Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

reicher Privatleute und Gemeinden an den schnell berühmt 
gewordenen Mann, daß er sich mit Zustimmung seiner Re— 
zierung entschloß, sein Amt als Pfarrer für immer nieder—⸗ 
zulegen und eine andere segensreiche Mission anzutreten. 
Vom Jahre 1832 bis 1853 reiste nun Paramelle all⸗ 
jährlich vom 1. März bis 1. Juli und vom 1. September 
bis 1. Dezember im Lande umher und besuchte 45 Departe⸗ 
ments seines Vaterlandes, sowie auch Belgien und einen 
Teil Deutschlands. Ueberall wurde er mit Begeisterung 
empfangen; die Bevölkerung, welche ihn anfangs für einen 
Zauberer und Hexenmeister ausgeschrieen, staunte iha zu⸗ 
letzt als einen Gottgesandten, einen zweiten Moses an. In 
den 25 Jahren seiner Thätigkeit hat Paramelle über 10000 
Quellenbestimmungen im südlichen Frankreich gemacht, von 
denen mindestens 9000 sich nach Ort und Tiefe und meist 
stärker, als er versprochen, bewährten. Wenn man bedenkt, 
welche Wohlihat jede einzelne Quelle für einen Ort ist, der 
bisher einer solchen entbehrte, drängt sich die Frage auf: 
welcher Fürst hat so viel für das materielle Wohl seiner 
Unterthauen gethan, als der Abbé Paramelle für Frankreich. 
In seinem 64. Jahre zog sich Paramelle von seiner 
anstrengenden Thätigkeit zurück und benutzte seinen Lebens« 
abend, um das bereits früher abgef aßte Wanufkript, wel—⸗ 
ches die Prinzipien seiner Wissenschaft enthält, zum Drucke 
vorzubereiten. Das Buch erschien und wurde bald darauf 
von Professor Bernh. Cotta in Freiburg ins Deutsche über— 
setzt. Quellenkunde, Lehre von der Bildung und Auffindung 
von Quellen, Leipeig 1856) 
Die eigentliche Wissenschaft Paramelle's besteht in der 
Deutung der äußeren Unebenheiten des Bodens. Jeder, 
der die Hydroskopie praktisch auszuüben gedenkt, müßte das 
Grundelement seines Studiums weit und vreit die Thal— 
und Bergbildung seiner Heimat, sowie deren Quellen und 
33 mit dem Buche Paramelle's in der Hand 
prüfen. 
Die Hauptsätze derselben sind nun folgende: 
„An den Abhängen der Berge, nameutlich wenn deren 
Masse geschichtet ist, brechen gewöhnlich Quellen hervor. 
Sie sind um so kleiner, je zahlreicher sie sind und um— 
gekehrt. Einẽ sehr wasserreiche Quelle entspricht einem 
großen Aussaugeterrain, und pflegt darum in bedeutender 
Ausdehnung die einzige zu sein. Die Quellen sind an dem 
sanfteren nicht an dem steileren Übhange zu suchen. Zeigen 
sich an dem Abhange eine oder mehrere von oben nach 
unten ziehende Faltungen der Odberfläche, so birgt jede der— 
selben unter sich einen Quellenlauf. Gewöhnlich konvergieren 
dieselben nach dem Fuße des Berges, dann enthält die am 
weitesten verfolghare Falte den Hauptlauf, welchem die 
Nebenadern zuströmen und welchen man daher aufgraben muß. 
Die günstigsten Ortte für Quellgrabungen sind die 
Thäler. Jedes Thal, Seitenthal, jede Schlucht oder Terrain— 
falte, birgt einen seinem Umfange entsprechenden Wasser— 
lauf, welcher entweder sichtbar als Quelle oder Bach, oder 
unsichtbar als unterirdische Ader hinabfließt. Der unter⸗ 
irdische Bach folgt stets derjenigen Linie, welche ein ober— 
irdischer Bach daselbst beschreiben würde. Diese Linie ist 
der auch in unbewohnten Thälern deutlich markierte Thal⸗ 
steig, welcher der Längsausdehnung folgend auf ihrem Boden 
mit mehr oder weniger Biegungen die tiefste Senkung des 
Thalgrundes angibt. Dieser Thalweg läuft in der Mitie der 
Aushöhlung, wenn die einschließenden Abhänge mit gleicher 
Neignng sich hinein senken; er liegt stets dem steileren Ab— 
hange näher, und wo der Berg beinahe senkrecht aufsteigt, 
führt der Thalweg unmittelbar an seinem Fuße vorbei. Die— 
ielben Eigenheiten beobachtet ein zwischen Bergen sich hin— 
cchlängelnder Bach. Der Thalweg aber bezeichnet genau 
»en unterirdischen Wasserlauf mit allen seinen Windungen, 
venn er nicht durch menschliches Zuthun verändert worden 
ist. („Auch unter der Erde herrschen die Gesetze der Natur 
zwar weniger deutlich, aber nicht minder sicher. Nimm 
jür unten dasselbe an, was du oden wahrnimmst,“ lehrt 
schon Seneca von den unterirdischen Quellenadern.) 
„Will man sich einen genauen Begriff verschaffen,“ 
jagt Paramelle, „von der Art und Weise der Entstehung 
ener verborgenen Quellen unter den Terrainfalten, so braucht 
man nur zu beobachten, wie während eines starken Regens 
die wilden Wasser abfließen und sich vereinigen, um den 
Bießbach zu bilden, welcher vorübergehend an der Ober— 
läche entsteht; man kann überzeugt sein, daß der kleine 
ausdauernde und verborgene Wasserlauf unter der Erde 
auf gleiche Weise sich bildet und fließt, und daß seine Adern 
und Aederchen dieselben Linien beschreiben, wie die Wasser 
an der Obeirfläche.“ 
Fassen wir die allgemein gültigen Prinzipien Para— 
nelle's zusammen, so kommen wir zuerst an die Frage, an 
velchen Punkten man am günstigsten die durch Terrain— 
altungen angedeuteten unterirdischen Wasserabzüge aufgraben 
soll. Paramelle bezeichnet als diejenigen Orte, in wel— 
hen die Quellen in der geringsten Tiefe anzutreffen sind: 
1. den obersten Anfang des Thalweges; 2. den Ort, 
wo sich mehrere Thalfalten vereinigen; 83. das Innere eines 
einspringenden Winkel am Abhange; 4. den Mittelpunkt 
der halbeirkussörmigen Ausbuchtung am Bergfuße; 5. die 
Stellen, wo die Terrainfalten mit üppiger Vegetation, na⸗ 
mentlich von Wasserpflanzen bedeckt sind; 6. den Punkt, 
Dne Faltung des Abhanges die Sohle des Thales er— 
reicht. 
Um die Tiefe der zu bestimmenden Quelle im Voraus 
angeben zu können, schtägt Paramelle mehrere Methoden 
por, von denen die Mitteilung einer genügen mag. Man 
hestimmt die Tiefe, in welcher die durchschnittlichen Stei— 
jungsebenen der einschließenden Bergabhänge einander 
schneiden würden; dies ist ziemlich genau die gesuchte Tiefe 
»es Wasserabzugs unter dem Thalwege. Das Volum der 
zu bestimmenden Quelle hängt nicht nur von der Ausdeh— 
aung des erzeugenden Terrains, sondern auch von der Po— 
cosität seines Bodens, Formation und Vegetation ab, so⸗ 
)aß es nach den Umständen einem ziemlich bedeutenden 
Wechsel unterliegen kann. Paramelle gibt zwar auch hier 
die Methode zu einer annähernden Schätzung aun, doch kann 
dieselbe begreiflich nur nach längerer Uebung einige Sicher— 
heit erlangen. 
Dies ist in ihrer ganzen Einfachheit die Theorie der 
Quellenaufsuchung jenes mit Recht allberühmten unsterb⸗ 
ichen Mannes. Wenn seine Erfolge allerdings oft an das 
Anglaubliche und Uebermenschliche grenzten, so ist das ein 
imsomehr erfreulicher Beweis, wieviel mehr hier gründ— 
iche Kenntniß der Bodengestaltung, also die Wissenschaft, 
leisten konnte, als jemals die krankhafte Reizbarkeit ner— 
pöser und ssensitiver Personen oder die Wünschelrute, 
um den Ort zu ermitteln, wo sich unter der Erde kließen— 
des Wasser befindet. 
Ein Herkules im Mittelalter. 
Im Jahre 1246 starb die männliche Linie der Grafen 
Sayn, eines der ältesten „nassauischen“ Rittergeschlechter 
aus. Der Graf Johann von Sponheim vermählte 
sich aber mit Adelheit, einer Tochter des Grafen Eisen— 
dart von Sayn. Das Hochzeitsfest war eines der
	        
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