Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

die Herkunft seines Stoffes nicht, zufrieden mit dem, was 
er Eigenes zu demselben hinzugefügt hat: die Schärfe und 
Schönheit des Gepräges muß darthun, ob er zu seinem 
Unternehmen berufen war. 
Eine Vergleichung meiner Umbildungen mit der Ur— 
schrift wird zeigen, wie schonend ich hier, wie entschieden 
ich dort zu Werke gegangen bin. 
—AV— 
klärung und Rechtfertigung verdiente. Nun noch einige 
Worte über den Verfasser oder vielmehr Sammler des 
Buches „Schimpf und Ernst,“ schon aus Dankbarkeit. Ich 
entnehme dieselbe der Einleitung Oesterleys. 
Pauli wurde um das Jahr 1455 von jüdischen Eltern 
geboren und hieß vielleicht ursprünglich Paul Pfedersheimer, 
bekehrte sich früh zum Christentum, wurde in Straßburg 
Magister der freien Künste, trat in den Franziskaner-Orden 
ein und predigte schon 1479 zu Thann im Elsaß. Von 
15060 - 1510 war er Guardion des Barfüßerklosters zu 
Straßburg, wo er die Predigten Geilers von Kaisersberg 
hörte, die er aufzeichnete und in den folgenden Jahren 
ausarbeitete. Die erste Sammlung derselben gab er als Lese— 
meister zu Schlettstadt 1315 heraus, und ließ ihr in den 
heiden nächsten Jahren noch zwei andere folgen. Kurze 
Zeit vorher oder nachher muß er auch Lesemeister zu Vil— 
lingen gewesen sein. 1518 war er wieder Lesemeister zu 
Thann, wo er fein Werk „Schimpf und Ernst“ beendete 
und bis zu seinem nach 1580 erfolgten Tode verblieb. 
Es muß ein fleißiger und frommer Mann gewesen sein, 
der gewiß ebenso treuherzig und volkstünlich gepredigt hat, 
wie er schrieb, dem Spaß durchaus nicht abhoͤld, und doch 
vom rechten Ernst erfüllt, oft derb im Ausdruck, wie es 
seine Zeit mit sich brachte, aber im tiefsten Innern kindlich 
und rein, nicht von hohem Gedankenflug und großer Ge— 
staltungskraft, aber oft ergötzlich durch frische, dem Volks⸗ 
munde abgelauschte Wendungen und bei schlichtem Ausdruck 
ergreifend durch seine edle Gesinnung. Von seinen vielen 
Beschichten hat er nur wenige selbst erlebt, die meisten aber 
aus Büchern oder aus mündlicher Ueberlieferung geschöpft, 
ohne in der Auswahl überängftlich zu sein. Er ruhe in 
Frieden — sein Scherz hat manchen froh, und sein Erust, 
so dürfen wir hoffen. manchen fromm gesachn 
Zum Schein. 
kEine Erzählung von Ludwig Habicht. 
(Fortsetzung.) 
Auf dem Schloßhofe star den noch einige prozeßlustige 
Bauern im eifrigsten Gespräch. Sie suchten wenigftens hier 
unten Recht zu behalten und die Gültigkeit ihrer Ansprüche 
zu beweisen, während sie oben vor den Herren nach Bauern— 
art nur höchst ungeschickt ihre Sache zu verteidigen wuß— 
en. Auch hier war der Weber nicht mehr unter ihnen und 
mußte also bereits vorgeladen woörden sein. Marie stürzte 
in unbeschreiblicher Angst die Treppe hinauf, und obwohl 
das Herz des Musikanlen unruhiger zu schlagen begann, 
vurde er doch fast unwillkürlich von Marien mit fortgeris— 
sen und folgte ihr auf dem Fuße. An der Thür des Voꝛ— 
saales stand ein junger Exckutor — griesgrämig und ge— 
langweilt rauchte er seine Cigarre und fuhr erschrocken aus 
seinem Hinträumen auf, als ihn Marie hastig nach dem 
Schwurzimmer frug. 
. Jedem andern würde der Mann des Gerichts auf 
eine solch' stürmische Frage die grödste Antwort gegeben ha— 
ben, aber gegen das hübsche Mädchen brachte es der junge 
Beamte nicht über's Herz; freilich bis zu einem freundlichen 
Bescheid konnte er sich nicht aufraffen und er zeigte nur mit 
der Hand auf eine Seitenthür. 
Marie wollte augenblicklich der bezeichneten Thür zu⸗ 
eilen, doch der Exekutor hielt sie zurück. „Halt da, dort 
hinein darf jetzt Niemand. 
„Ich muß hinein!“ rief Marie außer sich und drängte 
sich an dem Exekutor vorbei. Es lag eine solch zwingende 
Bewalt in dem Auftreten Mariens, daß der Exekutor da— 
von verblüfft wurde und noch unentschlossen dort stand, ob 
er das junge Mädchen festhalten oder gehen lassen solle? 
Diesen Angenblick benutzte der Musikant und drängte den 
Exekutor vollends bei Seite. Die Thür sprang anf und 
heide standen im Schwurzimmer. — 
Der Weber hatte den Wagen eines auf seine Hinter— 
icker fahrenden Bauers benutzt und war deshalb rasch an's 
Ziel gekommen. Es war auch keine Zeit zu verlieren ge— 
vesen, denn einige Minuten später rief der Exekutor die 
Sache auf und die Parteien mußten in das Terminszim— 
ner treten. Der Bauer Walther war zum Termin nicht 
allein gekommen, seine Frau und sein Schwiegervater hatten 
hn begleitet uud auf das Drängen des alten Krahl hatte 
elbst Georg mit fortgemußt. „Wenn er den schlechten Kerl 
vird falsch schwören sehen, das wird ihn schon kurieren,“ 
jatte der alte Krahl gemeint und in schmerzlicher Aufregung 
var Georg der Weisung gefolgt. Wenn der Weber den 
Fid leistete, dann war freilich das letzte Band zwischen den 
peiden Liebenden zerrissen. Sein Vater hatte ihm jetzt die 
»olle Wahrheit bekaunt und daß der Kauf doch nur zum 
Schein abgeschlossen und er nur durch die Vorspiegelungen 
des Webers verleitet worden sei, bald darauf andere Än— 
jaben zu machen. Zwischen Georg und seinem Vater be— 
tand ein zu vertrautes Verhältnis, als daß der erstere 
aoch länger an der Richtigkeit dieser Behauptung hätte 
weifeln sollen. 
Blaß und unruhig schwankte der Weber in das Ge— 
richtszimmer; aber bei dem Anblick seiner Feinde gewann er 
olötzlich seine Sicherheit wieder. Die Frende, diese verhaß— 
en Menschen bis auf's Aeußerste zu quälen, färbte seine 
Wangen und in seiner alten kopfhängerischen Weise grüßte 
er den Richter, während seine kleinen Augen einen unheim— 
lichen Schimmer befriedigter Rachelust zeigten. 
Das Erscheinen des Webers machte auf die Anwesen⸗ 
den den verschiedenartigsten Eindruck. 
Während der alte Krahl und Margareth ihrem ver—⸗ 
haßten segner die zornigsten Blicke zuschleuderten, saß der 
Bauer Walther niedergeschlagenen Auüges dort und wagte 
nicht aufzublicken. Mit Valentin war überhaupt seit dem 
anglücklichen Verlauf seiner Angelegenheiten eine große Ver— 
inderung vorgegangen. Er war trübe und kopfhängerisch 
geworden und konnte stundenlang in dumpfem Hinbrüten 
vor sich hinsehen. Wenn sich dann seine Frau freundlich 
näherte und ihn damit tröstete, daß alles noch gut enden 
würde und ihr Vater versichert habe, daß sie den Prozeß 
zewinnen würden, lachte er gewöhnlich wild auf und sagte: 
„Ich hab' meinen Prozeß verloren.“ Die Frau bezog dies 
Wort auf seinen törichten Verkauf des Gutes und grübelte 
nicht weiter darüber nach, denn sie war diese grillenhafte 
Laune an ihrem Manne gewöhnt und schon zufrieden, daß 
ꝛr in solchen Anfällen einer unwillkürlichen Schwermut 
nicht mehr in die Schenke lief. Er suchte dafür seinen 
Sohn auf und beide wanderten mit einander hinaus auf's 
Feld oder setzten sich in einen Winkel der Scheune, wo sie 
ich unbemerkt wußten und dann suchte der Bauer für die 
Qualen seines Innern bei seinem Sohne Trost und Hülfe.
	        
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