall des Einöd— 
bauern bekannt wurde. Aber gerade, weil so wenig darüber 
zu erfahren war, wurden um so eifriger allerhand Vermutungen 
ausgesprochen. Er war abends in der Dunkelheit abgestürzt. 
— Wie war dies möglich, so ging die Frage von Mund zu 
Mund. — War der Bauer nachts verbotener Weise auf den 
Anstand gegangen? So was war ja nicht möglich, aber dem 
reichen Einödbauern hätte kein Mensch dies zugetraut; oder 
zatte er sich an noch Schlimmerem beteiligt? 
Mehr die Neugierde, weniger wohl das Mitgefühl mit 
der Wittib und den beiden Söhnen des Verstorbenen trieb die 
aächsten zwei Tage die Dörfler hinauf zum Einödhof. Man 
zoffte doch schließlich ein Wort zu erfahren, welches sich auf das 
geheimnisvpolle Ende des Bauern bezog. 
Inmitten einer Fülle von Blumen lag der Bauer in der 
unteren Wohnstube auf dem Paradebett, angethan mit seinem 
Sonntagsstaat, an dem man die schweren silbernen Knöpfe be— 
lassen, in den erstarrten Händen ein kleines Kruzifix von 
weißem Elfenbein. Ganz deutlich sah man in dem wachs— 
bleichen Gesicht die Spuren des schweren Falles, die eine Hälfte 
der Stirne war eingedrückt; die schmerzlich verzerrten Züge be— 
kundeten selbst in der Starrheit, welch schweres Ende der Bauer 
gefunden hatte und Angesichts dessen wurden selbst diejenigen, 
welche aus Neugierde heraufgekommen waren, von Mitgefühl 
erfaßt und mitleidig ergriffen sie den Weihwasser-Wedel, be— 
sprengten die Leiche mit Weihwasser und beteten ein Vaterunser 
für das Seelenheil des Heimgegangenen. 
Die Bäuerin bekam niemand zu Gesicht; sie hatte sich vom 
ersten Tage an zurückgezogen und verbrachte die meisten 
Stunden oben in der guten Stube mit ihrem Willibald. Bal— 
chasar blieb es überlassen, alle Anordnungen zum Begräbnis 
des Vaters zu treffen; in seiner stillen gotsergebenen Art hatte 
er mit Hülfe der Leichenfrau den Vater auf das Paradebett 
zelegt und es mit Blumen geschmückt. Der Vater hatte ihm 
im Leben manchmal Unrecht gethan, aber Balthafar hegte 
aicht den geringsten Groll gegen ihn; er hatte starke gesuͤnde 
Nerven, aber die letzten Tage hatten ihn doch angegriffen. — 
Es war ein Begräbnis erster Klasse, welches dem Einöd— 
bauern zu Teil wurde, es war dies selbstverständlich bei dem 
Reichtum, welchen er sicherlich hinterließ; der Meßner war 
mit mehreren Fahnenträgern erschienen, mit Laternen und dem 
großen Totenkranz. 
Ein herrlicher Tag zeichnete das Bearübnis aus trokdvem 
die Ernte auf dem Halm stand, um welche Zeit eigentlich bei 
»en Bauern keine Stunde zu verlieren gab, waren doch Ver—⸗ 
vandte und Nachbarn in großer Anzahl erschienen, um dem 
Finödbauer das letzte Geleit zu geben und auf dem Einödhof 
var der Bearäbnistag als Feiertag bestimmt worden. 
(Fortsetzung folgt.) 
Hhausmittel und Gemeinnuühiges. 
— Versengte Wüsche wieder herzustellen. Vor Allem muß 
nan, wenn die Sengflecken auf gestärkter Wäsche sind, aus 
dieser zuerst die Stärke entfernen, indem man die Stärke in 
heißem Wasser leicht durchwäscht. Indeß bereitet man sich aus 
300 Gramm heißem Wasser und 100 Gramm Chlorkalk eine 
Lösung, die man vor dem Gebrauche gut klärt. Man taucht ein 
einenes Läppchen in die Lösung, daß es ganz damit durchzogen 
st, und fährt dann mit dem Läppchen leicht und lose wiederholt 
iber die versengten Stellen. Bei ganz frischen Flecken genügt 
ein ein- bis zweimaliges leichtes Ueberstreichen, bei älteren 
Flecken wird man das lose Abreiben öfters wiederholen müssen. 
— Ein allerliebstes Schmuckkästchen stellt man aus zwei 
an ihren Längsseiten zusammengeklebten Cigarrenkisten her. 
Der Innenraum wird mit 6 Leistchen, welche dazu dienen, 3 
leine Brettchen zu tragen, versehen. Nachdem an die von den 
Deckeln hergestellten Thürchen Scharniere und ein Miniatur— 
chlößchen angebracht worden, lackiert man das ganze kleine 
MNöbel innen und außen mit schwarzem Lack. 4 kleine Holz⸗ 
lötzchen ergeben die Füße. Nun verziert man die Seitenwände, 
Decke und Thüren noch mit farbigen Bronzen, die japanischen 
Sachen nachahmend und das Schmuckschränkchen ist fertiag. 
BRunte BSeitung. 
* Ein seltsamer Husar. Erhebend war die Opferwillig— 
eit der Preußen zur Zeit der Befreiungskriege. Sogar Frauen 
ogen, als Männer verkleidet, mit in den Kampf. Die erste 
Streiterin, die gegen die Franzosen auszog, war eine deutsche 
Sattin, Maria Werder. Ihr Mann besaß ein kleines Gut bei 
Sagan. Als nach der Schlacht von Jena Fürst Pleß ein Frei— 
orps zur Verteidigung Schlesiens bildete, ließen beide Gatten 
hr Gut und ihre stille, glückliche Häuslichkeit im Stich und 
raten in dies Korps. Werder als Offizier, Maria als Husar 
ind Bursche ihres Mannes. Der französische General Van— 
amme drängte die Preußen gegen Brieg und Neisse zurück. 
In einem Scharmützel wurde Maria am Schenkel verwundet. 
Lächelnd sagte sie zu ihrem Gatten, der ihr den ersten Verband 
anlegte: „Ein Gefecht ist doch nicht so schlimm, als ihr Männer 
ꝛs macht.“ Bald darauf büßte sie durch einen Säbelhieb einen 
Finger ein. Heiter tröstend, sagte sie zu ihrem Gatten: „O, es 
st ja auch nur an der linken Hand, kann ich doch gleich wieder 
den Säbel führen ..... und dereinst in friedlichen Zeiten, so 
Hott will, daheim Nähnadel und Kochlöffel.“ Bei der Ver— 
prengung des Korps entkamen beide Gatten glücklich der Ge— 
angenschaft und nach Züllichau, wo sie in ein anderes Freikorps 
intraten. Maria gehörte zu der kleinen Schar des Leutnants 
o. Rochow, die 80 Mann Rheinbündler gefangen nahm. Bald 
darauf aber ward sie mit 6 Kameraden im dichten Walde von 
»en Ihrigen getrennt und gefangen genommen. Mit echt weib— 
icher Schlauheit gelang es ihr, dem verliebten Oberst Barbes, 
der ihr Geschlecht entdeckt hatte, und der Gefangenschaft zu ent⸗ 
fliehen. Auch ihr Gatte war inzwischen von den Franzosen 
zefangen und schon auf dem Wege nach Frankreich, d. h. in die 
jrausigen französischen Bagnos, wohin „Napoleon der Große“ 
ziele, — furchtbar viele der edelsten, tapfersten Deutschen zu 
ranzösischen Räubern und Mördern, zu Ungeziefer und Hunger 
ind Verzweiflung sperrte aber auch Werder war es ge—
	        
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