Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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schwer halten die Zinsen weiter zu zahlen und die Folge 
wird sein, daß die Obligationsinhaber schließlich den ganzen 
Bettel an sich ziehen.“ 
Otto entgegnete nichts; ernst und nachdenklich besah 
er die Cigarre, welche er in der Hand hielt, dann trat er, 
noch immer schweigend, wieder an das Fenster. Seine 
Mutter betrachtete den jungen Mann und murmelte leise 
vor sich hin: „Es scheint mir, die stolze Margareth ist dir 
doch nicht so gleichgiltig, wie du es zur Schau trägst. Na, 
wir werden ja bald sehen, wo der Has im Pfeffer liegt.“ 
Laut aber wandte sie sich dem Sohne zu und sagte: „Ja, 
Dtto, so stehen die Sachan und was meinst Du dazu ꝰ 
Dieser antwortete ruhig: „Es ist vielleicht noch nicht 
so schlimm, wie Du es Dir vorstellst; wenn es aber so 
sein sollte, dann wäre es mir sehr lheid.“ 
„Was nützt da alles zweifeln,“ fiel Frau Wind jetzt 
lebhaft ein, „was ich Dir sage kannst Du glauben.“ Dann 
erzählte sie dem erstaunt horchenden Sohne, wie Wohlmuth 
vor einigen Jahren sich von dem Zechenschmied Geld ge— 
liehen und dieser eine Obligation von 1000 Thalern erhal⸗ 
ten habe. Der Zechenschmied sei ober während dem Aus— 
bruch des Krieges selbst in Verlegenheit geraten, er habe 
Seld gebraucht und sei zu Ottos Vater, dem alten Wind, 
gekommen und habe 700 Thaler gegen Verpfändung der 
Wohlmuthschen Schuldverschreibung von diesem erhalten. 
Der Zechenschmied könne sich aber doch nicht mehr halten 
und sei gezwungen das Kapital zu kündigen, indem ihr 
Mann, der Vater Wind, auf Ordnen der Geschäftssache 
dringe. 
„Ulso der Vater ist der Dränger, welcher im Hinter⸗ 
gzrund steht?“ frug Otto mit finsterem Blick; ‚„in seiner 
Hand also liegt das Wohl und Wehe von zwei ehrenwerten 
Familien?“ Dann trot der Sohn leuchtenden Auges auf 
die Mutter zu und sprach mit fester Ueberzeugung: „Zum 
Aeußersten kommt es doch nicht, Mutter, dem Zechenschmied 
muß geholfen werden, ich will mit dem Vater über die 
Sache reden.“ 
Frau Wind machte große Uugen. ‚Was fällt Dir 
denn ein, Oito?“ frug sie, die linke Hand herausfordernd 
in die Seite stemmend, „was geht uns der Reinhardt an, 
der kann ja selbst sehen, wie er sich aus der Klemme hilft!“ 
„Mich, mich geht er sehr viel an,“ entgegnete Otto 
mit Wärme, „denn ich“? setzte er etwas zögernd hinzu, 
denn ich bin seit drei Tagen mit seiner jüngsten Tochter, 
mit Helene Reinhardt, verlobt.“ 
Sprachlos stand die Mutter vor dem Sohne, aber das 
Wechseln der Farbe in ihrem erregten Antlitz verriet den 
stampf, welcher, ob dem unerwarteten Gestündnis, in ihrem 
Innern tobte. 
„Wenn das Dein Ernst ist, dann muß ich gestehen, 
daß Du, ein Beamter, dem nach unserem Tode ein schönes 
Vermögen zufallen wird, es darauf abgesehen zu haben 
scheinft, nur dicknäsige Bettlerinnen zu Dir heraufzuheben. 
Erst die Johanna und nun gar diese Helene, die arme 
Kin dergärtnerin. Bei Gott, das ist doch wirklich zum 
Lachen, wenn es nicht gar zu traurig wäre.“ Mit diesen 
Worten lief die erregte Frau zur Thüre hinaus. 
Wie von einem schweren Druck erlöst, sah Otto der 
Enteilenden nach und sagte erleichtert vor sich hin: „Das 
wäre nun heraus, wenn auch auf andere Weise, wie es in 
meiner Absicht lag. Gut aber ist es, daß ich jetzt klar 
sehe. Gott sei Dank, daß ich den Knabenschuhen entwachsen 
bin.“ Es war für ihn ein beseligendes Gefühl, den beiden 
ihm in letzter Zeit besonders liebgewordenen Familien mit 
Rat und That beistehen zu können. Die nicht zu vermeiden— 
den Auseinandersetzungen mit seinen Eltern, die nun folgten, 
machten ihm wenige Sorgen und er sagte sich, daß er end⸗ 
sich am Scheidewege angekommen sei. Er nahm seinen 
Hut und schritt heiteren Gemütes dem Kirchenplatz zu, um 
seiner Verlobten zu begegnen und ihr das Geleite dis zu 
der Zechenschmiede zu geben. Bald sah er sie in Gesell⸗ 
schaft mit Margarethen und Johanna langsam aus der 
sirche treten. Otto schloß sich grüßend den drei Freundinnen 
an und blieb an ihrer Seite, bis sich die Kirchgänger nach 
und nach auf den Heimwegen verzogen hatten. An einer 
Stelle, wo er von Vorübergehenden nicht gestört werden 
onnte, machte er Halt, und Helenens Hand ergreifend, 
stellte er diese den beiden anderen als seine Verlobte, als 
seine Braut vor. Helene war verlegen, sie wußte nicht, 
was sie sagen sollte, denn diese frühe Veröffentlichung ihrer 
Verlobung war gegen alle Verabredung. Johanna und 
Margarethe waren gleichfalls überrascht, brachten aber der 
Braut und dem Bräutigam die herzlichsten Glückwünsche 
dar. Alle Schatten, welche einst sich zwischen Otto und 
Johanna Veit gedrängt hatten, waren verschwunden und 
eine Thräne nur, welche in den schönen Augen Marga⸗ 
rethens glänzte, war der Erinnerung an den braven Steiger 
jeweiht, der auf Frankreichs Erde ein frühes Heldengrab 
zefunden hatte. Beim Scheiden sagte Otto zu der trauern⸗ 
den Margarethe, ihr die Hand reichend: 
„Sie werden bald mehr von mir hören, Fräulein 
Wohlmuth; grüßen Sie Ihre Mutter und sagen Sie der 
Frau Försterin, daß ich vielleicht heute noch eine angenehme 
Nachricht ihr zu bringen imstande sein werde. Bis dahin 
leben Sie wohl und auf Wiedersehen!“ Margarethe ahnte, 
um was es sich handelte, denn es war ihr ja bekannt, daß 
der Zechenschmied das von ihrem Vater aufgenommene 
Kapital von 1000 Thalern hatte kündigen lassen, weil er 
von dem alten Wind dazu gezwungen worden war. 
Otto hielt Wort; unter seiner kräftigen Mitwirkung 
wurde die Geldangelegenheit zur Zufriedenheit aller Betei— 
ligten geordnet, sein geiziger Vater wurde befriedigt und 
Frau Susanna konnte wie bisher im ruhigen Besitz ihres 
Figentums bleiben, denn der Zechenschmied war in die an— 
genehme Lage versetzt worden, die Kündigung der Obligation 
zurückziehen zu können. „Der Mensch denkt, der himmlische 
Vater aber lenkt!“ sagte Frau Susanna zu ihrer Tochter, 
„daß er aber Otto zu seinem Werkzeug erkoren hat, das 
wundert mich. Auch ich hatte eine vorgefaßte Meinung 
gegen ihn, und gestehe mit dankbarem Herzen, daß ich mich 
dollständig geirrt habe. Der brave junge Mann litt nur 
unter dem Schatten, den das wucherische Treiben seines 
Vaters auf ihn werfen mußte. Gott segne ihn!“ 
(Schluß folgt.) 
Marktpreise am 1. Dezember 1888. 
zu Saarbrücken. zu St. Johann. 
Mark Pfg. Mark Pfg. 
svon 3 380 6 40 
ibis 7 49 7 20 
svon 2 20 2 — 
Wis 2 40 2 40 
pon — 90 —n 80 
bis — — 
100 Kilo Kartoffeln 
1 LKilo Butter 
1 Dutzend Fier. 
Drucker und Verleger: Gebrüder Hofer in Saarbrücken. Expedition der Saarbrücker Zeitung). 
Verantwortlicher Redacteur: H. Waaner in Saarbrücken
	        
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